Im Rahmen seiner Omnichannel-Strategie setzt die Buchhandelskette Thalia stark auf Personalisierung und Empfehlungen. Und das mit großem Erfolg.
Wohl keine Branche lebt so sehr von der Kunst der Verführung wie der Buchhandel. Das war schon lange vor dem Durchbruch des Internets so. "Ach kennen Sie eigentlich das neue Buch von...? Das werden Sie mögen!" Mit solchen Empfehlungen konnte der freundliche Buchhändler an der Ecke seinen Stammkunden neue Titel nahebringen. Wenn er denn den Geschmack seiner Kunden kannte.
Viele dieser freundlichen Buchhändler sind inzwischen im Ruhestand und werden sich wahrscheinlich wehmütig an die Zeiten erinnern, als eine Besprechung im Literarischen Quartett einen regelrechten Run auf den Titel auslöste. Ob Karasek oder Löffler das Buch gut oder schlecht fanden, spielte gar keine so große Rolle. Gekauft wurde es. Inzwischen überlebt der eine oder andere kleine Sortimenter nur durch extremste Spezialisierung oder durch die in Klassenstärke von Eltern oder Schulen bestellten Titel. Inzwischen kaufen viele Kunden ganz selbstverständlich ihre Bücher online.
Der Versuch, den Kunden zu kennen
Es ist eine Binse. Der Online-Händler kennt seine Kunden nicht persönlich. Er kann aber zumindest versuchen, ihn besser kennenzulernen. Und zwar durch die Dinge, für die er sich interessiert und die Produkte, die er gekauft hat. Bereits seit dem Jahr 2011 versucht Thalia, seine Kunden online besser kennenzulernen, um ihnen genau die Unterhaltungsmedien zu empfehlen, die sie dann mit großer Wahrscheinlichkeit kaufen werden. Seinerzeit testete das Unternehmen eine Eigenentwicklung für Produktempfehlungen und ließ sie gegen die prudsys Realtime Decisioning Engine (kurz: prudsys RDE) antreten.Das kommerzielle Produkt konnte das Duell für sich entscheiden und brachte einen Mehrumsatz im zweistelligen Bereich. Seitdem hat Thalia die Empfehlungsengine immer tiefer in die eigenen Prozesse integriert.
Neue Seiten auf allen Kanälen
Das Ziel von Thalia besteht darin, dem Kunden auf jedem Kanal Anregungen für den Einkauf zu liefern. Ob beim Gang in die Filiale, beim Besuch des Online-Shops, in der eigenen App und natürlich auch auf dem E-Reader Tolino. Und inzwischen spielt das Empfehlungssystem seine Daten in sechs verschiedenen Online-Shops aus.
Das ist auch technisch einer Herausforderung. Ein Loadbalancer ist nötig, um die Anfragen auf mehrere Server zu verteilen, die die Empfehlungen ausspielen. Damit auch noch Rechenzeit übrig bleibt, um die Lehren aus den Interaktionen der Kunden zu ziehen, sind die Lernprozesse davon losgelöst und laufen auf eigener Hardware.
Personalisierung – an fast jedem Touchpoint
In seinem Online-Shop personalisiert Thalia inzwischen alle wichtigen Seiten. Bereits auf der Startseite erhält der Besucher Empfehlungen zu neuen Produkten. Dies setzt sich dann auch auf den Detailseiten zu einzelnen Produkten und auch auf der Zwischenseite im Warenkorb fort. Zwei von vielen anderen Händlern vernachlässigte Bereiche spart Thalia hier nicht aus.Zum einen finden die Kunden auch auf der eigenen Merkliste individuelle Inhalte. Und liefert der Shop zu einem gesuchten Titel keinen Eintrag, lässt der Händler dieses Ergebnis so nicht stehen, sondern bietet auch an dieser Stelle weitere Empfehlungen.

Schaltet der Kunde seinen Tolino an, findet er bereits auf dem Startbildschirm Leseempfehlungen. Auch am Ende der Lektüre gibt es personalisierte Inhalte in der Rubrik "Gleich weiterlesen".
Kleinere Tücken stecken im Detail
Neben den rein technischen Herausforderungen, die zu lösen waren, stecken die berüchtigten Tücken auch schon einmal im Detail. So eignet sich eine Empfehlungsengine naturgemäß auch dafür, dem Kunden individualisierte Preise und Rabatte anzubieten.Was von der Logik einfach beherrschbar ist, ist zumindest bei Büchern in Deutschland nicht darstellbar. Denn hier herrscht die Buchpreisbindung. Rabattierungen sind gesetzlich nur dann möglich, wenn die Preisbindung aufgehoben ist. Das ist beispielsweise bei sogenannten Mängelexemplaren möglich. Diese Besonderheit ist inhaltlich bei Empfehlungen für Rabattaktionen natürlich eine Herausforderung.
Auch eine Besonderheit der Ware "Buch" stellt für das lernende System gelegentlich einen Stolperstein dar. Denn der gleiche Buchtitel erscheint unter Umständen in verschiedenen Variationen. Unterschiedliche Ausstattungen beim Buch, die englischsprachige Originalausgabe und dazu noch die E-Book-Version. Das sind aus Sicht des Systems verschiedene Alternativen, aus Sicht des Kunden natürlich ein und derselbe Titel. Angesichts der Masse an Empfehlungen und ausgespielten Inhalten sind dies indes nur Randerscheinungen.
Der Online-Händler kennt seine Kunden zwar nicht persönlich. Aber mit den richtigen lernenden Systemen und einer passenden Empfehlungsengine sind Händler wie Thalia nahe dran.