Wenn der Handel lustige TV-Werbung macht, dann begibt er sich auf ein dünnes Brett. Das war in dieser Woche unser Projekt, um es mit Toom zu sagen: "Wir haben's getestet, damit du es nicht musst". Und in dem Fall hatten wir viel Spaß.

Lachen ist ja in der Regel eine heitere Angelegenheit. Und so hielt diese Woche überraschend ein paar angenehme Momente bereit. Das gilt zuerst für die Mitarbeiter von Lidl und Kaufland, also der Schwarz-Gruppe, die auch künftig übertariflich bezahlt werden, wie mitgeteilt wurde. Zuschläge als Ergebnis der laufenden Tarifverhandlungen würden nicht verrechnet. 

Ja, so edel ist der Discounter. Letztens hatte ja Schwarz-Chef Klaus Gehrig angekündigt, dass das Einstiegsgehalt bei Lidl bei 2.000 Euro im Monat liegen werde. Die Logik: Wenn wir gut zahlen, dann bekommen wir auch gute Mitarbeiter - und Amazon guckt in die Röhre. Und Lidls nächster Feind Alibaba ebenfalls. 
Steffen Gerth, Redakteur bei Der Handel und Etailment
© Aki Röll
Steffen Gerth, Redakteur bei Der Handel und Etailment
Auch ein Rezept, sich irgendwie der Konkurrenz zu erwehren, wenn man es im Kerngeschäft nicht mehr mit Rivalen aufnehmen kann. Aber wie soll ein Unternehmen Verständnis für Online-Lebensmittelhandel aufbringen, wenn der Chef zugibt, nie einen Computer zu benutzen?

Kein Wunder, dass er damals mit einem fortschrittlichen Mann wie dem früheren Lidl-Chef Sven Seidel nichts anfangen konnte. E-Commerce, Sponsoring zur Imageaufbesserung, eigene Ideen - uhh, das war alles zu modern für den Discounter-Dinosaurier Gehrig. Seidel ist jetzt bei Otto, wo er in der Tat viel besser hinpasst.

Wenn Schwarz-Chef Klaus Gehrig grundsätzlich wird

Ans Image gehen jetzt auch die Toom-Baumärkte. Die Kette hat diese Woche neue Werbespots in Umlauf geschickt hat - lustig sollen die sein, wurde versprochen. Huihui, großes Versprechen. Das Maß der Dinge für Baumarktwerbung war ja bisher Hornbach mit ihren Projekten, den Ohrfeigen und dem Yippie-jaja-Yipphie-jajeeee. 

Die Schnarchliste führt hingegen die frühere Hagebaumarkt-Werbung an mit dem Witz-Veteranen Mike Krüger, der seine große Zeit hatte, als die Leute noch im Neckermann-Katalog bestellten, im Wienerwald aßen und darüber lachten, als Krüger sang, dass man erst den Nippel durch die Lasche ziehen und die Kurbel ganz nach oben drehen muss (wenn Sie jetzt einen Ohrwurm haben, sind Sie Ü50). Für Krüger und Kollegen erfand man übrigens damals den Fachgebriff "Blödel-Barde" (siehe auch Gottlieb Wendehals). 

Mike Krüger zieht am Nippel

 Jetzt also Toom. Die Rewe-Tochter ist ja eher das dünnere Brett in der Baumarktbranche, in der Obi, Hornbach und Bauhaus den Ton angeben. Wir haben nicht viel erwartet - und das ist generell immer gut, denn es kann dann nur besser werden.

"Wir haben's getestet, damit du es nicht musst." So lautet der neue Claim. Die Spots zeigen absurde Materialdauertest-Aktionen von Wissenschaftlern, die so roboterhaft daherkommen, als hätten sie vorher alle ordentlich Rohypnol geschluckt. 
© etailment
Das ist alles ganz lustig, und einer ist sogar, huihuihui, frech. Denn wenn im Spot über den Farben-Test ein an eine Wand gezeichneter Penis gezeigt wird, der übermalt werden muss, dann ist das mutig für eine Tochter aus dem Rewe-Konzern. Aber auch wieder nicht, weil alltagstauglich. Jeder, der mal an einer Schule war, und das sind die meisten, kennt derlei vorpubertäre "Graffiti".

Wandfarbentest bei Toom (nicht ganz jugendfrei)



Tja, obs aber Toom hilft? Baumärkte sind ja die nächsten Opfer von Amazon. Und TV-Spots als Kunstwerke sind das eine, damit den Weg zu den Kunden finden, ist das andere.

Zumal Werbung in dieser Zeit nicht mehr das ist, was sie mal war: TV und Zeitschriften haben als Plattformen Nummer eins ausgedient - die Menschen gucken lieber Streamingdienste im Internet. Das hat erhebliche Budgetverschiebungen zur Folge, was zur Folge hat, dass die TV-Sender und die Zeitschriftenverlage ins Schwitzen kommen.

Liste des Schreckens

Internetwerbung muss wiederum anders gestaltet sein als TV-Werbung. Wer im Netz auffallen will, muss schräg sein - sonst wird weggeklickt. Im Fernsehen ist man ja den vielen schlechten Spots ausgeliefert, so viel kann man gar nicht auf die Toilette gehen in den Werbepausen.

Und es gibt ja gerade von Handelsunternehmen viel öde Werbung. Kleine Liste des Schreckens:
1. Poco und Daniela Katzenberger für eine Zielgruppe, deren Definition man gerne lesen würde
2. Möbel Roller und Dieter Bohlen - oder ist das ein Spot für Photoshop?
3. Adler-Moden und Birgit Schrowange lange Zeit kommerziell erfolgreich, aber hilft heute nicht mehr
4. Kik mit Verona Pooth - nie gut aber immer Kult.
5. Lidl macht sich aktuell mit einer Edeka-Persiflage selbst zum Gespött
6. Kein Mensch redet mehr über den Reifenanbieter Tirendo. Gottseidank auch niemand über den Vettel-Spot.
7. Es gab Menschen, die fanden die Fußball-WM ganz okay. Die waren von Mehmet Scholl und Expert abgehärtet. 
8. Expert und Scholl sind Wiederholungstäter - 2020 ist EM!
9. Billig + Busen: Fertig ist der TV-Spot für Redcoon.
10. Nur um zu zeigen, dass Zalando auch schlechte Werbung konnte: Der allererste Spot von 2009.


Wir wollen aber nicht ungerecht sein, es gab auch Unterhaltsames. Doch, doch, die Spots, die Schlecker noch kurz vor dem Untergang in Auftrag gab, um das desaströse Image aufzuhellen, hatten eine ästhetische Lustigkeit - die vor allem durch den Kontrast zu diesem gruseligen Unternehmen lebte.

Edeka mit Friedrich Liechtenstein ist okay, wobei wohl Liechtenstein Edeka als Bühne mehr braucht als Edeka ihn. Oder wer erinnert sich noch an Maßgebliches von ihm außerhalb der Supermarktbespaßung? Liechtenstein ist die Klementine der Neuzeit. Einmal Werbefigur, immer Werbefigur.

Klementine und Ariel - Wäschewaschen in Schwarz-Weiß.

Aber gut, da weiß man, was man hat. Schönes Wochenende.

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