Das Verkaufen über Soziale Medien ist in vielen Ländern wie den USA oder Brasilien bereits gang und gäbe. Deutsche Unternehmen sind zwar auch auf den einschlägigen Plattformen aktiv. Doch statt als Sales-Vehikel sehen sie Social Media eher als Marketing-Tool. Vielen fehlt eine wirkliche Strategie, um das volle Potenzial dieser Plattformen zu nutzen, sagt Zahra Jivá von Pipedrive. In diesem Gastbeitrag will sie mit Missverständnissen beim Thema Social Selling aufräumen.
Allerdings fehlt vielen Unternehmen eine wirkliche Strategie, um das volle Potenzial dieser Plattformen zu nutzen. Vielleicht fehlt ihnen sogar etwas die Phantasie. Denn nur zu oft nutzen sie die Sozialen Medien als Marketing-Tool oder als Plattform zum direkten Austausch mit der Kundschaft.
Doch die Möglichkeiten gehen noch viel weiter: Facebook, Instagram, Linkedin und Co – hinter diesen Kanälen versteckt sich ein enormes Umsatzpotenzial.

Was ist Social Selling?
Stark vereinfacht: Social Selling bezeichnet die Nutzung von Social-Media-Kanälen und Messenger-Diensten zum Aufbau und zur Pflege von Geschäftsbeziehungen. Der Kontakt zu Kunden und Interessenten wird mittels Sozialer Netzwerke geschaffen und intensiviert.Die Vertriebstechnik reiht sich neben der Kaltakquise ein und kann sie sogar ersetzen. Wichtig ist jedoch: Beim Social Selling geht es nicht um Social-Media-Advertising-Kampagnen, also klassisches Online-Marketing. Es geht auch nicht darum, dass Unternehmen willkürlich Verkaufsangebote per Messenger an ihre Follower oder gar Fremde verschicken.
Eine gut gemachte Kommunikation via Messaging ist komfortabel, dialogorientiert, erleichtert eine direkte, persönliche Interaktion und schafft eine gut funktionierende User-Experience.
Die Pandemie hat den Messaging-Trend befeuert
Messenger-Dienste wie Facebook Messenger oder Whatsapp bieten allein mit Blick auf die Nutzerzahlen ein extremes Potenzial (1,3 Milliarden Nutzer auf Facebook Messenger, zwei Milliarden Nutzer auf Whatsapp). Der Messaging-Trend hat insbesondere seit Beginn der Pandemie dazu geführt, dass immer mehr geschäftliche Interaktionen über solche Dienste abgewickelt werden.Zwischen 2020 und 2021 gab es einen Anstieg von 110% bei den Kunden, die Social Messaging als bevorzugten Kanal zur Lösung von Kundendienstproblemen angaben. 90% der Führungskräfte sind der Meinung, dass Soziale Netzwerke in den nächsten drei Jahren der wichtigste Kommunikationskanal sein werden, um mit bestehenden und potenziellen Kunden in Kontakt zu treten.
Je größer das Netzwerk, desto größer Vertrauen und Nachfrage
Damit ergänzen Messenger-Dienste den Aufbau des sogenannten Netzwerkeffekts in den Sozialen Medien. Zur Erinnerung: Dieser besagt, dass sich der Nutzen eines Produktes oder einer Dienstleistung für den individuellen Kunden mit jedem weiteren Kunden vergrößert.Also je größer das Netzwerk auf Social Media, desto begehrter das Produkt, desto mehr Vertrauen genießen die Unternehmen und umso kaufbereiter sind ihre Follower.
Gepaart mit einer gut durchdachten Customer-Experience in Form von Messaging, Service und Kontakt sind Unternehmen somit so nah am Kunden wie möglich, bieten diverse Touchpoints und binden ihre Kunden langfristig. Das gilt übrigens auch für B2B-fokussierte Produkte und Dienstleistungen.
Die Angst, unseriös zu erscheinen
Regelmäßig publiziert Linkedin seinen Social-Selling-Index; dieser misst den Einfluss verschiedener Social-Selling-Strategien auf den Unternehmenserfolg. Insgesamt erfüllen Vertriebsmitarbeiter, die aktiv Social Selling betreiben, demnach ihre Verkaufsquoten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von 51%.Doch trotz solcher Zahlen scheuen sich noch viele Unternehmen, ob B2B-Maschinenhändler oder B2C-Onlinestore mit großem Auftragsvolumen, vor der Nutzung von Social-Selling-Strategien – und gerade vor der Nutzung von Messenger-Diensten für Sales-Zwecke. Vielen kommt gleich der Begriff "unseriös" in den Kopf. Vertrieb, gerade B2B, erfolgt über Mail und Telefonate.
Beispiel Mexiko
Andere Länder sind uns da voraus, etwa Brasilien, die USA – oder Mexiko. Die Fluggesellschaft Volaris hat beispielsweise die Kundendienstanfragen von Telefon auf Chatbots umgestellt. Und zwar nicht irgendwelche Chatbots, sondern über Facebook.Der Facebook-Messenger ließ sich mit dem CRM-System des Unternehmens verbinden, aus welchem Mitarbeiter der Fluggesellschaft Anfragen direkt beantworten konnten; parallel und mit allen notwendigen Daten des CRMs direkt zur Hand. Nach sechs Monaten reduzierte sich bei der Airline die Bearbeitungszeit für Kundenanfragen um 29%. Die Kosten für die Kundenbetreuung sanken um 83%.

Marketing heißt auch Customer Experience
Warum aber dieser plötzliche Fokus auf Messenger-Dienste? Das Zauberwort heißt "Customer Experience". Denn Soziale Medien und Messenger-Dienste sind eine natürliche, einfach zugängliche und intuitive Kommunikationsplattform. Egal ob Facebook, Instagram oder Whatsapp – kaum ein Mensch hat nicht mindestens einen dieser Dienste direkt per App zugänglich auf dem Smartphone.Dem stehen die klassischen Support-Kanäle gegenüber: E-Mails mit Bearbeitungsnummer und tagelanger Wartezeit, Telefon-Hotlines mit ewig langer Warteschlangendudelei, unkonkrete FAQs, Chatbots auf der Website, auf die sich Nutzer erst navigieren und aktivieren müssen. Da ist der Griff zum Smartphone und dem schnellen Austausch auf dem Messenger-Service zugänglicher und komfortabler.
Händler sollten jetzt die Basis für Vertriebsteams schaffen
Inzwischen glauben mehr als zwei Drittel der Marketer, die für Customer-Experience verantwortlich sind: Der wahre Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen lautet heutzutage "Wer bietet das beste Kundenerlebnis"? Das ergab die "Gartner Customer Experience in Marketing Survey" bereits 2017. Und in einer weiteren Umfrage von Usersnap gaben 84% der befragten Unternehmen an, dass ein verbessertes Kundenerlebnis für einen Umsatzanstieg sorgt.Betrachtet man also die gegenwärtige Entwicklung, in der sich ein Gros unseres Alltages im digitalen Raum abspielt und Visionäre bereits in Metaversen und Web3 denken, spricht deutlich mehr für als gegen das Social-Selling-Konzept.
Handelsunternehmen müssen besser heute als morgen mit entsprechenden Strategien die Basis für ihre Vertriebsteams schaffen. Denn: Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein in den USA etabliertes Konzept auch in Deutschland durchsetzt. Und der frühe Vogel fängt bekanntlich den Wurm.