Kaufland ballert seit Monaten die Welt voll mit Mitteilungen über umweltschonende Lebensmittel in den Regalen. Klingt ja gut, ist aber nur eine gewaltige Reparationsleistung, die auch noch spät kommt. Besser still sein sollte jetzt eine nassforsche Kekserbin, die es in eine Liga mit anderen Fettnäpfchen-Peinlichkeiten geschafft hat. 

So, Kaufland, es reicht. Wirklich. Genug. Schluss. Bitte, bitte. Gewiss, ihr habt erkannt, dass wir die Umwelt retten müssen, dass der Planet absäuft und heiß läuft, dass der Plastikmüll sogar in den tiefsten Tiefen der Ozeane angekommen ist. Und warum? Weil auch ihr, Kaufländer, jahrelang jede Gurke und jede Tomate in Plastik gestopft habt, ebenso das Mineralwasser, das Hackfleisch, und was noch alles. 
Steffen Gerth, Redakteur bei Der Handel und Etailment
© Aki Röll
Steffen Gerth, Redakteur bei Der Handel und Etailment
Erst jetzt fangt ihr an, diesen Irrsinn zu beenden. "Kaufland verzichtet nach und nach auf den Verkauf der Einweg-Plastiktragetaschen", titelte die Pressemeldung vom Donnerstag. Zwei Tage davor: "Statt einer Plastikschale wird beim Hackfleisch künftig ein Karton verwendet, der nur mit einer dünnen Plastikfolie ausgekleidet ist."

Von Gurken und Steuergeschenken

Vor ein paar Wochen wurde die Gurke von der Plastikfolie befreit – selbstverständlich gabs auch dazu eine Mitteilung. Wie zu den Kartoffeln mit weniger Kohlehydraten, dem Schweinefleisch ohne Gentechnik und dem Bio-Champagner. Sollen wir jetzt auch noch Hurra rufen? Herrjeh, ist ja alles grundsätzlich richtig, aber die Einsicht kommt spät und vorher lief halt sehr viel falsch.

Das ist so wie mit den für viel Steuergeld begradigten Flüssen und Bächen, die daraufhin tot vor sich hin flossen und bei Schneeschmelze oder viel Regen so anschwollen, dass in sagenhaft hohem Tempo Städte und Dörfer überschwemmten. Und der Staat sofort Steuergeschenke austeilen musste, um  Menschen zu beruhigen oder Bundeskanzler die Wahlen gewannen.

Wenn Natur wieder Natur sein darf

Vergewaltigung ist nicht gut für die Natur und auch nicht für die Menschen. Also "re-naturieren" wir jetzt Bäche, auch Wälder und Seen. Wieder mit viel Steuergeld übrigens. Damit aus Kanälen wieder Flüsse und Bäche werden mit Biegungen, Ufern, Auen – und sogar Pflanzen und Tieren drin. Schon irre: Erst zerstören Menschen entgegen aller Warnungen, dann müssen sie zwangsläufig reparieren: und lassen sich für diese Selbstverständlichkeit auch noch feiern. 

Michael Rummenigge: Ich bin es wert

Das ist bei Kaufland (und all den anderen Supermärkten, die jetzt Verpackungen überdenken) nicht viel anders anders. Erst wird den Verbrauchern jahrelang irgendein Mist verkauft. Und jetzt, da die Schulkinder und zahlenden Kunden der Zukunft freitags für eine bessere Umwelt blaumachen und der Deutsche Wetterdienst vor einem noch schlimmeren Dürresommer warnt, drehen die Händler an der Gesundheits- und Nachhaltigkeitsschraube – und halten PR-Festpiele ab.

Fair? Geht, wenn man es will

Nähmen die Händler es ernst mit der Nachhaltigkeit, könnten sie auch sagen: Wir erweitern unser Sortiment mit Fairtrade-Produkten drastisch, weil wir uns um die Landwirtschaft sorgen und Lebensmittel lieben, und legten dann nicht nur ein paar Bananen fürs Image in die Auslagen. 1,6 Milliarden Euro wurden 2018 in Deutschland mit fair gehandelten Produkten erwirtschaftet – ein mikroskopisch kleiner Wert im Vergleich zum gesamten deutschen Lebensmitteleinzelhandels, der 160 Milliarden Euro im Jahr umsetzt.

