Immer mehr Onlinehändler setzen auf Retail-Media-Netzwerke als neue Erlösquelle. Doch nicht immer können sie die erhofften Umsätze realisieren. Woran das liegt und wie Händler das volle Potenzial von Retail-Media erschließen können, beleuchtet Stephan Ritter vom Beratungshaus Publicis Sapient in diesem Gastbeitrag.

Statt digitaler Innovation verlassen sich Händler hierzulande traditionell eher auf ihre Kernkompetenzen: Das Eröffnen neuer Märkte und den preislich aggressiven und dennoch gut verhandelten Verkauf von Produkten im Markt, um Gewinne zu erzielen. Die dramatisch gestiegene Bedeutung von E-Commerce und die Rentabilitätsprobleme der Branche zwingen sie nun jedoch dazu, sich noch intensiver mit digitalen Plattformen auseinanderzusetzen und eines ihrer größten Assets zu monetarisieren: ihre Kundendaten.

Retailer setzen hierbei in einer ersten Stufe vermehrt auf den Aufbau von Retail-Media-Networks (RMNs), um Werbemöglichkeiten auf ihren Onsite- und Offsite-Plattformen zu bieten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mediennetzwerke eröffnen neue Umsatzquellen, die bis zu 1,5% der Bruttoeinnahmen eines Einzelhändlers ausmachen können, bei Gewinnspannen von über 50%.
Zauberwort Retail Media: Statt über Google suchen immer mehr Kunden Produkte direkt auf Marktplätzen und in Onlineshops. Dementsprechend ist es nur naheliegend, genau dort auch Werbung zu schalten.
© IMAGO / Panthermedia
Zauberwort Retail Media: Statt über Google suchen immer mehr Kunden Produkte direkt auf Marktplätzen und in Onlineshops. Dementsprechend ist es nur naheliegend, genau dort auch Werbung zu schalten.
Häufig haben sie jedoch Schwierigkeiten, die erhofften Potenziale zu realisieren. Bei unseren Klienten begegnen uns immer wieder die gleichen Herausforderungen:

1. Das richtige Retail-Media-Inventar

Viele Retailer, insbesondere Lebensmittelhändler, verfügen auf ihren Websites über ungenügend Platzierungsmöglichkeiten für gesponserte Produktempfehlungen. Oft warten sie auch mit dem Ausbau der Werbeplätze, bis sie Anzeigenpartner an Bord haben. Dieses Henne-Ei-Problem verzögert die Einnahmen um Monate und lässt sich erfahrungsgemäß am besten mit der fokussierten Einführung neuer, relevanter Werbeplätze als erstem Schritt lösen. Hierbei sollten Retailer grundsätzlich davon absehen, gänzlich neue Werbeformate etablieren zu wollen. Marketer erwarten einen vorhersehbaren Return on Advertising Spend (ROAS) mit geringer Variabilität. Wer sich an Marktstandards hält, erzielt die besten Ergebnisse.

2. Die richtige Technologie-Balance

Retail-Media-Angebote basieren zu einem großen Teil auf standardisierten Technologieplattformen, die als SaaS-Lösung von Dritten lizensiert werden. Hierbei ist die richtige Technologie nur die eine Seite für ein erfolgreiches Angebot. Oft wird nicht genug in das richtige Team investiert, um das volle Potenzial aus einer solchen Lösung zu heben.

3. Das richtige Team

Häufig sehen wir den Fehler, den Verkauf von Werbeplätzen voranzutreiben, ohne dass Sales- und Operations-Teams entsprechend ausgebaut werden. Es bedarf kompetenten Personals, um Kampagnen zu planen, das zusätzliche Werbeinventar zu verkaufen, den ROAS bereitzustellen und die Inkrementalität zu messen.


Das Mandat zum Teamaufbau gilt auch für Entwicklerkapazitäten. Ein Retail-Media-Angebot muss ständig weiterentwickelt und relevant für Kunden und Advertiser gehalten werden. Ein Outsourcing verzögert die Umsetzung und reduziert die Flexibilität.

