Händler sollten das diesjährige Weihnachtsgeschäft noch einmal so richtig genießen. Es könnte das letzte Mal sein, bevor jedes neue Saisongeschäft zum finalen Überlebenskampf wird. Der Crash könnte nämlich - gerade auf der Fläche - schneller kommen als gedacht. Und dafür ist nicht nur Amazon verantwortlich.
Der erste Grund für den bevorstehenden Kollaps hat nicht einmal etwas mit Amazon oder dem Internet zu tun. Die grundlegende strukturelle Wahrheit ist: Es gibt zu viel Fläche. Je nach Branche kann man den Flächenüberhang im Verhältnis zur Kaufkraft in einem hohen zweistelligen Prozentbereich einsortieren. Aggressive Werbekampagnen, starke Preiskämpfe und manche selbstverschuldete Pleite haben das immer etwas kaschiert. Der Onlinehandel und die Konkurrenz der Klicks gegen die Abstimmung mit den Füßen macht das nun lediglich sichtbarer.
Zu viel heiße Luft im Handel
Die Handelsmanager wissen das seit Jahren. Handelsexperte Ulrich Eggert mahnte schon 2012 (pdf): „Wir haben ein gutes Drittel „heiße Luft“ im deutschen Handel – und die muss raus!“
Gerade den Warenhausketten wie Karstadt, dass in einem Anfall von Aktionismus gerade testweise eine Düsseldorfer Filiale mit digitalem Bling-Bling vollstopft, kann man daher durchaus unterstellen, dass sie auf die Online-Bremse getreten sind, um die heiße Luft nicht noch unerträglicher zu machen.
Die heiße Luft ist ja angesichts des Online-Booms der letzten Jahre eher noch mehr geworden. Womöglich sind inzwischen sogar 50 Prozent der Flächen im deutschen Handel überflüssig.


Teil der Gleichung sind auch die Legionen der Start-ups, die am Kundenstamm knabbern, sich durch Risikokapital finanzieren, erst einmal nicht um Marge kümmern, sondern dem etablierten Handel schlicht Marktanteile abjagen. Schon dadurch wird die heiße Luft dünner.
Übrigens auch für die Start-ups, die sich immer schwerer tun eine Exit-Lösung für ihr Geschäftsmodell zu finden. Zunehmend wird nämlich erkennbar, dass Marktanteile und Lock-in-Effekte dauerhaft teuer erkauft werden müssen. Heiße Luft ist nämlich auch sehr flüchtig. Immerhin ist sie angesichts des Zinsumfelds noch vergleichsweise günstig zu haben.
Plattformen als Beschleuniger
Der große Sauger aber sind selbstverständlich die Plattformen. Amazon, natürlich. Aber auch eBay, Otto und Zalando und all jene, die sich nun einer Plattform-Strategie verschreiben. Es braucht keinen Propheten und kein BWL-Studium, um hier weiteres massives Wachstum zu prognostizieren. Schon meine Oma wusste von der Vorliebe des Teufels für den dicksten Haufen.
Für die „Retail Apocalypse“, wie sie kürzlich Bloomberg mit sehenswerten Grafiken und Tabellen skizzierte, wirken Amazon und Co daher lediglich als Beschleuniger. Selbst im Mutterland des Retail-Kollaps mag man dem E-Commerce nur in Teilen die Verantwortung zuschustern."Es geht um Handel für die digitale Welt. Nicht um digitalen Handel.“
Auf der Verliererseite, da aber stimmt die Botschaft der Pure-Player-Evangelisten, stehen all jene, die online keine attraktive „Fläche“ bereithalten oder sich nicht beizeiten auf den Plattformen professionalisiert haben."Statt 400 Quadratmeter Fläche genügen 100 für das haptische Erleben, den Rest besorgt das Web."