Sieben Uhr morgens in Deutschland. Die passionierte Fashionista Anke Müller ist extra früh aufgestanden, um auf Schnäppchenjagd zu gehen. Beim Online-Shopping-Club Brands4friends, der zu früher Stunde eine Verkaufsaktion für Designer-Kleider gestartet hat. Anke entscheidet sich für ein Produkt von Proenza Schouler. Reine Seide, für 289 statt 450 Euro.

Wenige Klicks später ist das Kleid bestellt, und Anke lehnt sich entspannt zurück.

Sie liegt damit voll im Trend: Dem aktuellen Kundenmonitor der Textilwirtschaft zufolge haben im vergangenen Jahr fast 15% der Deutschen über 14 Jahre bei Online-Shopping-Clubs eingekauft. Mehr als die Hälfte der Käufer hat ein bis vier Teile erstanden – und auch nicht wieder zurückgeschickt. Die meisten, rund 37% der Online-Shopping-Nutzer, haben bis zu 99 Euro für ihre Einkäufe ausgegeben.
Das Hamburger Marktforschungsunternehmen Fittkau&Maaß sieht die Branche ebenfalls weiter im Aufwind: Laut seiner jüngsten Studie sind rund 28% der deutschen Internet-Nutzer bei einem Shopping-Club registriert, nach rund 15% Anfang 2010. Die stärkste Altersgruppe bilden die 30- bis 49-Jährigen mit einem Anteil von 41%. Rund 61% der Mitglieder sind berufstätig, mehr als die Hälfte (51%) hat Abitur.

Das Shopping-Club-Konzept trifft den Nerv einer großen Käufergruppe.

Die treuesten Mitglieder haben die Amazon-Tochter Buy VIP und das französische Unternehmen Vente-Privée, das das Geschäftsmodell 2001 in Paris erfunden hat und seit 2006 auch in Deutschland betreibt. Jeweils fast 28% der Mitglieder der beiden Clubs loggen sich mehrmals in der Woche ein. 23% der Buy VIP-Nutzer schauen mindestens einmal pro Woche vorbei.

Bei Vente-Privée ist es jedes fünfte Mitglied. „Das Shopping-Club-Konzept trifft den Nerv einer großen Käufergruppe. Vor allem spontane, trend- und markenorientierte Internet-Nutzer schätzen die Möglichkeit, Top-Marken-Produkte zu deutlich vergünstigten Preisen zu erwerben“, sagt Fittkau&Maaß-Geschäftsführerin Susanne Fittkau. Ihrer Ansicht nach sind Shopping-Clubs dank ihres großen Zielgruppenpotenzials „einer der interessantesten Online-Vertriebskanäle der kommenden Jahre“.

Der vielfach prognostizierte Abnutzungseffekt ist also nicht eingetreten. „Für Outlets gibt es immer eine bestimmte Zielgruppe“, sagt Aline Eckstein, die beim Institut für Handelsforschung in Köln das E-Commerce-Center Handel (ECC Handel) leitet. Insofern habe das Geschäftsmodell nach wie vor seine Daseinsberechtigung.

Achim Himmelreich

Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Exklusiv-Charakter der Clubs verloren geht. „Wenn es zu viele Mitglieder gibt, kann man nicht mehr sagen, dass man zu einer exklusiven Gemeinde gehört“, sagt Achim Himmelreich von der Münchner E-Commerce-Beratung Mücke, Sturm&Company.

Der Hintergrund: In den Anfangsjahren der Branche brauchte man noch die Einladung eines Mitglieds, um an den zeitlich begrenzten Verkaufsaktionen stark rabattierter Restposten teilnehmen zu können. Mittlerweise verfolgt nur noch Best Secret diese Strategie.

Marktführer in Deutschland ist die Ebay-Tochter Brands4friends, die derzeit fünf Millionen Mitglieder und 1500 Markenpartner zählt. Über die Höhe des Umsatzes macht Geschäftsführer Stephan Zoll keine Angaben. Die Erlöse seien aber „sehr gut zweistellig“ gewachsen. Die letzten öffentlich zugänglichen Zahlen stammen aus dem Jahr 2009.

Damals erwirtschaftete das Unternehmen hierzulande einen Umsatz in Höhe von 80 Mill. Euro. Der Mitbewerber Vente-Privée hat seinen Europaumsatz 2012 um 18% auf rund 1,27 Mrd. Euro gesteigert. Von der deutschen Tochter, die etwa 1 Million Mitglieder zählt, liegen keine aktuellen Zahlen vor.

Nach Schätzungen der TextilWirtschaft lag der Umsatz 2011 bei 76 Mill. Euro. Die Otto-Tochter Limango legte 2012 ebenfalls deutlich zweistellig zu und geht davon aus, dass sie 2013 die Gewinnzone erreicht.

