Flori Schuster ist als Sportartikelhändler in München und Umgebung eine Institution und in seiner Branche ein Leuchtturm. In der Lockdownzeit erlebte er, wie Arbeit auf einmal erledigt werden musste, wofür sonst nacheinander Zeit gewesen wäre. Er erlebte aber auch, wie leistungsfähig man sein kann, obwohl man nicht täglich ins Büro fahren kann.
Was hat sich für Sie seit dem 16. März verändert, dem Tag, an dem die meisten Läden im stationären Handel geschlossen werden mussten?
Eigentlich alles. Administratives, was bisher gelaufen ist musste weiterlaufen, Themen, die coronabedingt auf uns zukamen, mussten neu gedacht, geplant und zu Teil nahezu sofort realisiert werden wie Kurzarbeit und Gespräche mit Lieferanten. Der Verkauf, der offline weggebrochen war, sollte so intensiv wie möglich online aufgefangen werden. Aufgaben, die normalerweise nacheinander stattfinden.
Wie sah danach Ihr Arbeitstag aus?
Herausforderung durch neue Situationen im Stundentakt, Telefonkonferenzen über Telefonkonferenzen.
© Schuster
Flori Schusters Geschäft befindet sich in der Münchner Rosenstraße, das ist im Herzen der Innenstadt, nur wenige Schritte vom Marienplatz entfernt. Ab Tag eins des Lockdowns hatten er und seine Mitarbeiter "den Schalter umgelegt".
Was war in der Lockdown-Zeit Ihr schlimmstes, was war Ihr schönstes Erlebnis?
Nicht
in aber gleich
nach der Lockdown-Zeit: das Chaos während der Demo auf dem Marienplatz
(an diesem Tag demonstrierten rund 3.000 Menschen gegen die Anti-Coronamaßnahmen, obwohl die Demonstration nur für 80 Teilnehmer angemeldet worden war, Anm.d. Red). Und gleich zu Anfang hat eine Kollegin jeden zweiten Tag einen riesigen selbstgebackenen Kuchen mitgebracht. Gefragt, ob da jemand Geburtstag habe, sagte sie: "Ich hab' doch jetzt so viel Zeit!"
Wie haben Sie Ihren Betrieb am Laufen gehalten?
Wir haben von Tag eins "den Schalter umgelegt" und beherzt die Anforderungen angenommen. Wir hatten in der Logistik/Online alle Mitarbeiter und Prozesse am Laufen gehalten, der Einkauf war im Homeoffice weiter tätig und eine Notbesetzung hat das Ladengeschäft von Winter auf Sommer umgebaut. Den Kollegen*innen in der Kurzarbeit und im Homeoffice haben wir durch tägliche "Wasserstandsmeldungen“ per Mail und Beekeeper (eine Mitarbeiter-App, Anm.d.Red) am Geschehen teilhaben lassen. Das kam sehr positiv an.
© shutterstock / BCFC
Schäden durch Corona
Wenn der Lockdown das Geschäft verhagelt: "Händler sollen keine Bittsteller, sondern Antragsteller sein"
Möglicherweise löst das Rechtsgutachten von Harald Nickel eine Klagewelle in Deutschland aus - von der die Einzelhändler profitieren können. Der Jurist besteht darauf, dass die Politik für entstandene Vermögensschäden infolge des Lockdowns aufkommen muss. Das gebe das Infektionsschutzgesetz her. Sollte sich das bewahrheiten, dann winkt Unternehmen Schadenersatz von Staat oder Behörden. Mehr lesen
Was haben Sie dabei gelernt, was hat sich bei Ihnen verändert?Welches Heldentum im Homeoffice zu leisten ist. Meine Kinder sind schon lang aus dem Haus, aber unsere betreffenden Kolleginnen und Kollegen…
Konnten Sie trennen zwischen persönlichen Sorgen und den Sorgen ums Unternehmen?
Was lernt man über die Jahrzehnte?
Wie geht es Ihnen, seitdem die Geschäfte wieder geöffnet werden dürfen?
Unseren Kunden und uns geht es da gut, das wir wieder machen können, was unser Job ist: Kaufen und Verkaufen. Aber die Erkenntnis, dass ein limitierter Zugang für einen Erfolg im klassischen Sinn nicht ausreichen kann, dämpft die Freude deutlich.
Reden wir über Corona
Die Coronakrise belastet die deutsche Wirtschaft, und selbstverständlich auch die Handelsbranche. Jedes Unternehmen erlebt diese Zeiten anders. Wie, das will die Redaktion von etailment wissen - und fragt quer durch den Handel. Onliner wie stationäre Unternehmer, Filialisten wie lokale Mittelständler. Alle bekommen dieselben acht Fragen gestellt, allerdings unterscheiden wir zwischen stationär und online, denn hier sind die Probleme unterschiedlich. Die Antworten veröffentlichen wir in loser Abfolge.
Was wünschen Sie sich als Händler vom Staat?Verständnis dafür, dass die Wirtschaft und in unserem Fall der Handel noch lange nach dem Lockdown das Verständnis von Politik und Verwaltung brauchen werden. In München, in Bayern, in Deutschland und - mindestens - in Europa. Und dass die ewig gleichen politischen Reflexe auch in Zukunft nichts bringen werden.
MEHR ZUM THEMA:
© Sorn340 Studio Images - shutterstock.com
etailment Expertenrat
So meistern Unternehmen die digitale Transformation in der Corona-Krise
Dass ein digitales Geschäftsmodell der Schlüssel zu langfristigem Business-Erfolg ist, wussten Unternehmen schon vor COVID-19. Auch an der fundamentalen Fragestellung, die viele Entscheiderinnen und Entscheider auf dem Weg zum Digital Business blockiert, hat sich nichts geändert: Wie und wo startet man am besten mit der digitalen Transformation? Die aktuelle Situation, so hart sie viele Unternehmen treffen mag, vereinfacht immerhin die Herangehensweise an dieses Problem. Denn die Prioritäten werden in der Krise sehr deutlich: Begonnen werden muss dort, wo es den größten Business-Einbruch gab, sagt Etailment-Experte Steven Bailey, Chief Strategy Officer bei AOE. Mehr lesen
© shutterstock / CROCOTHERY
Reden wir über Corona
Mister Spex-Chef Graber: "Kontaktlinsen waren das Toilettenpapier der Augenoptik"
Mister Spex hat sich als Onlineoptiker längst zu einem Omnichannel-Unternehmen gewandelt. Und hatte beim Lockdown Folgen. Alle Läden wurden geschlossen - obwohl man eigentlich nicht musste, denn Optiker gelten als systemrelevant. Aber Schutz von Mitarbeitern und Kunden waren wichtiger. Mister Spex-Gründer Dirk Graber spricht von zwischenzeitlichen Veränderungen im Unternehmen, einer stabilen Lieferkette - und welche Waren Verkaufsschlager waren. Mehr lesen
© shutterstock / SunCity
Konsumentenverhalten
Mehr Erlebnis, mehr Genuss, mehr sozialer Austausch: Was die Kunden nach Corona wollen
Einmal alles auf Null drehen. So könnte es heißen für die Handelsbranche, wenn die Coronakrise überstanden.Vieles wird sich drastisch verändern, sagt Gastautor Marc Schumacher, Managing Partner der Agentur für Retail- und Marken-Kommunikation Liganova. Und damit meint er nicht nur, dass der Onlinehandel stark zulegen wird. Mehr lesen