Das muss man auch erstmal schaffen als Unternehmenschef: Gewinne scheffeln, aber an der Börse auf die Mütze bekommen. Fragen Sie mal, wie sich Amazon-Chef Jeff Bezos jetzt fühlt. Fragen Sie auch mal bei Google-Mitarbeiterinnen über das Betriebsklima nach. Fragen Sie auch gerne bei Intersport nach, wie es jetzt so ist, mit einem ehemaligen Bundeswehrsoldaten an der Spitze.

Es war keine gute Woche für Technologie-Unternehmen - und deren Aktionäre. Die Kurse verloren derart an Wert, wie man es sonst nur noch von den Unionsparteien und der SPD bei Landtagswahlen gewohnt ist. Und deswegen spürt Amazon-Gründer Jeff Bezos neuerdings den heißen Atem vom direkten Verfolger Bill Gates im Nacken. Bezos ist als reichster Mensch unter der Sonne etwas ärmer geworden, denn infolge des abgesagten Amazon-Kurses, verlor er innerhalb zweier Börsenhandelstage 19,2 Milliarden Dollar. 

Damit löst er als neuer Rekord-Loser Mark Zuckerberg ab, dem im Juli mal eben 16,5 Milliarden Dollar Vermögen versenkt wurden, weil auch die Aktie von Facebook nicht mehr so dolle lief. Und für den Gründer des "Rückgrats der sozialen Medien", wie es einmal der Hunkemöller-Chef Philip Mountford im Gespräch mit Etailment formulierte, kommt es immer schlechter.

Wenn die Facebook-App gelöscht wird

Wachstum?
Geht so.

Allein im EU-Raum verließen in den zurückliegenden drei Monaten rund 1 Million Nutzer das Portal. Und in den Vereinigten Staaten entfernten zuletzt 26 Prozent der Erwachsenen die Facebook-App, wie eine Umfrage des US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research ergeben hat. Schludrigkeiten beim Datenschutz straft der Verbraucher eben ab, da helfen auch keine liebevoll inszenierten Imagekampagnen.
Steffen Gerth, Redakteur bei Der Handel und Etailment
© Aki Röll
Steffen Gerth, Redakteur bei Der Handel und Etailment
Eine Imagekampagne braucht demnächst auch Google, wo am Donnerstag die Mitarbeiter weltweit gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz demonstriert haben. Unschöne Schlagzeilen waren das für das Unternehmen, vor allem, nachdem bekannt wurde, dass die 48 wegen Übergriffigkeit entlassenen Manager teils sagenhafte Abfindungen bekommen haben. Da musste dann Google-Chef Sundar Pichai in der "New York Times" zugeben, dass "Momente wie diese zeigen, dass wir es nicht immer richtig gemacht haben."

Kann man so sehen. Und wenn bald noch mehr Länder als Großbritannien von den Techgiganten eine Digitalsteuer verlangen, könnte manche Party vorbei sein. Auch für Anleger.

Gewinne? Aktienabsturz!

Da kann man einen Mann wie den Pfälzer Baumarktkönig Albrecht Hornbach schon verstehen, wenn er den Hype um Techfirmen vergleicht mit dem Irrsinn des Neuen Marktes rund um die Jahrtausendwende, als jedes poplige Start-up an der Börse gehandelt wurde wie ein Unternehmen, das das Mittel für ewiges Leben erfunden hat. 

Allerdings sind viele Highflyer von damals verschwunden (wie auch viele in sie investierte Vermögen), von Amazon und Google wird man das so schnell nicht sagen. Zumal das Absurde ja ist, dass Amazons Aktienkurs einbrach, obwohl es auch zuletzt für das dritte Quartal 2018 einen Rekordgewinn auswies, auch Google war jetzt nicht gerade erfolglos. Trotzdem sacken die Kurse ab - weil den Analysten die jeweiligen Gewinne nicht genug waren.

Amazon und die stationären Läden in Deutschland

Gaga, irgendwie. Das vierte Quartal dürfte für Amazon sogar noch grandioser ausfallen, denn es ist nicht zu erwarten, dass die Menschen weniger Weihnachtsgeschenke online bestellen als im vorigen Jahr. Und im nächsten Jahr wird es gewiss aufregend weitergehen, denn dass Amazon in Deutschland stationäre Läden sucht, ist schon fast keine Nachricht mehr.

Wer auf der Gewerbeimmobilienmesse Expo Real vor knapp vier Wochen in München mit namhaften Immobilienmaklern darüber gesprochen hat, erntete auf entsprechende Fragen vielsagendes Grinsen. Nur: Mit welchen Sortimenten Amazon in den stationären Handel einziehen will, blieb unbeantwortet.

"The train has left the station"

Vieles unbeantwortet gelassen haben diese Woche auch Knud Hansen und Alexander von Preen, aber dafür haben sie viel gesprochen. Der eine ist der Aufsichtsratsvorsitzende von Intersport, der andere seit Donnerstag offiziell Vorstandsvorsitzender der Sportartikelhandel-Genossenschaft. Und wenn so ein Verbundgruppenschwergewicht einen neuen Chef hat, dann muss dieser Interviews geben, sicherheitshalber nur in sorgfältig ausgewählten Medien, denn die Lage bei Intersport ist ernst. In der "Süddeutschen Zeitung" sprach van Preen alleine, in der "Textilwirtschaft" sekundiert von Hansen, der seinen neuen CEO einst als Kienbaum-Berater engagierte, um Intersport zu modernisieren. 
Hübsche, dynamische Sätze haben da beide immerhin aufgesagt. Hansen etwa diesen: "Wie heißt es so schön: The train has left the station. Wir haben uns auf den Weg gemacht und werden nicht auf die Bremse treten." Und von Preen: "Ich bin kein Manager, der von hinten die Organisation anschiebt. Ich will führen und mir so Vertrauen und Akzeptanz erarbeiten. Das habe ich so als Offizier gelernt." Na dann, Sprung auf, Marsch, Marsch, liebe Genossen.

