Auf der letzten Meile sind neue Lösungen gefragt, die die Zustellung effizienter machen. Vielerorts wird an Drohnen gearbeitet, doch möglicherweise kommt die Lösung doch wieder auf Rädern daher.

2016 wurden in Deutschland laut Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) 3,16 Milliarden Pakete und Päckchen ausgeliefert, fast doppelt so viele wie im Jahr 2000. In den USA hat alleine der US Postal Service im vorigen Jahr 6,2 Milliarden Päckchen, Pakete und Erste-Klasse-Postsendungen zugestellt, 2010 waren es noch halb so viele!

Laut McKinsey wird der Anteil des Onlinehandels von heute 9% auf 25 bis 30% im Jahr 2030 steigen. Der Versandhandel boomt.
Onlinehandel macht die städtische Logistik deutlich komplexer. Zusätzlich zur Belieferung der Händler (B2B) müssen unzählige kleinteilige Sendungen an Privathaushalte (B2C) über das gesamte Stadtgebiet zugestellt werden. Hinzukommt, dass durch steigenden Kundenservice, zum Beispiel in Form von taggleicher Belieferung, Belieferung zum Wunschzeitpunkt oder der Option, Pakete umzurouten, auch Dynamik und Komplexität auf der letzten Meile zunimmt, schreibt PwC in seiner Studie "Aufbruch auf der letzten Meile – Neue Wege für die städtische Logistik". 

Schnelles Start-up: Liefery ist seit 2014 aktiv und mittlerweile in 25 Städten vertreten.
© Liefery
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"Der Einsatz autonomer Fahrzeuge ist keine Frage des Ob, sondern nur noch des Wann”

Die letzte Meile bilde den größten Kostenfaktor bei Paketsendungen, hier könne mehr als 50 Prozent der gesamten Kosten für den Transport verursacht werden, so die IT- und Logistikberatung Vallée und Partner. Daneben seien mangelnde Park- und Halteplätze problematisch. Angesichts der wachsenden Ballungsräume wird es in den Städten immer enger. Es gilt, den Transport innerhalb der Stadt auf der letzten Meile zu optimieren.
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Flexible Transportnetzwerke

In ihrem Whitepaper "Shortening the Last Mile: Winning Logistics Strategies in the Race to the Urban Consumer" hat DHL drei Faktoren isoliert, die für die künftige Entwicklung entscheidend sind:

  • Flexible Transportnetzwerke werden unter anderem helfen, verfügbare Kapazitäten effizienter zu nutzen, die Ladeauslastung zu erhöhen, schnellere Verbindungen zu den Empfängern herzustellen, aber auch die Warenübergabe unterschiedlicher Transportmittel verbessern.  
  • Automatisierung verändere nicht nur die Arbeit in den Fulfillment-Zentren, mit autonomen Fahrzeugen und neuer Robottechnologie (Stichwort Machine Learning) werde auch die Produktivität gesteigert werden
  • Die Verbesserung des Datenmanagements werde die Warenflüsse optimieren und die Routenplanung effizienter machen.

In diesem Kontext zählen Drohnen zu den am häufigsten diskutierten Lösungen, nicht zuletzt auch, weil Amazongründer Bezos sie 2013 als einer der ersten ins Gespräch gebracht hatte.

© Illustration: Aki Röll
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Rettet Vernetzung vor dem Kollaps?

Doch der Handelsriese ist bei der Entwicklung längst nicht mehr alleine: DHL hat nicht nur einen Paketkopter entwickelt und erfolgreich im Allgäu und an der Nordsee geteste, sondern über die Tochter DHL-Sinotrans gemeinsam mit der chinesischen Drohnenfirma EHang im Mai 2019 einen vollautomatische intelligenten Drohnenlieferservice in China gestartet. Dort wird ein DHL-Sinotrans-Kunde über eine eigens für ihn eingerichteten Flugroute mit Waren beliefert. Die Drohne startet von einer stationären Basis und benötigt für die Flugstrecke von acht Kilometern acht Minuten; zuvor betrug die Lieferzeit 40 Minuten.

