Multilabel-Webstores legen weiter zu, der Hype um die Online-Shopping-Clubs lässt nach. Das sind zwei der wichtigsten Ergebnisse der aktuellen TW-Studie „Online-Retail 2012“. Internet-Händler mit einem breiten Sortiment sind aus der Vertriebsstrategie der Modeindustrie nicht mehr wegzudenken.

Allerdings sind die Lieferanten wählerisch geworden und schrecken längst nicht mehr vor kurzfristigen Vertragsauflösungen zurück, wenn die Händler das Image der Marke in Gefahr bringen.

Online-Shops mit einem Multilabel-Angebot gewinnen in der Vertriebsstrategie der Modehersteller weiter an Bedeutung. 87% der Unternehmen arbeiten bereits mit solchen Online-Retailern zusammen. Das sind 22 Prozentpunkte mehr als 2010. Gleichzeitig sank der Stellenwert von Online-Shopping-Clubs, deren Nutzung von 43 auf 38% zurückging. Das sind Ergebnisse der Image-Analyse „Online-Retail 2012“, für die die TextilWirtschaft  308 Top-Entscheider aus der Modeindustrie befragt hat.

Demnach nutzen bereits 95% der Hersteller Online-Absatzwege. Vor zwei Jahren waren es 92%. Fast drei von vier Entscheidern (71%) sind der Auffassung, dass ein eigener Online-Shop heutzutage für Modemarken unverzichtbar ist. Trotzdem stagniert die Zahl der Marken-Online-Shops: 56% der Befragten betreiben einen eigenen Web-Store. Das ist nur ein Prozentpunkt mehr als 2010.

Fast zwei Drittel der Befragten (61%) wollen ihre Zusammenarbeit mit Online-Retailern vertiefen. 83% wollen ihren bestehenden Online-Shop ausbauen. Lediglich 27% planen, den Vertrieb über Shopping-Clubs zu intensivieren. 2010 waren es noch 66%. Dagegen hat sich der Anteil der Lieferanten, die ihr Shopping-Club-Geschäft reduzieren wollen, von 6 auf 15% erhöht.

Shopping-Clubs auf dem Prüfstand

„Manchen Shopping-Clubs scheint der Sinn abhanden gekommen zu sein“, sagt Ingmar Böckmann vom Bundesverband des deutschen Versandhandels (bvh). Schnäppchen könnten auch Multilabel-Shops anbieten. Zudem hätten manche Online-Outlets den Anschein eines Restpostenverkaufs. „Das ist nicht zuträglich für das Marken-Image“, sagt der E-Commerce-Experte.

Ein weiterer Punkt dürfte sein, dass viele Marken in ihren Online-Shops eigene Outlet-Bereiche eingerichtet haben und bei den Nutzern ein Gewöhnungseffekt eingetreten ist. Sprich: Shopping-Clubs haben bei vielen Usern schlicht ihren Reiz verloren.

Brands4friends erwartet Konsolidierung

Allerdings lässt sich in dem Marktsegment lässt sich noch kein Umsatzrückgang feststellen, höchstens eine Konsolidierung nach teilweise dreistelligen Wachstumsraten in den Anfangsjahren. So steigerte der europäische Marktführer Vente-Privee seinen Umsatz 2011 um 11% auf rund 1 Mrd. Euro. Die Mitbewerber halten sich bedeckt, berichten aber von weiter steigenden Umsätzen. Bei Brands4Friends liegt die Wachstumsrate laut CEO Dr. Stephan Zoll im mittleren zweistelligen Prozentbereich.  Er prognostiziert für die Zukunft eine Konsolidierung des Marktes der Shopping-Clubs auf zwei bis drei große Player.

Beim Blick in die nahe Zukunft zeigt sich dagegen ein leicht abweichendes Bild: Der Anteil der Shopping-Club-Anwender wird sich der Studie zufolge innerhalb der kommenden zwei Jahre von derzeit 38 auf 56% erhöhen. Das mag damit zusammenhängen, dass – gerade im Online-Bereich – Planungen häufig vom Endergebnis abweichen. Schon 2010 hatten sich die Hersteller in Bezug auf die Nutzung von Shopping-Clubs entscheidungsfreudiger gezeigt, als sie es letztlich waren: Schließlich arbeiten heute nur 38% der Unternehmen mit Shopping-Clubs zusammen. Prognostiziert waren 61%.

Der mitgliederstärkste deutsche Shopping-Club Brands4friends kann mit den aktuellen Zahlen aber sehr gut leben. Brands4friends wachse sowohl auf Hersteller- als auch auf Mitgliederseite, betont Zoll. Zurzeit arbeite das Unternehmen mit „über 1200 Marken und Lieferanten“ zusammen. Sie profitierten von „hohen Absatzvolumina und durch zusätzlich Marketing-Effekte, ohne die Marke dadurch zu verwässern“. Die Zahl der Mitglieder erhöhe sich täglich um „mehrere Tausend“

Noch größer ist bei den Unternehmen der Enthusiasmus hinsichtlich eigener Online-Shops: Der Studie zufolge wird sich der Kreis der Web-Store-Betreiber in den kommenden zwei Jahren von derzeit 56 auf 84% erhöhen. Bei der Zusammenarbeit mit Online-Retailern ist die natürliche Grenze des Wachstums bereits fast erreicht: 95% der Unternehmen werden 2014 voraussichtlich mit Zalando, Amazon und Co kooperieren. Das heißt: In zwei Jahren arbeiten fast alle Hersteller mit Online-Retailern zusammen.

