Der Rummel war groß, als P&C vorige Woche sein „Weltstadthaus“ in Düsseldorf nach Umbau und Erweiterung neu eröffnete. Neben einem schicken Pre-Opening-Dinner für lokale Prominenz aus Film, Fernsehen, Politik und Mode gab es eine große Abendveranstaltung für VIP-Kunden, Schaufensterwerbung, großflächige Werbeplakate, Beilagen in der Lokalpresse und Sonderaktionen an den Eröffnungstagen.

Eine Woche später feiert der sechstgrößte Modehändler des Landes eine weitere Premiere, die mindestens genauso teuer und bedeutend ist wie der Stapellauf des Flaggschiffs. Der Düsseldorfer Filialist startet den Web-Store Fashion ID und sieht sich gegenüber Pure Playern im Vorteil.

Doch diesmal bleiben die Werbetrommeln stumm. Zumindest vorerst. Fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit startete am Dienstag der lange erwartete Online-Shop des Filialisten unter dem Namen Fashion ID. Nur wer die Website Peek-cloppenberg.de bzw. Pundc.de aufruft, erfährt eher zufällig, dass das Unternehmen jetzt einen eigenen Online-Shop betreibt.

Erst nach und nach wird die breite Masse über das neue Angebot informiert. Zunächst die Store-Kunden, die über Verkäufer, Schaufenster-Dekorationen und digitale Informations-Systeme wie Tablet-PCs und Kiosks an den neuen Verkaufskanal herangeführt werden. Nach ein paar Wochen soll auch die Online-Community über Suchmaschinen-, Banner-, E-Mail- und Social Media-Werbung erfahren, dass P&C als einer der letzten großen Modefilialisten endlich den Sprung in den Wachstumsmarkt E-Commerce geschafft hat. Printwerbung soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen.

Ganz weit weg ist noch die Internationalisierung des Online-Shops. „Wir machen das Schritt für Schritt und erzählen nicht gleich zu Beginn jedem davon“, sagt Miriam Lahage, die das millionenschwere Projekt als Generalbevollmächtigte und Mitglied der Unternehmensleitung verantwortet. Die ehemalige Modechefin von Ebay will – zusammen mit über 100 Mitarbeitern der P&C-Unternehmensgruppe – ausführlich testen, wie der Kunde das Angebot annimmt.

Online-Heimat

Die Ergebnisse, die während dieses so sogenannten Soft Launch-Phase gewonnen und gründlich ausgewertet werden, fließen in die weitere Entscheidungsfindung ein. Von den Zahlen hängt u.a. ab, ob das Unternehmen Services wie Click&Reserve, Zeitfensterbelieferung, Same Day Delivery, Personal Shopper einführt. „Wir müssen auf die Daten gucken, um herauszubekommen, was der Kunde will.“ Die genaue Analyse von Page Impressions, Visits und Verweildauer bildete bereits die Grundlage für die Startversion des Online-Shops. Die Daten stammen vom Fashion ID-Vorläufer Online Fashion Window.

Die Website ging Ende 2011 online und ermöglicht den Kunden, im gesamten Sortiment des Filialisten zu stöbern. Zudem können die Internetnutzer prüfen, ob der gewünschte Artikel im heimischen Store vorrätig ist. Quasi ein Online-Shop ohne Bestell-Button. Darüber hinaus bekommt der User automatisch Kombinationsvorschläge zu den ausgewählten Produkten.

Weitere Kaufimpulse sollen ein Blog und ein Online-Magazin auslösen. Letzteres macht Outfit-Vorschläge für Trendthemen wie Casual Sakko. Ein Redaktionsteam von mindestens acht Mitarbeitern soll das Content-Angebot, das voll in Fashion ID integriert wurde, kontinuierlich ausbauen.

Die zentrale Erkenntnis der ersten Fashion Window-Phase lautet: „Kleider sind immer wichtig“, berichtet Lahage. Und: „Die Menschen verbringen sehr viel Zeit damit, zu recherchieren, bestimmte Produkte anzuschauen und sich darüber zu informieren.“ All diese Statistiken wurden mit den Daten verknüpft, die der Multilabel-Händler tagtäglich im stationären Geschäft generiert, zum Beispiel durch die Kundenkarte und die Befragung der Mitarbeiter im Verkauf und der Kundenbetreuung. Hinzu kamen Branchenzahlen, die unabhängige Marktforschungsunternehmen erhoben haben. Sie bestärken Lahage in ihrer Ansicht, dass Fashion ID beste Erfolgsaussichten habe. „Aus externen Daten wissen wir, dass viele Menschen ihre Online-Heimat noch nicht gefunden haben. Diese Heimat wollen wir ihnen bieten“, sagt die US-Amerikanerin, die für ihren Job ständig zwischen ihrem Wohnort London, der P&C-Zentrale in Düsseldorf und dem Fashion ID-Standort Wien pendelt.

Überhaupt ist die Mode- und E-Commerce-Expertin, die schon für die Online-Händler Ebay, Net-a-porter und Koodos.com sowie die Offline-Modeanbieter TJX, TK Maxx und Marshalls gearbeitet hat, vom Siegeszug der Modeketten im Netz überzeugt.