DHL Parcelcopter 4.0

 

Testflüge für Medikamente

Drohnen können zur Verbesserung der Infrastruktur in schwer erreichbaren Gebieten beitragen, wie sich vor allem in Afrika zeigt. In Tansania hat DHL gemeinsam mit der Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Drohnenhersteller Wingcopter in einem Pilotprojekt über sechs Monate Medikamente auf eine Insel im Viktoriasee geflogen, wobei der selbständig fliegende "DHL Paketkopter 4.0" die 60 km Flugstrecke vom Festland bis zur Insel in durchschnittlich 40 Minuten schaffte.

Zipline, der in San Fancisco beheimatete Hersteller von Drohnen, hat nach Pilotprojekten in Ruanda jetzt in Ghana einen regelmäßigen Lieferservice für Medikamente aufgenommen: In Zusammenarbeit mit der ghanaischen Regierung soll Zipline täglich von vier Lieferzentren aus mit 30 Drohnen Impfstoffe, Blut und lebensrettende Medikamente an 2000 Gesundheitseinrichtungen des Landes fliegen. "Wir werden 600 Flüge pro Tag machen und 12 Millionen Menschen versorgen", sagte Zipline-CEO Keller Rinaudo im Gespräch mit TechCrunch.

Der Dohneneinsatz in Afrika scheint eine Win-Win-Situation zu sein: Es profitieren Land und Unternehmen. Nachdem Malawi 2017 ein Korridor zum Testen von Drohnen etabliert hatte, wurde dieser vom schwedischen Drohnen-Dienstleister Globhe ebenso genutzt wie von der belgischen Luftverkehrssystemfirma Unifly und dem US-Drohnenhersteller Vayu, berichtet TechCrunch.com unter Berufung auf die projektbegleitende Unicef.

Galerie: Ein Tag mit dem DPD-Boten Asikan


Nebeneffekt des Afrikaengagements ist, dass dort bereits gesetzliche Regelungen erarbeitet wurden: 2016 verabschiedete Südafrika Drohnengesetze, die den Sektor unter der Aufsicht der Zivilluftfahrtbehörde des Landes regeln und vor allem Richtlinien zum Erwerb von Pilotscheinen (Remote Pilot Licenses, RPLs) vorsehen. Und Ruanda arbeitet daran, als erstes Land der Welt leistungsbezogene Vorschriften für Drohnen in seinem nationalen Luftraum zu verabschieden.

Flugsicherung und -kontrolle ist angesichts der zu erwartenden Flugbewegungen die zentrale Herausforderung in den dicht besiedelten Regionen. In China weist die Civil Aviation Administration of China (CAAC) für Drohnen Korridore aus. Die von der CAAC erlassenen Regeln zum Erwerb entsprechender Betriebslizenzen sollen gewährleisten, dass sich schnell wachsende Segment sicher und gesund entwickelt.

Der größte Vorteil für die Entwicklung der Technologie in China sei die Größe des Marktes, befindet Bloomberg.com: Nirgends auf der Welt werden mehr Pakete ausgeliefert, das jährliche Volumen beträgt laut McKinsey 70 Pakete pro Kopf – in Deutschland, Platz 2 im Ranking, sind es lediglich 24. Rund 590 Millionen Menschen leben in entlegenen, mitunter mit normalen Mitteln kaum oder gar nicht zu erreichenden Gegenden! In diese liefern seit 2017 JD.com and SF Holding Co. regelmäßig Waren per Drohne.

Aber lassen sich all diese Konzepte auch in Europa, in Deutschland umsetzen? In einem so engen und hochfrequentierten Luftraum wie dem deutschen ist kurzfristig nicht mit praxisgerechten gesetzlichen Vorgaben zu rechnen. Auf der Straße, will sagen: dem Bürgersteig, scheint das schneller möglich. Das zumindest legen Tests mit Lieferrobotern auf Rädern nahe, die von Behörden relativ schnell genehmigt wurden.

How does Starship robotic delivery work?


In Düsseldorf testete Media-Markt im Herbst 2016 die Zustellung per Roboter, parallel begann Hermes Germany in Hamburg mit einem Prototypen des estnischen Technologie-Start-ups Starship Technologies die vollautomatische Paketzustellung zu testen. Die äußerlich an einen großen Mars-Rover erinnernden Starship-Roboter können bis zu 15 Kilogramm auf eine Entfernung von fünf Kilometern befördern und wurden bei den Tests jeweils durch einen Menschen begleitet. Nach Testende im März 2017 blieb Starship in Hamburg, im März 2018 transportiert der Lieferroboter in einem Stadteil der Elbmetropole testweise Pizza und Burger für Foodora und Domino’s Pizza.