Aber Wirtschaft ist halt nicht fair. Die einen verstecken ihre Gewinne in Steueroasen in der Karibik oder undurchsichtigen Gesellschaftskonstrukten in Europa, andere mauscheln in Wurst- und Bierkartellen und die Autoindustrie ist erfinderisch bei der Herstellung von "sauberen" Diesel-Fahrzeugen. 

Immerhin ist Verena Bahlsen ehrlich. Weil sie nicht clever ist.

Es gibt aber auch Vertreter der Wirtschaft, die mit einer Impertinenz daherkommen, dass ernste Worte angebracht sind. Die Rede ist von der Kekserbin Verena Bahlsen, die stolz darauf ist, Kapitalistin zu sein, denn "ich will Geld verdienen und mir Segeljachten kaufen von meiner Dividende und sowas". Das Gute an so einer Aussage ist immerhin, dass jemand die Wahrheit über die Unternehmer sagt. Es geht ihnen ums Geldverdienen, vor allem ums Geldverdienen.
© etailment
Das ganze humanistische Gedöns, was oft zu hören ist ("Verantwortung für die Gesellschaft, für den Menschen und die Natur" usw.) gehört zur Rhetorik-Folklore, denn ohne Gewinne ist es schnell aus mit der Verantwortung. Das geht vielen auf den Keks. Ganz offensichtlich hat Frau Bahlsen noch nicht viel Erfahrung damit, den Ur-Sinn des Unternehmertums samtiger zu umschreiben, mit sozialer und ökologischer Verantwortung, und sowas eben.

Mit ihrer wohl provokativ gemeinten Plumpheit erinnert die Kekskapitalistin an den früheren Fußballprofi Michael Rummenigge, der vor Jahrzehnten einen Schlosser am Telefon öffentlich aufs Schäbigste abkanzelte, als dieser sich darüber beklagte, dass die Fußballspieler so viel Geld verdienen würden: "Von Ihnen gibts ja auch 50.000."..."Jeder muss halt selber wissen, was er mit seinem Marktwert anstellt." 

Schnell mal "Bild" anrufen

Dass Frau Bahlsen dann auch noch lässig die während der NS-Zeit in der Keksfabrik ackernden Zwangsarbeiter sinngemäß zu normalen Mitarbeitern beförderte ("Das war vor meiner Zeit und wir haben die Zwangsarbeiter genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt.") wird auch durch ihre krampfig daherkommende öffentliche Bitte um Entschuldigung nicht besser. Da haben ihr wohl ein paar Berater empfohlen: "Puh, Verena, wir müssen mal schnell 'Bild' anrufen und etwas dazu sagen, das alle mitbekommen." Und eine Pressemitteilung war Bahlsen dieses Peinlichkeit auch noch wert. 

Robert De Niro: Gruß von der Bagels-Mafia

Innerhalb weniger Tage hat Verena Bahlsen mit diesem Mangel an Verantwortungsbewusstsein sich und das Familienunternehmen in eine Imagefalle manövriert, aus der beide so schnell nicht wieder herauskommen werden. Da erinnert man sich auch an die Abtreibungsgegnerin Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die auf ewig von ihrem Klassiker verfolgt werden wird: Afrika habe ein Aids-Problem, meinte sie in einer Talk-Show 2001, nicht wegen mangelhafter Aufklärung beim Thema Verhütung, sondern, "weil der Schwarze gerne schnaxelt".

Danke, Robert de Niro

Es gibt auch erfreuliche Neuigkeiten. Aus der Welt der Backwaren, das ist der Werbespot von Warburtons, einer britischen Bäckerei. Zu sehen sind zwei Minuten Mafia-Story im Kino-Format mit Robert de Niro in der Hauptrolle, die er so gut ausfüllt, dass wir ihm den routiniert runtergespielten Trivialquatsch wie "The big Wedding" oder "Dirty Grandpa" gerne verzeihen. Wer das Mafia-Festival "Goodfellas" mag, sollte ab jetzt nur noch Bagels von Warburtons kaufen.

Mal sehen, wann diese ins Kaufland-Sortiment aufgenommen werden.

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