Paydirekt ist tot, urteilen ganz harte Kritiker. Das stimmt so nicht. Der Online-Bezahldienst der Banken und Sparkassen entwickelt sich durchaus weiter. Das Zahlverfahren hat aber ein großes Problem, das in der breiten Kritik oft untergeht.
Händler und Banken geben zu, dass sie sich mehr von Paydirekt erwartet haben. „Paydirekt wächst noch nicht in dem Maße, wie wir uns gewünscht haben, wir sehen aber weiterhin strategisches Potenzial für die Zukunft“, sagt etwa Thomas Rienecker, Pressesprecher des Deutschen Sparkassen und Giroverbands (DSGV). „Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass auch die Deutsche Bahn jetzt Paydirekt anbietet“.

Die Zahlen machen deutlich, dass dieser neue Kunde dem Bezahldienst tatsächlich den erhofften Schub bringen könnte. Dennoch dürften sich immer noch genügend Stimmen finden, die dem Zahlungsanbieter den schleichenden Tod oder zumindest ein Rand-Dasein prophezeien.
Aber warum eigentlich?
Ist die anhaltende Kritik an dem Bezahldienst der Banken und Sparkassen wirklich gerechtfertigt oder vielleicht doch übertrieben? Wir nehmen häufig genannte Vorwürfe unter die Lupe – und eines sei vorab verraten: Das Problem liegt ganz woanders.
Kritik: Anbindungsmodell zu kompliziert und zeitaufwendig
Das Kartellamt forderte zum Start von Paydirekt bilaterale Gebührenverhandlungen zwischen Onlinehändler und den beteiligten Bankenverbänden. Die Kreditinstitute sollten ihre Marktmacht nicht ausnutzen und die Entgelte einseitig festlegen. Die Folge: Aufwendige Einzelverhandlungen mit den jeweiligen Bankengruppen. Händler berichten, es habe drei bis vier Monate gedauert, bis alle Modalitäten geklärt gewesen seien und die technische Anbindung starten konnte. Für große Händler gehören solche Verhandlungen zum Alltagsgeschäft, andere schreckt dies eher ab.Ganz frisch ist nun die dritte Option des Collecting Payment Service Providers (CPSP). Der Händler kann mit seinem Zahlungsdienstleister einen Vertrag über die Akzeptanz von Paydirekt abschließen und hat damit nur noch einen Ansprechpartner, der sich um alles kümmert: Der CPSP wickelt nicht nur die technische Seite ab, sondern über ihn laufen auch die Zahlungsströme. Das dürfte mehr kosten als die anderen Modelle, da eine weitere Partei dazwischengeschaltet ist. Aber damit gibt es - wie von vielen gefordert – nur noch einen Verhandlungspartner, und der Forderung des Kartellamtes kommt man mit dieser Lösung immer noch nach.
Kritik: Paydirekt ist zu teuer
Wie so oft beim Thema Gebühren und Kosten: Genaue Zahlen nennt niemand. Es hieß lange, die variablen Gebühren lägen bei 1 bis 1,6 Prozent, dazu kämen Transaktionsgebühren von 35 Cent. Ein Blick in die aktuelle Online-Payment-Studie des EHI Institutes zeigt: Die meisten Paydirekt-Händler zahlen weniger. Und Konkurrent Paypal ist im Schnitt teurer. Es ist alles Verhandlungssache.Kritik: Zu spät, zu wenig Zusatznutzen
Der späte Markteintritt macht Paydirekt nach wie vor zu schaffen: Vor drei Jahren an den Start gegangen, war der Kuchen im Onlinepayment längst verteilt. „Ein wesentlicher Faktor ist der Zeitfaktor", bestätigt Martin Dallmeier, als Geschäftsführer bei dm-Drogeriemarkt verantwortlich für das Ressort Finanzen und Controlling. Im Onlineshop von dm können die Kunden seit Dezember 2016 mit Paydirekt bezahlen. „Der Wettbewerb bei den Online-Bezahlservices ist hoch. Entscheidend für den künftigen Erfolg ist die Antizipation der Kundenbedürfnisse", sagt er.Er und andere Händler sprechen von einem Anteil der Paydirekt-Kunden im unteren bis mittleren einstelligen Prozentbereich. Konkrete Zahlen möchte niemand nennen, doch Dallmeier verweist auf die in der EHI-Online-Payment-Studie angegebene Zusammensetzung der Online-Zahlungsmittel und sagt: „Man findet sich in den dort genannten Zahlen wieder, und ich vermute, dass sich das von Händler zu Händler nicht groß unterscheidet.“ Dort läuft Paydirekt noch unter „sonstige“ Anbieter (siehe Grafik).

Paydirekt muss mehr sein als Online-Bezahldienst
Der Forderung nach einem Mehrwert versucht Paydirekt nachzukommen. Seit Juli 2017 können Kunden via Paydirekt-App Geldbeträge an andere Kunden überweisen, also eine Peer-to-Peer-Zahlung, die laut informierten Kreisen gut angenommen wird.Seit kurzem spielt Paydirekt auch im Mobile Payment-Segment mit und bietet eine In-App Payment-Option an. Erster Kunde ist Tobaccoland. Via Tobaccoland-App können die Nutzer Zigaretten und Süßwaren bargeldlos mit Paydirekt bezahlen. Die Transaktion läuft im Hintergrund via Token, ein Passwort ist nicht nötig.