Risiko Funkloch

Ein halbes Jahr nach dem Start zog Roger Hillen-Pasedag, Division Manager Strategy & Innovation bei Hermes Germany, eine erste Bilanz. Nachbesserungsbedarf gebe es bei der Akkuleistung, beim User Interface und in der Flexibilität des Systems, etwa beim Einsatz in Abend- und Nachtstunden. Weiterhin habe die Infrastruktur Probleme aufgeworfen: "Eine bislang ungelöste Herausforderung ist die speziell in Randgebieten nicht ausreichend starke Versorgung mit schnellen LTE-Mobilfunknetzen." Darüber hinaus werde mittelfristig eine Regulierung auf Bundesebene gebraucht, um einen autonomen Fahrbetrieb auch ohne menschlichen Begleiter testen zu können.

Laut Starship wurde im Oktober 2018 ein vollautonomer Lieferserice im englischen Milton Keynes für einen lokalen Co-op-Supermarkt aufgenommen. Der Online-Händler Alibaba will binnen der nächsten drei Jahre in China mehr als 10.000 autonom rollende Lieferboxen für Pakete und Lebensmittel einsetzen. Der Einsatz von Robotern ist aktuell wirklich nur auf der letzten Meile effizient. An diesem Punkt kommt das Projekt Vans & Robots ins Spiel, das bei Daimler im Geschäftsfeld Mercedes-Benz Vans angesiedelt ist. Mit Starship Technologies, an dem Daimler seit 2017 beteiligt ist, wurrde lange Zeit am„Mutterschiff-Ansatz“ gearbeitet: Ein Van wird zum mobilen Hub.

Siroop kommt per Drohne

"Auf einer von einem Algorithmus berechneten, idealen Route setzt der Transporter-Fahrer bei jedem Halt einen oder mehrere Roboter mit ihrer Fracht ab. Sie bewältigen die letzten Meter der Lieferstrecke autonom. Und ist der Job erledigt, kehrt der Roboter selbstständig per Geo-Locating zum Mutterschiff zurück und kann für eine weitere Lieferung neu bestückt werden", skizziert Mercedes das Szenario.

Zuletzt ist es um das Projekt aber etwas ruhiger geworden.
Schließlich stecken diese Science-Fiction-Lösungen voller Probleme im Detail. Beim aktuellen Stand der Entwicklung müsste der Sprinter-Fahrer die Liefer-Roboter noch von Hand beladen. Besser wäre es, die Beladung im Innenraum könnte automatisch erfolgen. Außerhalb des Mutterschiffs ist der Autonomiegrad der Roboter noch eine Herausforderung.

Alle Hände voll zu tun: Die KEP-Transporteure stehen vor großen Herausforderungen. etailment.de lässt die Macher der Branche in einer umfangreichen Serie zu Wort kommen.
© Hermes
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Nach wie vor gibt es bei Tests aller Anbieter mit den Bollerwagen 2.0 Situationen, in denen die Roboter anhalten und Kontakt zum Operator aufnehmen müssen.
Werden diese Probleme gelöst, wäre der Effiziengewinn drastisch, rechnet Patrick Layer vom Projektteam gegenüber daimler.com: vor: „Ein geübter Paketfahrer schafft auf einer Neun-Stunden-Tour heute etwa 180 Pakete. Nach ersten Schätzungen könnte er mit Van und Robotern in der gleichen Zeit bis zu 400 Pakete ausliefern.“

Robovan - Future Proof Local Delivery



Der mobile Hub ließe sich auch als Landeplatz für Drohnen nutzen. So zeigte die Unternehmenseinheit Future Transportation von Mercedes-Benz zusammen mit Matternet, einem Transport-Drohnen Start-up aus dem Silicon Valley, eine Umsetzung der Idee „Vans & Drones“. Mit dem Vito war erstmals ein Serienfahrzeug ortsunabhängige Empfangsstation und Landeplatz für Drohnen. So könnte die letzte Meile ihren Schrecken verlieren.    

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