Der Online-Shopping-Club-Markt entwickelt sich weiter parallel zum gesamten E-Commerce- Markt

Die Mysportgroup (Mysportbrands und Mysportworld) kam im vergangenen Jahr sogar auf ein Plus von 150%. Allerdings auf einer niedrigen Vorlage von 20 Mill Euro im Jahr 2011. Das bislang nur in Deutschland und Österreich tätige E-Commerce-Unternehmen, das aktuell über 800000 Mitglieder und 250 Markenpartner zählt, hat vor einem halben Jahr am Firmenhauptsitz Berlin eine 9000m² große Ladenfläche angemietet, um die geplante internationale Expansion logistisch stemmen zu können.

Das Marktvolumen liegt nach Einschätzung von Limango-Geschäftsführer Martin Oppenrieder bei rund 500 Mill. Euro. Der E-Commerce-Berater Achim Himmelreich geht von etwa 700 bis 800 Mill. Euro aus. Alain Moreaux, Deutschland-Geschäftsführer von Vente-Privée, erwartet, dass sich der Online-Shopping-Club-Markt weiter parallel zum gesamten E-Commerce- Markt entwickeln wird. Dieser war 2011 um 18,5% gewachsen.

Damit diese Prognosen auch eintreffen, müssen die Shopping-Club-Betreiber dafür sorgen, dass der Warenfluss nicht verebbt. Das ist insofern nicht einfach, als sich immer mehr Anbieter auf dem Markt tummeln. Neben den bereits genannten Unternehmen sind unter anderem Paul Direkt, 4Clever, Clubsale, Label-Park, Preisbock und Privateoutlet in Deutschland aktiv.

Für Bewegung könnte etwa das 2011 gegründete Start-up Westwing sorgen. Schließlich haben die Münchner bereits Investorengelder in Höhe von 65 Mill. Euro eingesammelt, unter anderen von den Zalando-Gesellschaftern Rocket Internet und Kinnevik sowie Holtzbrinck Venture und dem US- amerikanischen Private Equity-Unternehmen Summit Partners, das auch an Vente-Privée beteiligt ist. Deutlich aufgeholt hat bereits die erst 2010 gestartete Zalando Lounge, bei der laut Fittkau&Maaß schon 15% der Internet-Nutzer registriert sind.

Konzentration auf wenige große Player

Nach Expertenmeinung zeichnet sich – wie im gesamten Online-Mode-Handel – eine Konzentration auf wenige große Player ab: Amazon, eBay, Otto und Europa-Marktführer Vente-Privée, die ihre Sortimente konsequent ausbauen. Die kleineren Anbieter sind daher gut beraten, ihr Heil in der Nische zu suchen: „Sie sollten sich auf besondere Themen oder Warengruppen fokussieren“, sagt Martin Groß-Albenhausen, der beim Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh) den Geschäftsbereich Services leitet. Eine Alternative bestehe darin, ein eigenes Marken-Image als Handelsmarke aufzubauen oder zu stärken. Hilfreich sei es auch, so viele Marken wie möglich exklusiv zu verkaufen.

Nach Einschätzung der Club-Betreiber ist langfristig für Nachschub gesorgt. „Es ist nach wie vor genügend Ware im Markt“, sagt Brands4friends-Chef Zoll. Erfolgsfaktoren seien vielmehr das Markt-Know-how und die Beziehungen zu den Herstellern. „Es ist eine Frage der Performance“, ergänzt Vente-Privée-Geschäftsführer Moreaux. Je schneller und je mehr Warenüberhänge abverkauft würden, desto besser seien die Möglichkeiten, neue Ware zu bekommen.

Bei Mysportbrands spielt die Witterung eine wichtige Rolle: „Der Sportmarkt ist stark saisonal und natürlich auch vom Wetter abhängig. So entstehen immer Überkapazitäten, die wir für unseren Club nutzen“, erklärt Geschäftsführer Albert Schwarzmeier.
Lediglich Paul Direkt-Geschäftsführer Patrick Bosch räumt ein, dass es teilweise zu Engpässen bei der Ware kommen kann: „Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie Ihren Kunden keine Ware anbieten können. Aber eventuell müssen Sie auf Marken geringerer Bekanntheit ausweichen.“

Eigenmarken im Test

Eine Möglichkeit, temporäre Warenengpässe zu überbrücken, bestehe darin, eigene Kollektionen und Marken ins Sortiment aufzunehmen. Bislang haben lediglich Brands4friends und Limango eigene Kollektionen auf den Markt gebracht. Und das auch nur testweise. Weiteres Wachstumspotenzial bieten Marken, die bislang noch nicht in Deutschland verkauft haben. Sie können über Shopping-Clubs den Markt in Ruhe und ohne teure Werbekampagnen testen.