Vertrauen

Ihr Hauptargument ist das große Vertrauen, dass sich die Big Player des stationären Geschäfts über Jahrzehnte hinweg bei ihren Kunden erarbeitet hätten. „Die Kunden wissen: Wir waren gestern da, wir sind heute da, und wir werden auch morgen noch da sein“, sagt die Online-Chefin. Hinzu komme die hohe Fashion-Kompetenz. Der Kunde könne sich darauf verlassen, dass er bei P&C eine übersichtliche Auswahl modischer und hochwertiger Produkte bekomme.

Zum Start umfasst das übersichtlich gestaltete Online-Sortiment über 20000 Produkte von 300 Marken. Das entspricht etwa drei Viertel des stationären Angebots. Wöchentlich sollen neue Produkte und Kollektionen hinzukommen. Unterschiede gibt es Unternehmensangaben zufolge u.a. bei den Styles und Segmenten, da bestimmte Produktgruppen online eine höhere Bedeutung hätten als offline. Männer suchten beispielsweise im Web als Erstes nach Anzügen.

Für den Einkauf von Fashion ID ist ein separates Sales-Team zuständig. In diesem Sinne gibt es für den Online-Shop auch ein vom stationären Geschäft getrenntes Logistikzentrum. Die Auslieferung der Pakete erfolgt über DHL. Wer für das Fulfillment zuständig ist, will P&C nicht mitteilen. „Wir arbeiten mit unterschiedlichen Drittpartnern zusammen“, heißt es. Das E-Commerce-System sei großteils von der hundertprozentigen Tochter Fashion ID GmbH&Co KG in Wien entwickelt worden. Nach Informationen der TextilWirtschaft ist u.a. Hybris an dem vor rund drei Jahren gestarteten Projekt beteiligt.

Eigenmarken

Die Eigenmarken des Hauses, darunter die profilierten Labels McNeal, Review und Paul Rosen, sollen online gleich stark vertreten sein wie in den Läden. Zumindest am Anfang. „Der Kunde wird uns sagen, ob er mehr sehen will“, sagt Lahage.

Eigenmarken spielen im Online-Geschäft prinzipiell eine sehr wichtige Rolle. Schließlich können sich die Händler damit am besten von der Konkurrenz differenzieren. Wer online einen Pullover eines so genannten Privat Labels kaufen will, kann das in der Regel nur beim jeweiligen Eigner tun. Wholesale-Marken wie Esprit finden sich dagegen sowohl in den Online-Shops der Hersteller als auch bei Multilabel-Händlern. Zudem lassen sich mit den Eigenmarken deutlich höhere Margen erwirtschaften. Zalando hat das erkannt und bietet seit 2012 auch selbst entwickelte Modeprodukte an.

Multichannel

Seine Multichannel-Kompetenz wird P&C auf jeden Fall voll ausspielen. Das heißt: Der Kunde kann online gekaufte Artikel im Store retournieren. Dadurch können sich Zusatzkäufe ergeben. Umgekehrt haben Store-Kunden die Möglichkeit, im Laden im Online-Sortiment zu stöbern, zum Beispiel wenn bestimmte Größen und Farben vergriffen sind. Die Bestellungen, die sich daraus ergeben, werden versandkostenfrei in einen der 66 Stores des Filialisten geliefert. Ansonsten schlägt eine Bestellung mit 3,95 Euro zu Buche.

In der Startphase (bis zum 15. April) fällt die Gebühr weg. Kundenkarteninhaber bezahlen prinzipiell nichts für die Zusendung. Zudem lockt Fashion ID mit 5-Euro-Gutscheinen für die Newsletter-Registrierung sowie einem Gewinnspiel, bei dem ein Jahr Gratis-Shopping als Hauptpreis winkt. Als Zahlungsmethoden bietet der neue Fashion-Shop Kreditkarten, Rechnung, Vorkasse, Sofortüberweisung und PayPal an. Die Umtauschfrist beträgt 60 Tage. „Wir ermöglichen den Kunden, von überall aus und immer einzukaufen“, erklärt Lahage.

Dazu gehört natürlich auch eine mobile Komponente. Daher ist Fashion ID von Beginn an HTML5-basiert. In der Folge passt sich der Shop automatisch den Darstellungsmöglichkeiten von Tablet-PCs und Smartphones an. Auf eine App wird bewusst verzichtet. P&C folgt damit einem allgemeinen Branchentrend. Immer weniger Online-Shop-Betreiber setzen auf spezielle Applikationen für mobile Endgeräte. Unter anderem, weil deren Entwicklung recht teuer ist. Außerdem werden sie erfahrungsgemäß wenig genutzt. Die meisten Nutzer gehen lieber direkt auf die entsprechende Website.

Mobile-Strategie

Im Fokus der Mobile-Strategie von Fashion ID stehen Tablet-PCs, die sich derzeit rasant in Deutschland verbreiten. Dem IT-Verband Bitkom zufolge nutzt derzeit jeder achte Bundesbürger (13%) Tablet-Computer wie das iPad. Das entspricht rund 9,1 Millionen Personen. Lahage will diese Geräte auch im Store einsetzen. Verkäufer sollen sie zur Beratung, Kunden zur Recherche nutzen.

Online können sich die P&C-Kunden am besten von ihren Freunden beraten lassen: Das inhouse entwickelte Tool „Freunde fragen“ ermöglicht den Usern, Produkte mit Facebook-Freunden zu teilen und per Video-Chat zu besprechen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Kunden im Beisein ihrer Buddys besonders kauffreudig sind. Lahage: „Menschen kaufen am meisten, wenn sie zusammen mit Freunden shoppen.“

Der Beitrag erschien zuerst in der Printausgabe der Textilwirtschaft.