Sie haben sich gut verstanden und nett miteinander geplaudert: Amazon-Chef Ralf Kleber und der Laufsporthändler Jost Wiebelhaus waren in dieser Woche im Digital Talk von Marcus Diekmann zu sehen. Doch Geschäftspartner werden beide so schnell nicht. Das verhindert zumindest Streit, wie er gerade zwischen den Geschäftspartnern Edeka und Beiersdorf entstanden ist. Streiten kann man zwar immer über Werbespots, aber bei zwei aktuellen aus dem Handel gibt es einen klaren Sieger.

Es war am Dienstag eine nette Plauderstunde mit zwei Branchenvertretern, deren Unterschiede kaum größer sein können. Hier Ralf Kleber, gefühlt seit Erfindung des Internets Chef von Amazon Deutschland. Dort Jost Wiebelhaus, Inhaber des Frankfurter Laufshops. Beide waren diesmal Gäste der Videogespräche von Rose-Bike-Chef Marcus Diekmann im Rahmen seiner Aktion "Händler helfen Händlern". 

Man hatte so allerlei Nettes erfahren von Kleber, etwa, dass er auch Fußballtrainer ist. Wer er ein bisschen das Internet bemüht, findet auch schnell heraus, wo. Er betreut die C-Jugend des bayerischen Vereins SC Weßling. Gut, dass dieses Gespräch nicht an diesem Freitag geführt worden ist, denn sonst hätte Marcus Diekmann Kleber einige unangenehme Fragen stellen müssen, deren Antworten alle Händler interessieren dürften, die auf dem Amazon-Marktplatz handeln. Denn laut  "Wall Street Journal" soll Amazon in den Vereinigten Staaten Daten von Verkäufern genutzt haben, um anhand dieser Erkenntnisse eigene Produkte entwickelt zu haben. Die Zeitung stützt sich dabei auf Aussagen eines aktuellen Mitarbeiters sowie ehemaliger Beschäftigter von Amazon.

Die kernigste Passage in dem Zeitungs-Text ist dabei diese: "Wir wussten, dass wir es nicht tun sollten", sagte ein ehemaliger Mitarbeiter, der auf die Daten zugriff, und beschrieb ein Muster der Verwendung dieser Daten zur Einführung und zum Nutzen von Amazon-Produkten. "Aber gleichzeitig stellen wir Amazon-Markenprodukte her, und wir wollen, dass sie sich verkaufen". 

Gallery: Nach dem Lockdown: Die Zeil erwacht


 
Selbstverständlich hat das Unternehmen zügig dementiert, in dem Fall beim US-amerikanischen Portal The Verge: "Wie andere Einzelhändler schauen wir uns Verkaufs- und Geschäftsdaten an, um unseren Kunden die bestmögliche Erfahrung zu bieten", schreibt Amazon. "Wir verbieten unseren Mitarbeitern jedoch strengstens, nicht-öffentliche, verkäuferspezifische Daten zu verwenden, um zu bestimmen, welche Eigenmarkenprodukte auf den Markt gebracht werden sollen. Obwohl wir nicht glauben, dass diese Behauptungen zutreffend sind, nehmen wir diese Anschuldigungen sehr ernst und haben eine interne Untersuchung eingeleitet".

Soziale Medien als Bestandteil der Kundenkommunikation

Wiebelhaus war bisher kein Onlinehändler, sein Laufladen mit 140 Quadratmeter Fläche ist ein ur-stationäres Fachgeschäft, spezialisiert, mit hohem Beratungsanspruch und großer Fangemeinde in und um Frankfurt. Aber Wiebelhaus ist kein digitaler Verweigerer, denn die sozialen Medien nutzt der gelernte Banker seit Jahren trefflich zu Marketingzwecken. Instagram ist dabei längst sein bevorzugter Kanal für die Kundenkommunikation.
Steffen Gerth, Redakteur bei Der Handel und Etailment
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Aber Onlinehandel war für ihn bisher aus guten Gründen kein Thema, doch in der Zeit des Lockdowns musste er sich rasend schnell damit beschäftigen. Einen richtigen Shop hat er zwar nicht eingerichtet, sein Angebot war mehr ein Bringdienst, bei dem etwa per Whatsapp bestellt werden konnte. Das lief ganz gut, aber noch besser war es eben für Wiebelhaus, als dieser am Montag wieder seinen Laden ums Eck der Zeil aufschließen konnte.