Entscheidend ist und bleibt aber, dass die Markenhersteller nicht das Interesse an den Shopping-Clubs verlieren. Die Chancen stehen insofern gut, als die Online-Outlets der Industrie die Möglichkeit bieten, ihre Restanten relativ schnell und geräuschlos und somit ohne Image-Verlust abzuschleusen. Schließlich können nur Club-Mitglieder die Verkaufsaktionen mitverfolgen. Für Suchmaschinen-Nutzer sind die Rabattangebote unsichtbar.

Hersteller lancieren eigene Outlet-Channels

Allerdings betreiben immer mehr Hersteller eigene Outlet-Channels in ihren Online-Shops, so dass die Shoppings-Clubs in der Hierarchie der Absatzkanäle unter Umständen absteigen. Der Jeans-Hersteller Mustang zum Beispiel verkauft in den Clubs nur Ware, die nach den Rabattaktion der eigenen Kanäle sowie der Handelspartner übrig geblieben ist. Auch beim Hemden-Anbieter Seidensticker haben die eigenen Outlets klar Vorrang. „Nur wenn etwa mal eine Farbe gar nicht läuft und wir besonders viel Ware übrig haben, rufen wir die Shopping-Clubs an“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Gerd Oliver Seidensticker. Der TextilWirtschaft-Studie „Online-Retail 2012“ zufolge wollen 15% der Hersteller ihr Shopping-Club-Geschäft reduzieren. 2010 waren es nur 6% gewesen. Der Umsatzanteil von Shopping-Clubs am E-Commerce der Marken wird in den nächsten beiden Jahren voraussichtlich bei 1% verharren.

Bei einer Blitzumfrage unter deutschen Shopping-Club-Lieferanten ernteten die Club-Betreiber aber vielfach Zustimmung. Der Sportartikelkonzern Puma bescheinigt den Restantenverkäufern, eine „genaue Auswertung und Erfolgsmessung von Verkaufsaktionen“ zu bieten. Der Accessoires-Anbieter Roeckl ist ebenfalls zufrieden: „Durch die konzentrierten und zeitlich begrenzten Aktionen erzielen wir eine hohe Reichweite und zudem eine markenaffine Zielgruppe mit hohem Qualitäts- und Markenbewusstsein.“

Teilweise wird aber auch Kritik laut. Hans-Peter Konrad von der Hutfabrik Seeberger bemängelt beispielsweise die „recht lange Phase zwischen Angebot und Sendung“. In der Zwischenzeit sei es nicht möglich, die Ware woanders abzusetzen.
Die langen Lieferzeiten sorgen auch bei den Kunden vielfach für Unmut, unter anderem weil sie die Ware gleich nach der Bestellung bezahlen müssen. Allerdings hat sich die Situation schon etwas gebessert. Mittlerweile muss nur jeder dritte Kunde länger als zwei Wochen warten. Für Tempo sorgen insbesondere Amazon Buy VIP und die Otto-Tochter Limango – dank der Logistik-Apparate ihrer Mutterkonzerne.

Hoher Anteil von Mobile Commerce

Mehrere Markenpartner kritisieren, dass viele Clubs nur die tatsächlich abverkaufte Ware abnehmen und nicht verkaufte Artikel retournieren. „Das unternehmerische Risiko bleibt so beim Markenartikler“, heißt es bei Puma. Immerhin liegen die Retourenquoten weit unter denen des gesamten Versandhandels. Sie reichen von 16% bei Paul Direkt bis etwa 33% bei Limango.

Überdurchschnittlich hoch ist dagegen der Anteil des Mobile Commerce am Gesamtgeschäft. Brands4friends und Vente-Privée erwirtschaften jeweils ein Viertel ihrer Umsätze auf mobilen Endgeräten. Brands4friends-Chef Zoll: „Mobiles Einkaufen kommt dem Shopping-Club-Geschäftsmodell mit festgelegten Kampagnen-Startzeiten sehr entgegen. Viele Kunden sind zu den Verkaufstarts um 7 oder 19 Uhr bereits oder noch unterwegs.“

So wie Anke Müller. Die 30-Jährige hat ihr Designer-Kleid nämlich im Zug auf dem Weg zur Arbeit gekauft. Und ist überrascht, wie reibungslos das geklappt hat. Für die Rückfahrt hat sie sich daher vorgenommen, weitere Mode-Shopping-Apps auf ihr Smartphone herunterzuladen.

Der Beitrag erschien vorab in der Printausgabe der Textilwirtschaft