
Wenige Händler setzen die Mehr-Kanal-Strategie bisher gekonnt um. Die Düsseldorfer Unternehmer von Emmas-Enkel.de zeigen ein neues Konzept, das es im deutschen Lebensmitteleinzelhandel so bisher kein zweites Mal gibt: Sie verkaufen Fleisch, Obst und Gemüse im Internet. Dabei setzen sie zusätzlich auf die lokale Erreichbarkeit. Roland Fesenmayr, Vorstandsvorsitzender der OXID eSales, beschreibt die Learnings von Tante Emma 2.0.

Der Schlüssel zum erfolgreichen Multichannel liegt darin, den Kunden auf den jeweiligen Kanälen abzuholen.. Besonders in Deutschland ist das wichtig, Das Agieren auf mehreren Kanälen setzt bei den Kunden nicht nur Begeisterung für die neueste Technik, sondern vor allem Vertrauen voraus, denn für viele Kunden ist das Bestellen im Internet eine Vertrauensfrage.
So erklärt sich auch, dass -- anders als beispielsweise in der Schweiz und in Frankreich -- das Onlineshoppen von frischen Lebensmitteln hierzulande noch gar nicht verbreitet ist. Die Skepsis beim Verbraucher ist einfach zu groß. Wenn die Händler das verstehen, können sie entsprechende Mittel und Wege finden, um die Kunden auch für das Einkaufen von Lebensmitteln zu gewinnen.
Der deutsche E-Commerce kann aus dem Beispiel von Emmas Enkel drei Lehren ziehen: Erstens, der Online-Handel mit Lebensmitteln ist möglich. Zweites: Der Multichannel-Handel mit Lebensmitteln ist möglich. Drittens: Multichannel im Online-Handel ist möglich.
Die Düsseldorfer Unternehmer Benjamin Brüser und Sebastian Diehl haben im Herbst ein Geschäft eröffnet, das viel mehr ist als ein Tante-Emma-Lädchen und der mehr ist als ein Onlineshop. Das Geschäftsmodell vereint das Verkaufen vor Ort mit dem Verkauf über das Internet und das Smartphone. Wie das funktioniert?
1 Lokaler Aktionskreis
Das Unternehmen verkauft vor Ort in der Düsseldorfer Innenstadt und liefert die Waren an seine Kunden aus Düsseldorf und Umgebung. Somit haben die Kunden die Möglichkeit, in den Laden zu kommen und einzukaufen, so wie sie es seit eh und je gewöhnt sind.
2 Sanfter Übergang zwischen den Kanälen
Emmas Enkel führt die Kunden sanft an die Idee heran, Lebensmittel im Internet zu bestellen. Im Ladengeschäft gibt es ein kleines Café, die „Gute Stube“. Hier können die Kunden bei Kaffee und Kuchen ihre Einkäufe per iPad im Onlineshop erledigen. Der Kunde lernt dabei etwas Wichtiges: Er kann Lebensmittel mit einem guten Gefühl online bestellen. Die Zahlung erfolgt entweder beim Check-Out oder später an der Kasse, wenn der Käufer die gepackten Einkaufstüten an der Ladentheke abholt.
3 Vertrauen aufbauen

