Verbraucher wünschen sich vom Handel mehr personalisierte Angebote. Das gilt für den Onlineshop genauso wie für den POS. Doch nur selten werden diese Wünsche erhört. Dabei könnte Künstliche Intelligenz den Weg zum Herzen der Konsumenten bahnen.
Beim Thema "Personalisierung" scheint es zwischen Kunden und den Händlern ein Missverständnis zu geben. Während die Konsumenten sich Angebote wünschen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, bieten die Unternehmen eher Rabatte und Coupons, wie eine Studie verriet. Serviceangebote, wie sie der britische Händler Mulberry in seinem Flagship-Store in der Regent Street in London umgesetzt hat, scheinen nur etwas für das Luxussegment zu sein. Die Kunden können dort via SMS, Messenger und E-Mail mit ihrem persönlichen Einkaufsberater kommunizieren, der mit individuellen Outfit-Vorschlägen antwortet.
KI kann es guten Verkäufern nachtun
Ein guter Verkäufer nutzt den "Diderot-Effekt", auch wenn er diesen vielleicht gar nicht namentlich kennt. Der Kunde erwirbt ein neues Möbelstück, das den Wohnraum so verschönert, dass der Rest des Zimmers alt und ansehnlich wirkt. Es müssen neue Dinge her. Oder wie Wikipedia das sehr anschaulich zusammenfasst: "Die Aufwertung eines Details, zum Beispiel eines Kleidungsstücks, führt zu einer Unzufriedenheit mit einem oder mehreren anderen Details und kann somit eine Konsum-Kettenreaktion auslösen."Und genau damit spielen gute Verkäufer. Beim Kauf einer Bohrmaschine bietet der Berater im Baumarkt dann gleich noch den Erwerb eines besonderen Bohrersets an, nicht ohne sich vorher nach dem konkreten Vorhaben erkundigt zu haben. Wie zufällig wird dann den Blick des Kunden auf eine Absaugvorrichtung gelenkt, mit der das Projekt viel besser und sauberer erledigt werden könnte. Folgt der Konsument der so ausgelegten Fährte, kauft er einfach mehr und hat auch noch ein gutes Gefühl dabei.
Relevante Inhalte im Shop, im Store, in der Kommunikation
Bei der Personalisierung denken die meisten Handelsmanager in erster Linie an Empfehlungen konkreter Produkte. Das ist ein wichtiger Aspekt, aber Personalisierung geht über die Empfehlung von Produkten hinaus. Nahezu jedes Element im Onlineshop bietet sich dafür an, beispielsweise Shopnavigation, Banner, Coupons oder redaktioneller Content.
Die meisten Onlineshops bieten eher allgemeine Produktempfehlungen, die auf reiner Arithmetik beruhen: "Andere Kunden kauften auch". Um beim Beispiel der Bohrmaschine zu bleiben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Kunde, der ein neues Gerät kauft, auch ein Bohrerset erwirbt. Bei Kunden, die ein solches aber bereits besitzen, bringt eine solche Empfehlung natürlich nichts.
Zugriff auf viele Datentöpfe in Echtzeit
KI-getriebene Systeme greifen bei den Empfehlungen oder der Personalisierung von Inhalten nicht allein auf die reinen Daten aus dem Shop zurück, sondern greifen auf weitere Datentöpfe in Echtzeit zu. Hier bilden die Kaufhistorie und auch der Verlauf der im Shop besuchten Seiten eine Informationsquelle.Eine leistungsfähig Empfehlungsengine zur Ausspielung personalisierter Inhalte, sollte auf unterschiedliche Typen von Empfehlungen zurückgreifen können und durch maschinelles Lernen aus den Reaktionen der Konsumenten die Empfehlungen verbessern.
Ansatzpunkte für Empfehlungen beziehen sich hier unter anderem auf:
- das Produkt, z.B. die Empfehlung von Produkten, die zusammen mit dem jeweiligen Produkt geklickt oder gekauft werden.
- die Bildähnlichkeit, die Empfehlungen erkennen Muster oder Farbvarianten und schlagen ähnliche Artikel vor.
- die Kategorie, z.B. Empfehlungen aus einer Kategorie, die passend zur aktuellen Kategorieseite auf Basis des Verhaltens aller Nutzer angezeigt werden.
