
Und während man noch zögert, hat auch der Verstand ausreichend Zeit gehabt, die vorauseilende Gier nach dem Schnäppchen einzuholen. „Brauche ich das? Heute nicht. Und außerdem sind Schnäppchen wie S-Bahnen: Ist die eine weg, dann kommt die nächste. Ich muss auch sowieso gleich ins Meeting…“ Abbruch. Der Anlauf von Facebook, ein eigenes Payment-System zu etablieren, das den Check-out erleichtert, könnte da manche Hürden senken.
Instant Gratification als Triebfeder des Internets
Das Social Web hat den Begriff der „Echtzeit“ geprägt und Webnutzern - im Zusammenspiel mit mobilen Endgeräten - darüber eine neue Erlebniswelt offeriert: Die Transaktionsprozesse von Informationen innerhalb sozialer Netzwerke schaffen die Möglichkeit einer sofortigen Bedürfnisbefriedigung, bei der Wunsch und Handlung miteinander verschmelzen.
Jedes Foto, jedes Video, jeder Text kann heute in einer nahtlosen Prozesskette erstellt, publiziert, bewertet, kommentiert und weiterverbreitet werden. Die zeitliche Abfolge der einzelnen Prozesse erscheint dabei vielfach derart beschleunigt, dass die gesamte Linie - vom Wunsch der Erstellung bis zur Aufnahme eines Feedbacks - nutzerseitig lediglich als eine einzige Handlung wahrgenommen wird.
Je weiter diese Entwicklung voranschreitet, umso mehr wird sich eine - sich wandelnde Anspruchshaltung, die sich aus dieser beschleunigten Form der Handhabung ergibt, auch auf andere Nutzungsgewohnheiten der Web-Anwender ausweiten.
Für den Online-Handel bedeutet das, dass die Frustrationstoleranz für zeitaufwendige Kauf- und Checkout-Prozesse noch geringer werden wird.
Soziale Netzwerke als Innovatoren betrachten, nicht als Vertriebskanal
E-Commerce-Anbieter können sich diese Entwicklung jedoch auch zu Nutze machen, wenn sie es schaffen, ihre Prozesse diesem Echtzeitgedanken dahingehend anzupassen, dass sich ihre Kunden auf einer vergleichbaren Gefühlsebene angesprochen fühlen, wie diese sie bereits im Umgang mit Informationsprozessen innerhalb des Social Web gewohnt sind: Dem Wunsch nach einer fixen Transaktion von Gütern, bei der keine Differenzierung mehr zwischen einem Impuls und dem darauf folgenden Kaufprozess selbst stattfindet.
Während Unternehmen ihren Fokus jedoch überwiegend auf die Chancen des „Social Commerce“ legen, sich also über sozialen Medien lediglich neue Vertriebs-und Kommunikationskanäle erschließen wollen, beobachten sie zwar die Nutzergewohnheiten innerhalb sozialer Netzwerke, schenken den technischen Entwicklungsprozessen dieser Plattformen und deren Auswirkungen auf das Nutzerverhalten jedoch relativ wenig Beachtung.

Social Logins erhöhen die Konversionsrate
Durch das Zusammenwirken sozialer Dienste untereinander, haben sich jedoch technische Prozesse etabliert, die bisherige Anmelde-Prozeduren als träge erscheinen lassen: Kaum ein Web-Service und kein Assistenzdienst, der sich in den Ökosystemen der führenden Player angesiedelt hat, verlangt heute noch von den Nutzern einen vollständigen Anmeldeprozess.
Im Bestreben, aus Interessenten direkt Mitglieder zu machen, bieten die meisten neuen Web-Dienste verkürzte Anmeldeprozesse via Facebook oder Twitter an. Viele dieser Services übernehmen dabei sogar bereits Profil-Informationen über diese Social Logins und übertragen diese Daten automatisch. Im Kampf um die kritische Masse, wird über dieses Verfahren versucht, den Anwendern jedweden Aufwand abzunehmen.
Obwohl Social Logins durch die zunehmende Verbreitung sozialer Dienste mittlerweile eine hohe Akzeptanz erfahren und sich über diesen Weg sowohl die Verweildauer verlängern lässt, als auch die Abbruchquote signifikant verringert werden kann, nutzen nur relativ wenige Shops diese Möglichkeit, ihre Kaufprozesse dahingehend zu beschleunigen, dass den Nutzern nicht auf halbem Weg die Kauflaune vergeht.
Gefahren für Retailer? Natürlich birgt dieses Verfahren Risiken. Kunden, die sich verleiten lassen und entsprechend viel kaufen, könnten sich irgendwann dessen bewusst werden und einen Anbieter daraufhin meiden.
Das lässt sich jedoch umgehen, indem man entsprechende Prozesse lediglich optional anbietet und diesen Sachverhalt auch entsprechend kenntlich macht. So haben Kunden immer die Wahlfreiheit, ihr Kaufverhalten über die Auswahl unterschiedlich aufwendiger Prozeduren im Zweifelsfall selbst regulieren zu können (vergleichbar zu Amazons One-Click-Button).
Facebook als Ausfüllhilfe
Facebook könnte da bei Händlern neuerliche Anreize mit einem eigenem Payment-System für mobile Apps schaffen, das in den kommeden Monaten getestet wird. Nutzer sollen dazu ihre Kreditkarteninformationen bei Facebook hinterlegen. Dann sollen sie ihre Käufe bei den beteiligten Händlen über mobile Apps bezahlen, indem sie ihren Facebook-Login benutzen. Facebook agiert da quasi als Ausfüllhilfe. Das könnte gerade im Mobile Commerce eine Erleichterung für alle "Wurstfinger"-Kunden sein. Zeitersparnis und Bequemlichkeit als Wettbewerbsvorteil.
Der Kaufprozess wird vom ungeliebten Verwaltungsakt zu einem Unterhaltungsfaktor
Aufmerksamkeit ist ein begrenztes Gut. Im Wettbewerb um die Gunst der Kunden zählt jede Sekunde, jedes Sternchen, jedes Häkchen, jedes Adressfeld. Das gilt für die Betreiber Sozialer Webdienste ebenso wie für Online-Händler.
Die Crowdfunding-Plattform Kickstarter verfolgt dabei einen sehr vielversprechenden Ansatz, der auch für Online-Retailer interessant sein könnte: Das Login erfolgt über Facebook und der Bezahl-Prozess wird via Amazon-Payments abgewickelt.
Wer einen Facebook-Account hat und ebenfalls Amazon-Kunde ist, kann hier also ohne einen weiteren Aufwand bei einem dritten Anbieter eine Transaktion durchführen.
Händlern, die derart schlanke Prozesse nutzen, bietet sich dabei jedoch nicht nur die Chance ihre Konversionsrate zu steigern, sondern sie schaffen es bestenfalls sogar, eine emotionale Komponente zu transportieren, die die Nutzer aus der Umgebung des jeweiligen sozialen Netzwerks gewohnt sind. Ein verkürzter Prozess und ein jeweils passender Bezug zu den Plattformen, über die sich Nutzer eingeloggt haben, ließen nicht nur Wunsch und Kauf miteinander verschmelzen, sondern die Transaktion zudem als eine eigene Form von Unterhaltung erscheinen.