Unternehmen bewerten die Benutzerfreundlichkeit mobiler Anwendungen höher als Sicherheit und Funktionsumfang. Wie aber lässt sich zuverlässig herausfinden, ob der neue Webshop-Entwurf den Erwartungen der Zielgruppe entspricht – und nicht zu Absprüngen und Kaufabbrüchen führt? Gastautorin Wiktoria Kleindienst, Vorstand der Digitalagentur dc, erklärt in diesem Beitrag, welche Arten von Usability-Tests es gibt - und warum sie unerlässlich für die Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit sind.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache – Unternehmen bewerten in Umfragen die Benutzerfreundlichkeit mobiler Anwendungen höher (97%) als Sicherheit (89%) und Funktionsumfang (72%). Wie aber lässt sich herausfinden, ob der neue Webshop-Entwurf wirklich den Erwartungen der Zielgruppe entspricht – und nicht zu Absprüngen und Kaufabbrüchen führt? Die Antwort lautet: mit Usability-Tests.

Nutzerfreundlichkeit und Design einer Web-Präsenz oder E-Commerce-Lösung sind heute nicht mehr getrennt zu betrachten, sondern wichtige Eckpunkte einer durchgängigen und zielführenden Customer-Journey. Im Fokus stehen die Kunden mit ihren Präferenzen und Erwartungen. Diese müssen zeit-, orts- und geräteunabhängig erfüllt werden – und dennoch das Alleinstellungsmerkmal sowie das Corporate-Design des Vendors widerspiegeln. Um dabei Sackgassen und Umwege zu vermeiden, sollten frühzeitig und konsequent Usability-Tests durchgeführt und wiederholt werden.
Ob Onlinehändler die Kundenansprüche an Shopdesign und Nutzerfreundlichkeit zeit-, orts- und geräteunabhängig erfüllen, entscheidet über Warenkorbwerte und Absprungraten.
© IMAGO / Panthermedia
Ob Onlinehändler die Kundenansprüche an Shopdesign und Nutzerfreundlichkeit zeit-, orts- und geräteunabhängig erfüllen, entscheidet über Warenkorbwerte und Absprungraten.

Ziele und Nutzen von Usability-Tests

Mit Usability-Tests lässt sich ein breites Spektrum von wichtigen Informationen sammeln und auswerten. Die Verbesserung von Nutzerfreundlichkeit und -führung bildet natürlich den Schwerpunkt, führt aber auch zu anderen Aspekten, die Umsatzerfolg und Kundenbindung positiv beeinflussen. Setzt man die Usability-Tests früh und durchgängig an, werden Schwachpunkte schnell entdeckt und behoben, bevor sie Kosten verursachen und den Gewinn schmälern.


Aus der IT-Entwicklung wissen wir, dass die Behebung von Fehlern in der Programmierung zehnmal teurer ist, als wenn die Schwachstellen bereits in der Entwurfsphase bereinigt worden wären. Ist der Webshop dann schon online, steigen Kosten und Zeitaufwände für die Problemlösung weiter überproportional an.

Fühlen sich Kunden auf der E-Commerce-Seite gut aufgehoben, steigt der Warenkorbwert und die Absprungrate reduziert sich. Wird eine Web-Präsenz zur Lead-Generierung genutzt, erhöht sich nach Usability-Tests die Conversion-Rate. Weitere Vorteile, abhängig von der Zielsetzung, sind:

  • Vergrößerung der Download-Anzahl
  • Reduzierung telefonischer Anfragen
  • Erhöhung von Anzahl, Qualität und Bandbreite des Zielgruppen-Feedbacks
  • höhere Kundenzufriedenheit und -bindung

Die sechs wichtigsten Testverfahren

Welche Möglichkeiten gibt es, um an Informationen zur Verbesserung der Usability zu gelangen? In der Praxis haben sich sechs Methoden der Datenanalyse bewährt. Die aussagekräftigsten Ergebnisse liefert jedoch die sechste Methode:

1. Onsite-Befragungen

Schnelles und unkompliziertes Feedback erhalten Händler mit Onsite-Fragebögen auf ihrer Webseite. Damit diese die gewünschte Wirkung erzielen, sollten sie kurz, einfach zu beantworten und idealerweise mit einer Belohnung verbunden sein.