- den Nutzer, z.B. Empfehlungen, die auf Basis von aktuellen und früheren Verhaltensdaten des Kunden berechnet werden.
- den Suchbegriff, z.B. Produktvorschläge, die auf der Grundlage des eingegebenen Suchbegriffs und des Verhaltens aller Nutzer berechnet werden.
Personalisierung kann auch inspirieren
Gerade Empfehlungen auf Basis der Bilderkennung können einen enormen Hebel darstellen. In einem Onlineshop sucht der Kunde nach einem speziellen Ring. Doch dieses Schmuckstück ist aktuell vergriffen, eine typische Out-of-Stock-Situation, die dann üblicherweise zu einem Kaufabbruch führt.Einfache Empfehlungsengines könnten jetzt nicht viel mehr, als Empfehlungen basierend auf allgemeinen Eigenschaften wie Material, Größe und Zielgruppe anbieten. Das bringt den Kunden in dieser Situation aber nicht weiter, wenn ihm statt des gesuchten Rings in Sterlingsilber viele weitere Modelle angepriesen werden.
Anders ein System mit KI: Es analysiert ständig die Produktbilder des Shops auf Gemeinsamkeiten. Auf Basis von Bildähnlichkeiten kann dem Kunden so ein Ring präsentiert werden (sofern im Angebot vorhanden), der in Form und Verarbeitung dem ursprünglich gesuchten Stück nahekommt.
Dieser Ansatz kann dann auch in Richtung visueller Suchen weiter gedacht werden. Der Kunde lädt das Bild eines Kleidungs- oder Möbelstücks hoch und die KI identifiziert das Produkt oder empfiehlt einen ähnlichen Artikel.
Personalisierung jenseits von reinen Produktempfehlungen
Der Einsatz von Empfehlungsengines in einem Onlineshop liegt auf der Hand. Per Schnittstellen können die Systeme die Empfehlungen auch an weitere Komponenten übergeben. Die personalisierten Inhalte kommen dann etwa in einer App des Händlers zum Einsatz.Und eine Lösung für die Personalisierung kann sehr vielseitig eingesetzt werden.
- Individuelle Produkt- und Content-Feeds: Beim ersten Besuch eines Shops kann der Kunde Themenbereiche auswählen, die ihn interessieren. Auf Basis der durch maschinellen Lernens gewonnenen Erkenntnisse werden ihm dann passende Inhalte (zum Beispiel Anleitungen, Hintergrundberichte) und Produkte oder Hersteller empfohlen. Handelt es sich um einen unbekannten Kunden basiert das Material auf Basis der Wahrscheinlichkeiten aller Kunden. Ist er bereits registriert, wird auch noch seine Historie berücksichtigt.
- Warenkorbabbrecher: Eine auf KI basierende Lösung, die Scoring-Verfahren enthält, kann aufgrund des Verhaltens des Kunden im Shop die Wahrscheinlichkeit dafür errechnen, dass der Kunde seinen Warenkorb nicht abschließt. Die KI analysiert die Bewegungen der Kunden im Shop in Echtzeit und erstellt daraus Prognosen für zukünftige Verhaltensweisen. Wird ein bestimmter Prognosewert für den "Kaufabbruch" erreicht, erhält der jeweilige Kunde gezielt einen Anreiz. Das kann beispielsweise die Ausspielung eines Incentives sein, wie Versandkostenfreiheit oder Rabatte.
- Kataloge: Die Empfehlungsengine kann dazu genutzt werden, für den Kunden individuelle Printkataloge zusammenzustellen. So hat der Bürobedarfshändler SSI Schäfer Shop mit der RDE von prudsys einen Selfmailer in über 100.000 Varianten mit fast 5.000 unterschiedlichen Produkten realisiert. Im Vergleich zur manuellen Produktauswahl waren die Bestellquoten um bis zu 15 Prozent höhere. Relevanz zählt eben.
- Digital Signage: Und auch am POS kann ein solches System nutzbringend eingesetzt werden. Dazu werden zum Beispiel die Daten aus Kassenbons oder Waagen berücksichtigt und daraus das Interesse der Konsumenten abgeleitet, die sich gerade im Laden befinden. So ist es möglich, über Displays konkrete Produktempfehlungen abzugeben.