Die Flächenerträge sinken...

Es gibt viel zu tun für von Preen, denn seine Sportartikelhändler kämpfen mit immer schwächeren Flächenerträgen, der Kassenstand des Regiebetriebs Voswinkel erinnert an den aktuellen italienischen Staatshaushalt, und das Verhältnis zur Industrie befindet sich dank seinem knackig-forschen Vorgänger Kim Roether im Zustand der Reparaturbedürftigkeit. 
Intersport: Der Zug ist losgefahren. Hoffentlich nicht abgefahren.
© Intersport
Intersport: Der Zug ist losgefahren. Hoffentlich nicht abgefahren.
Und dann ist da ja noch das Thema Karstadt. Im Januar feierte Intersport die strategische Partnerschaft mit Signa Sports und die Aufnahme deren Tochter Karstadt Sports in die Zentralregulierung. Heißt: Karstadt kauft über Intersport ein. Für die Intersport-Umsätze war dieser Deal nicht schlecht.

Aber: Wer viel einkauft, bekommt bei einer Verbundgruppe auch eine ordentliche Rückvergütung. Wenn Signa Retail Sport sämtliche Umsätze über Intersport abrechnet, dann kommt da schnell ein Betrag von 10 Millionen Euro zusammen, den Intersport überweisen muss.

...und die Konkurrenz expandiert

Ein schöner Batzen, den Karstadt Sports wiederum in den Ausbau des eigenen Filialnetzes investieren dürfte - die entsprechenden Ambitionen hatte ja Unternehmenschef Thomas Wanke öffentlich gemacht, indem er davon sprach, "neue Sportflächen innerhalb und außerhalb der Warenhäuser und der bestehenden Sporthäuser" zu schaffen.

Wenn Hansen zu der Kooperation sagt, dass diese seine Mitglieder relativ neutral wahrgenommen hätten, dann sind vorsichtige Zweifel angesagt.

Decathlon kann alles und vor allem: billiger

Denn den kleinen Intersport-Händler graust es nicht nur beim Thema Signa/Karstadt. Schießlich klotzen ja auch die französischen Sportsfreunde von Decathlon ihre lagerhallenähnlichen Läden mit billigsten Eigenmarken mit einer Wucht ins Land, dass der Verbraucher kaum noch lange nachdenken muss, wo er seine Funktionshemdchen für den Waldlauf kaufen soll. Oder ein Rennrad. Oder einen Rucksack.

1.600 Produktmanager in der Decathlon-Zentrale im französischen Lille lassen sich schon genug einfallen, womit man den deutschen Sportskameraden erfreuen kann.

Deutschlands neuer Gegner: Aserbaidschan

Und weil wir mit Absteigern begonnen haben, enden wir auch damit. Diesmal gehts ums Ganze, wie einmal ein Wahlwerbeslogan der FDP hieß. Es ist nämlich kein gutes Jahr für Deutschland, wer die Fußball-WM im Kopf hat, wird sofort mit demselben nicken. Dann sind da noch die mutmaßlichen Dieselbetrügereien der Autohersteller, Bettina und Christian Wulff haben sich schon wieder getrennt - und neuerdings ist Aserbaidschan ein Konkurrent.

ASERBAIDSCHAN!

Denn dieses Land rangiert direkt hinter Deutschland in der Liste der innovativen Länder der Welt. Das World Economic Forum hat nämlich einen Standortbericht verfasst, der nicht gut für Schwarz-Rot-Gold ist. Denn in diesem Bericht steht das Land, das künftig ein Lobbyist einer internationalen Fondsgesellschaft regieren will, auf Rang 24, vier Plätze schlechter als im Vorjahr. 
Das sind die Berge Aserbaidschans: Ein alter Laster der UdSSR, ein junges Huhn. Harte Zeiten für Deutschland.
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Das sind die Berge Aserbaidschans: Ein alter Laster der UdSSR, ein junges Huhn. Harte Zeiten für Deutschland.
Von 190 Ländern landet Deutschland gar nur auf Rang 114 beim Thema Unternehmensgründung. Zähe Prozesse, bürokratische Erschwernisse und langwierige Genehmigungswege sorgen für schlechte Laune von Gründern. Was in Deutschlands Amtsstuben acht Tage dauert, wird in Neuseeland innerhalb von vier Stunden abgearbeitet. Und wer Grundstücke oder Immobilien kaufen will, muss sehr gut frühstücken, denn hier werden für sechs Arbeitsschritte 52 Arbeitstage benötigt. 77 Länder sind hier schneller. 

Wenn Amazon demnächst hier also Läden eröffnen will, wünschen wir Jeff Bezos an dieser Stelle alles Gute für das Jahr 2019.

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