2. Tracking-Klicks

Über ein Seiten-Plug-in oder eine App werden die Live-Klicks der Nutzer auf dem Server protokolliert und ausgewertet. Dieses Verfahren kann im täglichen Betrieb verwendet werden.

3. Eye-Tracking

Noch intuitiver stellt sich die Auswertung der Augenbewegung der Nutzer dar. Hierfür müssen aber Probanden gefunden und spezielle Eye-Tracking-Geräte eingesetzt werden.

4. System-Usability-Scale

Natürlich können Händler Seitenbesucher auch direkt fragen, was sie von der Usability halten. Die Qualität der Ergebnisse hängt aber wesentlich von der Qualität der Fragen ab, auch sollte berücksichtigt werden, dass es immer Teilnehmer gibt, die mit einer zu positiven Antwort dem Fragesteller "etwas Gutes" tun wollen.

Die Weihnachtssaison ist für Händler die wichtigste Zeit, um mit einer guten Customer Experience zu überzeugen.
© IMAGO / ANE Edition
Weihnachtsgeschäft

Warum A/B-Tests gerade im Ausnahmezustand wertvolle Erkenntnisse liefern

5. Thinking-Aloud-Test

Auch nur in einen vorbereiteten Setting, aber mit weit weniger Aufwand als Eye-Tracking durchführbar: Die Teilnehmer werden gebeten, während einer Test-Situation ihre spontanen Gedanken laut wiederzugeben. Wichtig: die Probanden nicht unterbrechen.

6. A/B-Testing

Diese Methode führt zu qualitativ hochwertigen Resultaten, wenn sie richtig durchgeführt wird. Auf der Webseite wird mithilfe eines speziellen Tools einer Besuchergruppe eine Variante präsentiert (A), während eine anders selektierte Gruppe eine Alternative (B) zu sehen bekommt. Diese Evaluierung lässt sich im Live-Betrieb durchführen und beliebig skalieren. Welche Aspekte variiert werden können, hängt von der Test-Software ab. Mittlerweile kommt zur Variantengenerierung und -auswertung künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Der größte Fehler, der hier gemacht werden kann, besteht darin, zu viele Faktoren parallel zu verändern. Dadurch kann die Aussagekraft der Ergebnisse verwässert werden, insbesondere wenn die Anzahl der jeweiligen Beobachtungen zu gering ist, um statistische Signifikanz zu erlangen. Für automatisiertes A/B-Testing gibt es bereits einige leistungsfähige Tools auf dem Markt wie Kameleoon, Trbo, uptain oder Zoovu.

Fazit

Auf Usability-Tests sollte im E-Commerce nicht mehr verzichtet werden. Je früher, konsequenter und regelmäßiger die erwähnten Test-Methoden eingesetzt und ausgewertet werden, umso besser. Mit A/B-Tests lässt sich sozusagen "im Vorbeigehen" und im Live-Betrieb das Nutzererlebnis stetig verbessern und die Conversion-Rate erhöhen.

MEHR ZUM THEMA: 

"Mobile First" gilt auch für den Onlinehandel. Anwendungen sollten deshalb nicht mehr nur für die mobile Nutzung optimiert, sondern von vornherein dafür entworfen werden.
© IMAGO / shotshop
Mobiles Einkaufen

3 Schritte zur erfolgreichen Shopping-App


Künstliche Intelligenz kann Farben, Formen und Strukturen erkennen und mit bekannten Bildinhalten abgleichen. Shopbetreibern bietet die bildbasierte Produktsuche die Chance auf höhere Konversionsraten.
© IMAGO /Westend 61
Technologie

6 Gründe für die visuelle Suche im Onlineshop


User wünschen sich heutzutage eine gute Auswahl an Zahlungsmöglichkeiten.
© Pexels: Karolina Grabowska
Deep Dive

Der perfekte Zahlungsmix im Online-Shop