Wie sieht der Startbildschirm bei einer Branchengröße aus, welcher Top-Manager hat kein Smartphone, welche Trends sehen die Macher im E-Commerce, welche Tech-Aktien würden Entscheider kaufen und wer googelt seinen Namen ganz besonders oft?

Diese und andere Fragen, mal verspielt, mal ganz sachlich, stellt etailment in loser Folge den Branchengrößen. Diesmal: Matthias Häsel. Er leitet das E-Commerce Innovation Center bei Otto

 Also, mal ehrlich, Herr Häsel:

Was haben Sie zuletzt online gekauft? Wo?

Matthias Häsel: Das war ein Deal-Gutschein für einen auf Leuchten spezialisierten Online-Shop. Wir sind gerade umgezogen, sodass ich gerade einen großen Bedarf an Lampen habe. Viele der Lampen-Shops im Web sind jedoch noch nicht wirklich überzeugend: Aus dem Thema "Licht" könnte man online noch so viel mehr machen ...

Wer hat den besten Online-Shop (und warum)?

Matthias Häsel: Diese Frage wird mir oft gestellt, und ich gebe immer wieder dieselbe unbefriedigende Antwort: Es kommt darauf an. Und zwar auf so vieles: Was will ich kaufen? Bücher und Elektronikartikel bringen da ganz andere Anforderungen an den Shop mit sich als Mode und Lifestyleartikel. Suche ich etwas konkretes oder möchte ich mich inspirieren lassen? Wie wichtig ist mir die Breite und Tiefe des Sortiments? Wie wichtig der Preis? Möchte ich mobil einkaufen oder sitze ich zu Hause am Schreibtisch? Ich sehe viele gute Online-Shops, aber keinen, der diese Punkte wirklich alle abdeckt. An den einen "besten" Shop hätte ich aber genau diesen Anspruch.

Ihre Lieblings-Websites beruflich?

Matthias Häsel: Das ist ganz klar XING – und das nicht nur, weil ich dort tätig war: Hier kann ich mein Netzwerk effizient managen und ausbauen, die Plattform unterstützt mich beim Recruiting und Selbstmarketing. Und das mittlerweile auch sehr komfortabel mobil, sodass ich diesen Teil in die abendliche Bahnfahrt auslagern kann.

Welches Konsum-Produkt würden Sie niemals online kaufen?

Matthias Häsel: Wie gesagt richten wir uns privat gerade neu ein: Etwas zögerlich bin ich ehrlich gesagt noch mit Möbeln, sowohl aufgrund der mir fehlenden Vorstellungskraft, wie diese sich dann in der Realität tatsächlich "anfühlen", und der logistischen Herausforderung des eventuellen Rücksendens. Ersteres sehe ich jedoch durchaus als lösbare Herausforderung für den Handel: Größere Bilder, Rundum-Ansichten, Produktvideos und Augmented Reality - die technischen Möglichkeiten sind da.

"Multichannel wird ein wichtiger Hygienefaktor"

Muss jeder Retailer ein E-Tailer sein?

Matthias Häsel: Das hängt meines Erachtens von der Größe ab. Kleine Läden mögen aufgrund ihrer Einzigartigkeit einen gewissen Shopping-Charme versprühen. Für große stationäre Marken wird am E-Commerce aber kein Weg vorbeiführen, da der Kunden ein Mehrkanal-Erlebnis zunehmend einfordern wird. Ist ein Artikel nicht im Laden, möchte ich ihn online bestellen können – und mich andersherum online erkundigen, welche Artikel im Laden vorhanden sind. Multichannel wird zukünftig keine USP mehr sein, sondern ein wichtiger Hygienefaktor.

Wann hat der Katalog ausgedient?

Matthias Häsel: Solange unsere Kunden gern im Katalog blättern, um sich inspirieren zu lassen, wird es den Katalog bei OTTO geben. Auch wenn die meisten Bestellungen längst online abgeschickt werden und wir über 70 Prozent unseres Umsatzes online machen. Der Katalog wird dadurch nicht überflüssig, sondern er verändert seine Rolle: Weg vom Verkaufskanal, hin zum Impulsgeber, der Appetit macht auf Shopping und die Kunden in den Onlineshop führt.