Warten auf die Amazon-Quartalszahlen

Der Frankfurter Laufsportexperte wird so schnell kein Onlinehändler. Nicht nur deswegen antwortete er am Dienstag auf die Frage von Marcus Diekmann, ob er auf dem Amazon Marktplatz verkaufen werde, wie folgt: "Stand heute: nein." Dieser "Stand heute" wird auch "Stand morgen," "übermorgen" und "nächste Woche" sein. Denn Wiebelhaus wird einen Teufel tun und sich als kleiner Fachhändler dem Preiskampf im Internet aussetzen, dafür eine teure Logistik aufbauen - um am Ende auch noch 15% Verkaufsgebühren an Amazon abzudrücken. Und wenn er jetzt noch befürchten muss, dass seine Daten, nun ja, "angeschaut" werden, dann sinkt die Lust auf eine Geschäftsbeziehung noch mehr.
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Aber Amazon ist eben maximal endkundenzentriert, Handelspartner haben es bekanntermaßen nicht immer leicht. Und dieses Endkundengeschäft hat der Internetkrake in der Coronakrise ein derart bombastisches Geschäft beschert, dass alle Welt gespannt den 30. April erwartet, wenn Amazon seine Zahlen fürs erste Quartal dieses Jahres verkünden wird. Die Kurve des Aktienkurses erinnert nach dem kurzzeitigen Absturz der Weltbörsen längst wieder an die Eiger Nordwand. 

Der März hat vier Wochen

Überhaupt dürften um diese Zeit noch ein paar mehr Zahlen aus der Onlinehandelsbranche vorliegen, die sehr wahrscheinlich die Zwischenbilanz des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (BEVH) relativieren. Denn der Verband hatte Anfang April von einem Umsatzeinbruch von 18,1% im deutschen Onlinehandel berichtet. Der Sortimentsbereich Unterhaltungselektronik verlor demnach um 21%, Computer und Zubehör verzeichnete trotz der Ausgaben für Homeoffice-Lösungen einen Rückgang um fast 23% Prozent, heiß es.

Das hatte verblüfft.

Eine Erklärung: Für diese Statistik wurde die letzte Märzwoche nicht berücksichtigt, und das könnte die Bilanz beeinflusst haben. Die Verbraucher hatten sich ja dann zudem berappelt und kauften allmählich wieder ein. Das dokumentiert der BEVH auch in seinem Corona-Barometer - und das belegen auch ein paar Zahlen, die Unternehmen verbreitet hatten. "In den vergangenen Wochen ist unser Online-Geschäft stark gewachsen", schreibt etwa Ceconomy, Mutterkonzern der Elektronikhändler MediaMarkt-Saturn. So wuchsen im März die Internetverkäufe um 98%.

Nur Umsatzplus

Frank Hasselmann, Deutschlandchef des Technikhändlers Galaxus, sprach bei etailment von einer Verdreifachung des Märzumsatzes im Vergleich zum Vorjahr. Notebooksbilliger.de meldet eine Zunahme an Verkäufen, besonders von Geräten, die für mobiles Arbeiten notwendig sind, also Notebooks, Monitore & PC-Systeme. 

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Aber nicht nur Online-Elektronikhändler legten im ersten Quartal kräftig zu - auch der Premiummöbelhändler Connox aus Hannover wuchs in den ersten drei Monaten geradezu atemberaubend. Denn im Vergleich zum Vorjahresquartal betrug das Umsatzplus 70% auf nunmehr 12 Millionen Euro. Das war wie ein Weihnachtsgeschäft, hieß es. Aber: Die anhaltende Coronakrise habe zwar einen positiven Effekt auf den Online-Handel, verursache jedoch erhöhte Kosten und belaste dadurch das Ergebnis des Unternehmens, teilt Connox mit.

Bekommen alle Kassierer bei Edeka die Prämie?

Gewisse Coronakosten werden auch anderswo ein diskutiert - bei den Großgewinnern der Krise: dem Lebensmitteleinzelhandel. Am Anfang begnügten sich die Edeka, Rewe und all die anderen noch, dem Supermarktpersonal ein paar kostenlose Motivationshilfen zukommen zu lassen. Vielleicht merkte dann irgendwann jemand, dass das ja bisschen peinlich ist, angesichts der gewaltigen Umsätze, die man derzeit erzielt. Also gabs etwas Handfestes. Bis zu 250 Euro Zuschläge wurden etwa an die Edeka-Leute ausgegeben. Theoretisch. Denn der Verdi-Gewerkschafter Jörg Lauenroth-Mago hatte bereits im MDR moniert, dass nicht jede Kassiererin von der Ausschüttung profitiere. Denn: Edeka ist ja genossenschaftlich organisiert, also eine Verbundgruppe. Es gibt Märkte, die werden von der Zentrale geführt, andere von selbstständigen Marktleitern. Und diese sollen über die Sonderzahlung, die die Zentrale ausschüttet, nach eigenem Ermessen verfügen, klagt der Verdi-Mann. 

