
Das „Start-up des Jahres 2011“ launcht dieses Angebot in Kooperation mit unabhängigen Designer-Labels, die die Technik intern bereits seit November 2011 testen. Bessere Anprobe für den Kunden, weniger Retouren für die Händler, so lautet das Augmented-Reality-Versprechen der revolutionären Anwendung.
Zu den teilnehmenden Marken zählen unter anderem die Shops von Fairqueen, Styleserver, Couture Society, Cleptomanix, nelou, Fairqueen und 7Trends, die in täglich wechselnden Aktionen aktuelle Kollektionstücke zu reduzierten Preisen anbieten wollen.
Interessenten können dazu auf der Website 100days.upcload.com ihre Körpermaße erfassen lassen und diese dann unter einem persönlichen Profil speichern. Darauf basierend gibt UpCload dann bei allen Produkten Empfehlungen zur jeweils passenden Kleidergröße und steht so im Internet als Einkaufs-Assistent zur Verfügung.
Ziel dieses Projekts ist es, den Anbietern von Designerwaren - für deren Produkte es oftmals keine Einheitsgrößen gibt- mittels dieser Technologie zu helfen, sich den Online-Versand als zusätzlichen Vertriebskanal zu erschließen.
Bereits im Vorlauf haben über 2.000 deutsche Probanden während einer zwölfmonatigen Testphase die Messgenauigkeit der Software überprüft. Für einen weiteren Probelauf konnte man den Outdoor-Anbieter The North Face gewinnen. Ausgewählte Kunden in den USA prüfen dort zurzeit die Alltagstauglichkeit des Dienstes.
Die Upcload-Anwendung ermittelt dabei Kleidergrößen, indem sie mit Hilfe einer Webcam den Körper des Nutzers „scannt“, anschließend dessen individuelle Maße berechnet und darauf basierend entsprechend eingegrenzte Größenempfehlungen abgibt.
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- Die UPcload-Gründer Sebastian Schulze und Asaf Moses
Durch die CD als Messreferenz, kann dann das Verhältnis zwischen den Größen in den Fotografien und den realen Daten bestimmt werden, da der Software durch das genormte Format des Datenträgers eine fixe Größe zur Berechnung des Maßstabs zur Verfügung steht.
Anwender müssen sich also nicht in einer bestimmten Entfernung zur Kamera positionieren, da ein Algorithmus deren Entfernung aus den Bilddaten selbständig ermitteln kann.
Nach der Messung kann der Nutzer sein persönliches Profil komplettieren und damit auf jeder Shopping-Website einkaufen, die dem Upcload-Netzwerk angeschlossen wurde.
Bisher können über diese Technologie jedoch lediglich die Körpermaße des Oberkörpers erfasst werden. Messansatzpunkte für den Bereich unterhalb der Hüfte, sowie für „Schattenzonen“, wie z.B. Bauchansätze sollen jedoch in der Zukunft folgen.
Langfristig plant der Dienstleister Smartphone-Apps für einen mobilen Selbstscan zum Einsatz im stationären Handel und peilt auch darüber eine Adressierung des Massenmarktes mit seiner Variante des Body Scanning an.
Sofern in der Produktion von Konfektionswaren vergleichbare Standards zum Setzen der Tags auf Seiten der Textilhersteller zum Einsatz gebracht würden, stünde diesem Vorhaben nichts im Wege, da Logistik- IT bereits jetzt schon die Möglichkeiten bietet, entsprechende Prozesse abzubilden.
Mangel an ausgereifter Consumer-Technologie und Skepsis in der Textilbranche
Die Idee, durch technische Innovationen das Retoure-Aufkommen im Fashion ECommerce zu senken und gleichzeitig die Kaufbereitschaft der Kunden zu steigern, verfolgen auch andere Software-Dienstleister.
Allgemein werden alle aktuellen Techniken jedoch noch als zu ungenau angesehen, da die 2D-Technologie bisher wenig anmutende Abbildungen menschlicher Körpermaße erzeugen soll. Die virtuelle Anprobe kneift in der Realität noch.
Zwar testen selbst große Online-Retailer wie Otto auf ihren Facebook-Seiten „Virtuelle Anproben“, dennoch sind Branchenkenner weiterhin skeptisch. Es scheint als warte man ab, bis sich neue Techniken wie 3D-Kameras und fortschrittlichere Augmentend-Reality-Lösungen (z.B. Kinect) im Consumer-Bereich etabliert haben.
Weitere Bedenken werden im Bereich des Datenschutzes und bezüglich der Größe der anfallenden Datenvolumina geäußert, da deren Ausmaße kleinere Händler überfordern könnten. Die Kosten-Nutzen-Relation wird in Frage gestellt und auch aus dem Marketing kommen bisweilen Zweifel: Sollten sich die angepriesenen Lösungen nicht zu einer höheren Passgenauigkeit führen, könnten die Kunden enttäuschter sein, als wenn ihnen gar kein Größenversprechen gegeben worden wäre.
Zukunftswette mit ungewissem Ausgang
Obwohl Bedenken sicherlich angebracht sind, sind derlei Zweifel jedoch auch kritisch zu hinterfragen. Investitionen dieser Art kosten Geld, bergen Unsicherheiten und können Kunden verärgern.
Es ist jedoch trivial, neuen Technologien bereits in ihrer Entwicklungsphase eine negative Kosten-Nutzen-Relation anzulasten und die pauschale Sorge, Händler könnten unter den umfangreichen Datenvolumina erdrückt werden, zeugt von einer relativ geringen Kenntnis über die Möglichkeiten moderner Cloud-IT-Lösungen.
Des Weiteren ist die Angst davor, seine Kunden mit experimentellen Lösungen verprellen zu können, nicht zwingend ein Belege für vorausschauende Vorsicht, sondern könnte als auch Zeichen für mangelndes Vertrauen in die eigene Markenpolitik interpretiert werden.
Erst dann zu investieren, „wenn die Zeit reif ist“, könnte sich als Fehler erweisen.
Eine Technologie zu Vermessung &Matching von Kleider- und Körpermaßen ist komplex. Sollte es jedoch jemand schaffen, hier eine markttaugliche Lösung für Konfektionsware zu veröffentlichen, dann wird derjenige auch berücksichtigt haben, wie er seine Algorithmen als immateriellen Vermögenswert sichern kann und diesen Innovationsvorsprung sowie etwaige Wettbewerbsvorteile entsprechend zu schützen wissen.
Bis dahin verbleibt wohl jedoch der Begriff der „Retoure-Optimierung“ im Fashion Commerce noch in aller Munde und stellt dabei weiterhin einen Widerspruch in sich dar. Es gibt nur eine Möglichkeit eine Retoure zu „optimieren“: Dafür zu sorgen, dass es diesen Rückläufer nicht gibt.
In diesem Sinne wäre es also wünschenswert, wenn die genannten Bedenken nicht als Zögern interpretiert werden müssten, sondern vielmehr als ein Akt der Cleverness: Wer seine „ Zweifel“ öffentlich äußert, hat schließlich gute Chancen, die Wettbewerber bezüglich seiner wahren Ambitionen zu täuschen.