4. Fokus auf Customer Experience

Viele versäumen es, parallel zum Aufbau ihres Retail-Media-Networks in die Modernisierung des Kundenerlebnisses ihrer E-Commerce-Plattformen zu investieren. Sie verpassen damit die perfekte Gelegenheit, neue kundenzentrierte Funktionalitäten einzuführen - z.B. gesponserte Such- und Browser-Ergebnisse -, die neben steigender Relevanz auch neue Daten liefern.

Schlussendlich sollte auch die Customer Experience für Medieneinkäufer nicht vernachlässigt werden. Investitionen in ein kundenorientiertes Planungsportal oder ein reaktionsschnelles Media-Operations-Team kann Einzelhändlern dabei helfen, sich vom Wettbewerb abzuheben.

5. Öffnung für nicht-endemische Produkte

Einzelhändler bleiben oft bei den typischen Adressaten ihrer WKZ-finanzierten Handzettel und übersehen das Potenzial nicht-endemischer Waren - also von Produkten, die der Retailer selbst nicht direkt anbietet. Ein Lebensmittelhändler könnte beispielsweise zusätzlich Anzeigen für Küchengeräte, Reinigungsmittel oder Kochbücher präsentieren, um nur bei den naheliegenden Beispielen zu bleiben. Einzelhändler können damit den Kreis der potenziellen Werbetreibenden erweitern und ihre Einnahmen signifikant steigern.
Werbe-Post in den Sozialen Netzwerken von Rewe: Ein Grund dafür, warum Retail-Media-Netzwerke so gut funktionieren, ist dass Nutzer beim Stöbern auf Verkaufsplattformen für Werbung besonders empfänglich sind.
© Rewe Group
Werbe-Post in den Sozialen Netzwerken von Rewe: Ein Grund dafür, warum Retail-Media-Netzwerke so gut funktionieren, ist dass Nutzer beim Stöbern auf Verkaufsplattformen für Werbung besonders empfänglich sind.

6. Datenschutz und -sicherheit

Einzelhändler, die Retail-Media-Networks nutzen, müssen die Datenschutzrichtlinien der EU, insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), einhalten. Die ständig zunehmende Datenmenge und die wachsende Komplexität bei Nutzung der erweiterten Möglichkeiten durch RMNs steigern die Anforderungen an den Datenschutz signifikant.


Im Bereich Datenmanagement sind vor allem die Zustimmung der Kunden zum jeweiligen Daten-Einsatz – zeitgemäß am besten in "Progressive-Consent"-Modellen – äußerst wichtig. Gleiches gilt für die Datenspeicherung und systemübergreifende Datenlöschung. Bei Partnerschaften mit Dritten – z.B. Markenherstellern – zur gemeinsamen Datennutzung sind ebenfalls zahlreiche Vorkehrungen wie zum Beispiel datensichere Umgebungen (Clean Rooms) zu beachten.

Hinzu kommt das Risiko von Datenlecks und Angriffen. Um all diese Herausforderungen zu meistern und die Compliance sicherzustellen, müssen Einzelhändler über die notwendigen technischen und organisatorischen Ressourcen und Prozesse verfügen.

7. Zukunftssicherheit

Die Nutzung eines Retail-Media-Networks ist nur der erste Schritt, um das Endziel des Ausspielens von wirklich personalisierter Werbung, GDPR- (Allgemeine Datenschutzverordnung, engl. "General Data Protection Regulation") -konformer gemeinsamer Nutzung mit den Markenartiklern und den geschlossenen Kreislauf mit Offsite-Interaktionen zu erreichen.

Es braucht hierzu eine zukunftsorientierte "Customer-Data-Architektur", die ein tiefgreifendes Verständnis der Herausforderungen, Potenziale und Risiken aus den Bereichen Handelsmechaniken, Technologie, Customer-Experience und nicht zuletzt Tiefenkenntnis des Mediabusiness erfordert.

Fazit

Um das volle Potenzial eines eigenen Retail-Media-Networks zu erschließen, sind eine sorgfältige Planung, konsequente Umsetzung und fortlaufende Optimierung notwendig. Ohne die Grundlagen einer relevanten Angebotsplanung, eines skalierenden Teams und einer zukunftsfähigen, GDPR-konformen Architektur, welche integriert und fortlaufend weiterentwickelt werden, verliert ein RMN-Angebot schnell den Anschluss.

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