Die Kunden im Laden zu bedienen reicht nicht mehr. Wer sein Geschäft langfristig sichern will, bietet auch Points of Sale auf der heimischen Couch oder unterwegs.
Immer mehr stationäre Händler verkaufen ihre Ware auch übers Internet. Und trotzdem noch zu wenige. Denn Omnichannel steht nicht für einen kurzlebigen Trend. Der Begriff bezeichnet die Zukunft: Die heutigen Teenager erwarten, ihre Marken und hippen Must-haves online finden und kaufen zu können. Mit ein paar Klicks, zack, zack, ohne umständliche Suche, langes Warten, komplizierte Authentifizierung oder eingeschränkte Bezahlmöglichkeiten. Geduld ist nicht mehr die Tugend der Generation Snapchat und Instagram-Reels.
Für Händler bedeutet dies: Sie müssen ihre Ladengestaltung, ihre Order- und ihre Lagerlogistik aufs Off- und Online-Geschäft ausrichten und die IT-Systeme entsprechend verknüpfen. Ein „Digital Mindset“ ist die Grundlage für eine Verknüpfung des stationären Vertriebs mit einem erfolgreichen Online-Auftritt.
Best of Omnichannel
Ein Negativbeispiel ist ein Fahrradhändler im Osten Frankfurts, der seine Kunden dazu zwingt, Räder im Geschäft auszusuchen, anzuzahlen und dann nochmal zu kommen, um sie montiert abzuholen. Online bestellen, online zahlen und dann abholen? Fehlanzeige.
Positivbeispiele unter den Einzelhändlern sind unter anderem die Top 10, die Google und der Handelsverband Deutschland (HDE) im April gekürt haben. Grundlage für die Bewertung war nach Angaben der Organisatoren eine Untersuchung, inwieweit deutsche Einzelhändler auf eine umfassende Omnichannel-Strategie setzen. Anlass für die Untersuchung war eine Erkenntnis von Euromonitor International, wonach im Jahr 2024 ein Drittel aller Handelsumsätze dem kanalübergreifenden Retail zugerechnet wird.
Herausgekommen ist laut Google ein „Omnichannel-Reifegrad-Ranking“; Platz 1 bis 3 belegen Media Markt, Breuninger und Decathlon. Verdient haben sie sich die Auszeichnung beispielsweise mit Flexibilität bei der Lieferabwicklung oder der fortwährenden Ermutigung während der Online-Suche, den Einkauf doch offline fortzusetzen.
Was die Kunden wollen, verdeutlichen die Kernergebnisse der Umfrage. Dazu zählen:
- Die Transparenz der Produktverfügbarkeit ist von entscheidender Bedeutung.
- Die Preisgestaltung muss in den verschiedenen Vertriebskanälen einheitlich sein, ebenso die Rückgabeoptionen.
- Die bevorzugte Zahlungsmethode muss angeboten werden.
Was Omnichannel besonders machen kann, zeigt beispielsweise der Schweizer Meier-Tobler-Konzern, Großhändler und Systemanbieter für Gebäudetechnik. Er gewährt seinen Online-Shop-Kunden rund um die Uhr Zutritt zu den Ladengeschäften. Über die Shop-App erhalten zum Beispiel Handwerker, die nach Ladenschluss noch dringend Material brauchen, QR-Code und Tür-PIN für den Zugang, scannen die Waren selbst, während im Hintergrund die Fakturierung im ERP läuft. Nach ähnlichem Muster arbeiten auch die mittlerweile 25 Würth24-Stores des bekannten Schraubenhändlers in Deutschland.
Manch ein Händler macht aber auch den gut gepflegten Online-Shop zur Basis seiner Beratung im Laden. So können etwa Verkäufer mit Tablets Kunden vor Ort umfassend betreuen. Sie haben nicht nur Bilder und technische Details parat, sondern sehen gleich auch mögliche Varianten, Lagerbestände oder Lieferzeiten. Technisch möglich ist es sogar, den Kunden im Laden zu erkennen und in Echtzeit auf seine Historie zuzugreifen.
Online als Basis
Auch beim Thema Versand können Händler durch innovative Verknüpfungen punkten, etwa Online-Payment und schnelle Lieferung aus dem Ladengeschäft (Ship from Store).
Wie eine Omnichannel-Strategie ausgestaltet und mit Leben gefüllt wird, kann je nach individuellen Voraussetzungen sehr unterschiedlich sein. Gefragt ist die Kreativität des Händlers, für seinen Markt, sein Sortiment und seine Zielgruppen die passende Strategie zu finden. Welche Kanäle sollen wie bespielt werden? Apps, Marktplätze oder Social Media? Und wie können Website, Blogs, Kundenservice, Logistik oder Marketing sinnvoll verzahnt werden.
Auch wer hier klein anfängt, sollte nicht unbedingt klein denken. Sondern vielmehr den gesamten Weg im Blick haben, etwa über das bisherige lokale Umfeld oder die bisherigen Kundengruppen hinaus. Nur wer die Bande zwischen stationärem Laden und Online-Shop fest verknüpft, kann langfristig auf gute Geschäfte hoffen.
Denn: Bereits vor fünf Jahren hat eine Studie der Harvard Business Review gezeigt, dass Omnichannel-Kunden, die mehrere Touchpoints zum Unternehmen nutzen, im Schnitt mehr ausgeben und treuer sind.
Dieser Artikel erschien zuerst in Der Handel.