"Webpads werden zu einem zentralen Gerät im Haushalt"

Welcher Trend im E-Commerce wird am meisten unterschätzt?

Matthias Häsel: Ich denke, dass Webpads sich in den kommenden Jahren zu einem zentralen Gerät im Haushalt entwickeln werden. Viele sehen das ähnlich, in der Gesamtheit scheint man die Bedeutung von iPad & Co jedoch noch massiv zu unterschätzen. Das iPad ist kein großes iPhone, sondern bedient einen ganz anderen Nutzungskontext! Insbesondere für den E-Commerce werden sich dadurch große Potenziale ergeben, die ich mit meinem Team gerade zu verstehen versuche.

Blackberry oder iPhone? Oder Android?

Matthias Häsel: Klar ist: Aufgrund meiner Tätigkeit führt an einem Touch-Smartphone kein Weg vorbei. Aktuell ist das ein iPhone, aber ich kann mir durchaus vorstellen, bald auf Android umzusteigen. Apple war ein Wegbereiter, aber andere Anbieter holen auf.

Welche App sollte man unbedingt auf seinem iPad/iPhone haben?

Matthias Häsel: Keine Frage: Natürlich unbedingt unsere OTTO iPhone-App! Wir sind stolz darauf, hier mit einem tollen Produkt auf dem Markt zu sein, das die Besonderheiten des mobilen Einkaufens schon sehr gut unterstützt. Unsere Kunden wissen das zu schätzen, was uns natürlich sehr freut.

Wie viel Zeit verbringen Sie täglich vor dem Bildschirm?

Matthias Häsel: Ich bin recht viel in Meetings, in denen mit Beamer gearbeitet wird. Zudem schaue ich viel auf Smartphone- und Tablet-Screens. Spannend finde ich www.multiscreen-experience.com – das ist eine ganz tolle Abhandlung darüber, wie wir zukünftig mit Bildschirmen umgehen werden. Vorab schonmal: Es werden nicht weniger.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen? Gedruckt oder elektronisch?

Matthias Häsel: Das war "Professionelle Intelligenz – Worauf es morgen ankommt" von Gunter Dueck. Ganz klassisch im Hardcover. Da geht es darum, dass unsere Bildungs- und Managementsysteme im Berufsalltag nur auf eine Art von Intelligenz optimiert sind. Unter dem Strich macht das viele von uns immer unglücklicher und bremst unsere Ökonomie. Ein sehr wertvolles Buch für alle, die Professionalität in Zukunft noch aktiver fordern und fördern wollen.

Was wäre die Welt ohne Internet? Besser? Schlechter?

Matthias Häsel: Sie wäre an der einen oder anderen Stelle sicherlich entspannter. Das liegt aber vor allem daran, dass wir noch nicht vollständig gelernt haben, mit ständiger Konnektivität umzugehen und für uns selber herauszufinden, was dringlich und was wichtig ist. In Summe ist das Internet eine Infrastruktur, von der die Welt profitiert: Das Netz macht unser tägliches Leben komfortabler, ermöglicht den Zugang zu Wissen und verbindet Menschen, unabhängig von Zeit und Raum.

Wo holen Sie sich Kraft und Anregungen für den Job?

Matthias Häsel: Bei meiner Frau. Und natürlich im Internet.

Dr. Matthias Häsel leitet das E-Commerce Innovation Center bei Otto und ist derzeit u.a. für die Weiterentwicklung der Mobile- und WebPad-Shops des Onlinehändlers verantwortlich. Der Informatiker und promovierte Wirtschaftswissenschaftler ist 32 Jahre alt, verheirat und lebt in Hamburg, wo er zuvor als Produktmanager für das Business-Netzwerk XING tätig war.