An den Rollläden außerhalb des Geschäftes können die Käufer per Smartphone ihre Lebensmittel ordern. Dieser Bestellkanal ist (wie der Onlineshop natürlich auch) rund um die Uhr zugänglich. Während in der „Guten Stube“ einige Kunden das Onlinekaufen zunächst einmal lernen oder ihre Scheu davor ablegen, richtet sich die Order per QR-Code die „early adopter“.
5 Auf allen Kanälen das gleiche Gesicht zeigen
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die konsequente Umsetzung des Geschäftsmodells auf allen Kanälen. Die Kunden erkennen das Unternehmen nicht nur wieder, wenn sie im Laden kaufen, sondern auch beim Kauf via Internet und Smartphone. Auch wenn sie den Lieferdienst von Emmas Enkel beauftragen und die Waren erst zu Hause entgegen nehmen, lässt das Design erkennen, welches Unternehmen gerade anklopft.
Emmas Enkel zeigt sich als ein Unternehmen zum Anfassen. Die Verkäufer im Ladengeschäft beraten die Kunden und plauschen mit ihnen. Im Onlineshop zeigt das Unternehmen seine Mitarbeiter in der Bildergalerie. Der persönliche Kontakt zum Unternehmen entsteht aber auch, wenn der Kunde die online bestellten Lebensmittel im Geschäft abholt. Und natürlich ist der Lieferdienst im Düsseldorfer Umkreis nicht zu unterschätzen, denn auch hier kommen die Kunden mit den Mitarbeitern ins Gespräch.
7 Eine Software für alle Kanäle
Bei der Shop-Software laufen alle Kanäle zusammen. Sie verwaltet und integriert die Warenwirtschaft, die Artikeldatenbank und die Kundendaten. Die Käufer können somit von allen Seiten auf die Waren zugreifen. Ihre Profile, die sie im Onlineshop angelegt haben, können sie auch immer und von überall her abrufen: wenn sie von zu Hause aus bestellen, per Smartphone und wenn sie am iPad in der „Guten Stube“ einkaufen.
Multichannel dem Geschäftsmodell anpassen

Doch Vorsicht: ein Modell lässt sich niemals eins zu eins für alle Händler und schon gar nicht für alle Branchen übernehmen. Jeder Händler benötigt ein eigenes Multichannel-Konzept, das zu seinem Geschäftsmodell passt. Folgendes Szenario zeigt beispielhaft, wie Multichannel in Zukunft etwa im Modebereich umgesetzt werden kann: Ein Modehändler betreibt seine Filialen am Produktions-Standort und verkauft national über den Onlineshop sowie über eine Mobile-App. Besucht nun ein Kunde aus einer anderen Region den Stammsitz, begrüßt ihn der Händler per Pushnachricht in der Händler-App und übermittelt als Willkommensgeschenk einen Einkaufsgutschein.
Der Kunde löst den Mobile-Coupon dann im Ladengeschäft ein, beispielsweise an einem Touchpoint-Terminal, das mit dem Onlineshop und der App verbunden ist. Der Käufer betritt über das Terminal seinen persönlichen Kundenbereich, den er bereits aus dem Onlineshop kennt. Der Erfolg dieses Konzeptes liegt darin, den Kunden über einen Kanal in das Geschäft zu holen und ihn für den Einkauf zu belohnen. Den Gutschein-Code erhalten nur die Onlinekäufer, die nicht aus der Region stammen -- und auch nur dann, wenn sie sich zum ersten Mal laut standortbasiertem Dienst am Stammsitz des Händlers aufhalten.
Fazit
Multichannel nimmt Kundenbedürfnisse ernst. Die Verbindung von Ladengeschäft und Onlineshop macht das virtuelle Einkaufen für die Kunden von Emmas Enkel erlebbar. Der Händler vollzieht das Kaufverhalten seiner aktuellen und künftigen Kunden nach, triggert Kaufentscheidungen und schafft effiziente Prozesse. Bei einem erfolgreichen Geschäftsmodell sind die Verkaufskanäle aufeinander abgestimmt und vernetzt. Die Shopsoftware bildet Logistik und Lagerverwaltung transparent ab und integriert Kundenbindungsprogramme und Services.
Über den Autor

Darüber hinaus ist er als Lehrbeauftragter an den Universitäten Furtwangen und Freiburg tätig undnimmt Aufgaben als Vorstand der bw:con wahr. Er ist Beirat an der Hochschule für Kunst, Design und Populäre Musik in Freiburg, sowie Mitglied des Kuratoriums der University Furtwangen.