Edeka ist sauer auf die Hautcreme-Leute

Etwa 376.000 Mitarbeiter umfasst das blau-gelbe Edeka-Reich, und wenn viele davon 250 Euro geschenkt bekommen, summiert sich das schnell auf einen Millionenbetrag. Da überrascht es nicht, wenn sich jetzt Deutschlands größter Lebensmittelhändler das Geld wieder reinholen will - oder wenn er böse wird, weil die Industrie mal eigene Forderungen anmeldet. Die "Lebensmittel Zeitung" berichtet über einen hübschen Streit zwischen Edeka und dem Beiersdorfkonzern, der wegen seine neu gestalteten Verpackung der Nivea-Creme die Preise anhob. 
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So gehts nicht, mault Edeka entrüstet, wohl, weil man ja bisher immer ganz ordentlich der Industrie erklärte, welche Preise gut zu sein haben. Aber jetzt kommen diese frechen Hamburger Hautcreme-Leute und wollen eigene Interessen anmelden - erst recht, nachdem sie in der Coronakrise gut verdient hätten. Na also, sowas. 

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Mal sehen, ob daraus wieder eines dieser üblichen Hickhacks wird mit dem trotzigen Auslisten von Produkten, fein lancierten Presseberichten - und einem zurechtgequälten Happy End, bei dem beide Seiten so tun, als wäre alles nur ein Versehen gewesen. 

Der personelle Mehraufwand hat seinen Grund

Rewe muss die Boni für die Helden der Supermarktes selbstverständlich auch wieder refinanzieren, man ist ja kein Sozialwerk. Also, zack, einen Brief an die Lieferanten aufgesetzt, in dem diese aufgefordert werden, "trotz teils ausbleibender Vermarktungsaktionen Werbekostenzuschüsse zu gewähren", wie nochmals die "Lebensmittel Zeitung" schreibt. "Erheblicher personeller Mehraufwand" in der "akuten Gefährdungslage" hätten halt die Kosten nach oben getrieben, hat Rewe geschrieben. Was Rewe vielleicht auch hätte schreiben sollen: Der personelle Mehraufwand war möglicherweise auch deswegen notwendig, weil die Deutschen, als nur die Supermärkte offen waren, gekauft hatten, als gelte es, das Abendland zu retten. 

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Ja, gut, wenn man als Mehraufwand auch die Prämien für das rackernde Personal versteht, dann wird es wieder klar. Und wenn dann Rewe eben sich dieses Geld von den Lieferanten zurückholt, dann gehört das eben zu den Gepflogenheiten dieser Branche. Mildtätigkeit hat ihren Preis.

Rossmann versucht es, was Porta gelingt

Zum Schluss noch zwei aktuelle Werbespots zur Erbauung und zum sanften Gleiten ins Wochenende. Früher hieß es freitags ja: Stau auf der Autobahn. Heute wird vom Küchentisch zur Couch gewechselt, ohne über das Kinderspielzeug zu stolpern. Corona sorgt für ein anderes Leben. Corona sorgt aber auch für eine andere Kundenkommunikation, manches ist dabei gut gemeint, anderes gut gemacht.

Was etwa eine Drogerie wie Rossmann mit der deutschen Clubszene verbinden soll, wird auch durch diesen neuen Werbespot nicht klar. Der Film wirkt schwer bemüht, etwa so wie in "Tatorts" Jugendmilieus inszeniert wurden. Aber die Musikauswahl hat Stil, und dafür sorgt das DJ-Projekt "Discoboys", hinter dem Raphael Krickow und Gordon Hollenga stecken. 

Wenn es bei Rossmann dampft

Stimmiger und lustiger inszeniert ist hingegen die Botschaft von Porta Möbel. Wer coronabedingt daheim bleiben muss, kann daraus das Beste machen. Und wenn dabei das Material nachgibt, muss er eben wieder zum Möbelhändler.

Besser Ruckeln mit Porta



In diesem Sinne: Machen Sie das Beste aus dieser Zeit.

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