Notebooksbilliger.de-Vorstand Schwager und dm-Geschäftsführer Dallmeier berichten über reibungslos laufende technische Systeme, günstige Konditionen, über einen zuverlässigen, sicheren und schnellen Zahlprozess und die Generierung von mehr Nutzern – auch wenn letzteres für jede neu angebundene Zahlart gilt. Beide empfehlen anderen Händlern die Einbindung.
Das altbekannte Problem: Akzeptanz und Bekanntheit
Wenn Paydirekt doch so viele Vorteile hat, warum tut sich der Bezahldienst dann so schwer, die notwendige kritische Masse an Händlern und Kunden zu erreichen?Ulrich Binnebößel, Zahlungsexperte beim Handelsverband Deutschland (HDE) urteilt: „Es ist noch nicht gelungen, die Verbraucherseite zu überzeugen, weil die Reichweite zu gering ist.“ Er unterstütze Aktionen, die die Akzeptanz bei den Händlern vergrößern. Bekanntheit und Akzeptanz der Marke: Es ist das altbekannte Henne-Ei-Problem.
Nicht hilfreich sind hierbei die zahlreichen negativen Schlagzeilen. Zuletzt etwa berichtete der Branchenblog „finanz-szene.de“ unter Berufung auf die Aussage eines Sparkassen-Managers, Paydirekt wickele mit seinen derzeit rund 10.000 Shops und 2,2 Millionen Nutzern 40.000 Transaktionen pro Monat ab. Stimmt die kolportierte Zahl der Bezahlvorgänge, wäre der Marktanteil des Bezahldienstes noch geringer, als viele Beobachter vermutet haben. Die Verantwortlichen von Paydirekt kommentieren Zahlen grundsätzlich nicht und verweisen auf den DSGV. Dessen Pressesprecher Thomas Rienecker sagt, er kenne die Zahlen nicht und könne sie deshalb auch nicht bestätigen.

Das eigentliche Problem von Paydirekt ist ein ganz anderes
Eine neue Geldspritze der Eigentümer soll das Wachstum auf Kunden- sowie Händlerseite nachhaltig anstoßen und die Kritiker verstummen lassen. Es werden wohl nicht rund 300 Millionen Euro werden, wie vor einiger Zeit durch die Medien ging, sondern weniger. Das Geld dürfte in weitere Marketingaktionen zur Reichweitengewinnung und die Produktionsentwicklung fließen.Paydirekt hat schon mal vorab angefangen und den ganz großen Marketingknüppel rausgeholt: Eine Testimonial-Kampagne mit Schauspieler Axel Prahl, bekannt für seine Rolle als Tatort-Kommissar aus Münster. Er wirbt seit 12. November für den gemeinsamen Bezahldienst der Banken und Sparkassen. Es ist die erste einheitliche, institutsübergreifende Werbeoffensive der Eigentümer von Paydirekt – und das macht auch schon das eigentliche Problem des Zahlungsdienstleisters deutlich.
Paydirekt startete vor knapp drei Jahren; das ist ein ganz schön langer Anlauf, bis endlich die erste zentrale, groß angelegte Kampagne stattfindet, mit Online-Videos und statischen Anzeigen. Viele Köche verderben den Brei, heißt es so schön. In diesem Fall heißt das: Zu viele Parteien – 23 Banken und Sparkassen – sind beteiligt, um eine agile Schlagkraft zu entwickeln. Zudem bieten etliche von ihnen eigene digitale Lösungen an.
Und die Werbeaktion zeigt gleich das nächste Problem auf: Die Aktivitäten laufen nicht etwa massiv über sämtliche Kanäle, sondern wie zuvor hauptsächlich über owned Media: Über die Webseiten der Banken und Sparkassen, im Online-Banking, in den Social Media Kanälen der Institute, an Geldautomaten und mit „Materialien zur Kommunikation“, so ist in der Pressemitteilung zu lesen, in den Filialen. Paid Media und Händleraktionen flankieren das Ganze, sind also eher Beiwerk. Um eine Präsenz bei den Kunden zu erreichen, sollte der Fokus eher andersherum liegen – siehe die Werbeaktionen der Konkurrenz.
Auf dem Paydirekt-YouTube-Kanal haben die Videos, online seit Mitte November, derzeit (Stand 5. Dezember 2018) zwischen 441 und 630 Clicks. Nicht gerade ein viraler Hit.
Paydirekt-Werbespot
"Wir sind eine Bezahlfunktion des Girokontos
„Die Banken und Sparkassen könnten die Vorteile von Paydirekt durchaus mehr hervorheben“, fordert denn auch dm-Geschäftsführer Dallmeier. „Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit sind die wesentlichen Merkmale eines Zahlungsmittels im Internet, und Paydirekt ist ein Zahlmittel, das diesen Anforderungen gerecht wird.“Dieses Defizit scheinen die Paydirektler mittlerweile erkannt zu haben. In ihrer Kommunikation fokussieren sie sich nun endlich auf ihren zentralen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern, respektive vor allem Paypal: „Wir sind eine Zahlfunktion des Girokontos“, sagt Christian von Hammel-Bonten, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Paydirekt. „Das heben wir nun auch stärker in unserer Kommunikation heraus.“
Vielleicht findet Paydirekt so endlich in die Wahrnehmung und Nutzung der Kunden und Händler, und nicht nur mit überwiegend negativen Schlagzeilen in der Presse. Schließlich vertraut ein Großteil der Bankkunden hierzulande - rund 72 Prozent - darauf, dass die Kreditinstitute sorgsam mit ihren persönlichen Daten umgehen. So viel Vertrauen bringen sie laut der Umfrage „Bankkunden Studie 2018 – digitale Dienste“ der Unternehmensberatung Berg Lund & Company keiner anderen Branche entgegen.
Laut Bitkom Research nutzen derzeit etwa 43,9 Menschen in Deutschland Onlinebanking. In Kombination mit dem Vertrauensvorschuss also tatsächlich ein riesiges Kundenpotenzial. Immer noch.