Tonnenweise Verpackungsmüll, hoher CO₂-Ausstoß: Der Onlinehandel wird für allerlei Umweltsünden schuldig gesprochen. Nicht alles stimmt. Zudem sind einige Verbraucher neuerdings bereit, für ökologisch sanftere Zustellung mehr Geld zu bezahlen. Weil so etwas aber auch mehr Geld kostet, sind andere Zustell-Lösungen attraktiver.
Einer der Gründe für die Verbraucherschützer: Bei Bekleidungskäufen im Netz werde mindestens jedes zweite Paket an die Händler zurückgeschickt, Tag für Tag seien das etwa 800.000 Pakete, "was ungefähr 400 Tonnen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO₂) oder 255 Autofahrten von Frankfurt nach Peking entspricht".
So gewaltig ist der CO₂-Ausstoß doch nicht
Björn Asdecker, Leiter der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg, spricht davon, dass in Deutschland jede sechste Bestellung zurückgeschickt werde. Auch hier bietet er einen plakativen Vergleich, was das für den entsprechenden CO₂-Ausstoß bedeutet: der entspreche etwa 2.200 täglichen Autofahrten von Hamburg nach Moskau.
Retouren sollen etwas kosten. Per Gesetz.
Trotzdem sind es Asdecker zu viele Retouren, und daher schlug er vor einer Weile viel beachtet eine gesetzliche Rücksendegebühr vor, ein Euro pro Sendung würde reichen. Das genüge, um Verbraucher von allzu leichtfertig gemachten Bestellungen abzuhalten, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". In seinen Untersuchungen und Studien habe sich gezeigt, dass die Kunden vor allem dann gerne retournieren, wenn sie den Rechnungskauf gewählt haben und sie damit glauben, das sei alles umsonst.Doch viele Kunden haben ihr ökologisches Gewissen entdeckt, so scheint es. Vielleicht liegt es auch an der immer intensiveren öffentlichen Diskussion über den Klimawandel, vielleicht liegt es auch an den eigenen Kindern, die bei den "Fridays for Future"-Demonstrationen mitlaufen und daheim Druck machen. Eine Studie der Strategieberatung Oliver Wyman jedenfalls besagt, dass zwei von drei deutschen Onlinekäufern die Umweltauswirkungen ihrer Bestellung beachten - gelegentlich. Jeder Zweite wäre sogar bereit, für die Umwelt auf ein Stück Bequemlichkeit zu verzichten.
Wehe, wehe, wenn es ans Bezahlen geht
Michael Lierow, Logistikexperte bei der Strategieberatung sagt, dass Onlinehändler, mehr noch Paketdienstleister, sich in einer Zwickmühle befänden. "Das Umweltbewusstsein wächst und damit auch die Kritik an nicht-wiederverwertbaren Verpackungen, der Vernichtung zurückgesandter Produkte sowie den in zweiter Reihe parkenden Lieferfahrzeugen. Doch die Zahlungsbereitschaft bleibt gering." Lierow glaubt deswegen, dass Unternehmen, die Umweltschutz leisten können, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen, sich einen spürbaren Wettbewerbsvorteil erarbeiten werden.
Keine Bundeswehr, immer weniger Kraftfahrer
Gutes tun, Kosten senken - das ist das Ideal. Aber auch Gebot der Stunde. Oliver Wyman erwartet, dass sich bis zum Jahr 2028 die Zustellkosten pro Paket vor allem wegen steigender Personalkosten fast verdoppeln. Denn die Speditionen müssen mehr als bisher bieten, um Personal zu gewinnen. Der Engpass bei Fahrern ist längst bekannt, heute schon fehlen zwischen 45.000 und 60.000 Fahrer, schätzen der Bundesverband Spedition und Logistik und der Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung. Jährlich gehen rund 30.000 Lastwagen-Fahrer in Rente - aber nur halb so viele Berufsanfänger setzen sich hinters Steuer.Wenn die Paketzustellung zum Luxus wird
Für Cornelius Herzog, ebenfalls Logistikexperte bei Oliver Wyman, wird es zu großen Verschiebungen in der Zustellung kommen: "Angesichts des Kostendrucks wird die kostenlose Haustürlieferung samt mehrerer Zustellversuche schon in wenigen Jahren zum Luxusgut." Bis 2028 wird sich die Zahl der auszuliefernden Pakete nach Prognosen von Oliver Wyman noch einmal fast verdreifachen.
Oliver-Wyman-Berater Lierow beobachtet: "Die Onlinehändler sind bislang bei Green Shopping vergleichsweise langsam unterwegs. Die Paketdienstleister können hier vorlegen." Wichtig sei in diesem Zusammenhang, den Kunden mehrere Möglichkeiten anzubieten und sie mit Blick auf die verbesserte Umweltbilanz entscheiden zu lassen, ob sie lieber einen Tag länger auf ein Paket warten oder dies selber abholen.
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