Multilabel-Händler profitieren von Google

„Multilabel-Händler haben wegen ihres breiten Sortiments eine sehr große Reichweite, insbesondere in Suchmaschinen“, erklärt ECC-Handel-Chefin Eckstein. Für Hersteller sei es schwieriger, auf die ersten Suchergebnis-Seiten zu kommen. Es sei denn, die Nutzer suchen direkt nach der Marke. „Online-Händler haben dagegen die Möglichkeit, über Zusatzangebote wie Trendkataloge nicht nur über die Produkte, sondern auch die Themen näher an die Konsumenten heranzutreten“, sagt die Expertin. 

Die Beliebtheit von Multilabel-Shops zeigt sich auch bei der Befragung derjenigen Hersteller, die das Internet noch nicht als Absatzweg nutzen. Mehr als die Hälfte (59%) will im Falle eines Einstiegs ins Internet-Geschäft mit Retailern zuammenarbeiten. Das sind 12 Prozentpunkte mehr als 2010. Einen eigenen Shop wollen 64% einrichten (2010: 62%), weniger als jeder Dritte (29%) will Shopping-Clubs nutzen (2010: 32%).

Die Online-Retailer sollten sich aber nicht zu sehr auf ihren Lorbeeren ausruhen. Die Studie zeigt nämlich auch, dass sich bei den Marken sowohl die Ansprüche als auch die Wechselbereitschaft erhöht haben. 89% der Befragten wollen sich nur noch auf diejenigen Retailer konzentrieren, die zu ihrem Unternehmen und ihrem Image passen.

Mehr als die Hälfte der Marken (59%) arbeitet mit bis zu zehn Retailern zusammen. Ein Drittel (35%) vertreibt seine Produkte über elf bis 50 fremde Online-Shops. Lediglich 6% arbeiten mit mehr als 50 Händlern zusammen. Gleichzeitig schrumpft der Kreis der interessanten Partner: Fast zwei Drittel der Lieferanten (64%) sind der Auffassung, dass für sie nur noch wenige Online-Händler in Frage kommen. 

Interessanterweise sind Multichannel-Händler offenbar im Vorteil. Fast jeder zweiter Hersteller (48%) arbeitet lieber mit Händlern zusammen, die auch einen Laden haben. Dadurch hätten die Retailer einen „Vertrauensvorsprung“. Lediglich 22% setzen auf so genannte Pure Player wie Amazon.

Zalando hat die Nase vorn

Bei der Auswahl der Online-Retailer haben besonders Zalando, Mr Porter und MyTheresa.com gute Karten. Sie genießen laut Studie den besten Ruf bei den Herstellern. Um das Image der Online-Retailer zu ermitteln, befragte die TextilWirtschaft die Lieferanten zu mehreren Kriterien, darunter Bekannheit, Konzept und Markenbotschaft der Retailer.

In punkto Bekanntheit liegt der erst 2009 gestartete Online-Modeshop Zalando klar vorn: 78% der befragten Modeanbieter haben sich die Berliner Plattform schon einmal näher angeschaut. Knapp dahinter folgt der E-Commerce-Gigant Amazon mit 75% vor Breuninger, Ebay, Engelhorn, Conley’s und Otto. Die restlichen Top Ten-Plätze belegen Frontlineshop (41%), SportScheck(38%) und Stylebob (37%).

Bei der visuellen Umsetzung genießt Mr.Porter mit 64% das größte Ansehen. Es folgen MyTheresa.com, Net-a-porter, Stylebob, Apropos und Zalando. Ebay ist mit lediglich 5% Schlußlicht.

Auch bei der Produktpräsentation und Markenbotschaft ist Mr Porter Spitzenreiter. Die zweitbeste Produktpräsentation weist der Umfrage zufolge Zalando auf. MyTheresa.com ist Dritter vor dem Shop Net-a-porter, der 2010 noch den ersten Platz belegte.  

Bei der Markenbotschaft führt Mr Porter mit großem Abstand vor Net-a-Porter (49%) und MyTheresa.com (48%). 77% der Befragten sind der Auffassung, dass Mr Porter die Markenbotschaft der Hersteller gut an die Kunden kommuniziert. 2010 hatte noch Herrenausstatter.de vorn gelegen. Fast alle Hersteller (96%) setzen auf Retailer, die über ein strukturiertes und attraktives Portfolio verfügen. Das beste Markenumfeld wird Mr Porter zugeschrieben. Es folgen Stylebob, MyTheresa.com (Sieger 2010), Zalando, Net-a-Porter.

Marken-Shops sind kein Muss

Außerdem zeigt die Untersuchung, dass Marken-Shops kein Muss sind. Weniger als die Hälfte der Entscheider (42%) verlangt, dass der Retailer den Herstellern die Möglichkeit bietet, die Produkte in eigenen Marken-Shops zu präsentieren. Bester Anbieter von Marken-Shops ist Amazon (30%) vor Zalando (22%), Haburi (19%), Mr Porter (18%), Otto (16%), Goertz (15%) und dem HAKA-Shop Herrenaustatter.de (14%), der 2010 die Rangliste noch angeführt hatte. Laut Umfrage lässt es sich am besten mit Zalando arbeiten. Platz zwei belegt Loden-Frey vor Herrenausstatter.de, Engelhorn, Breuninger und Galeria Kaufhof.

Generell sind 60% der Marken mit ihren Online-Retailern „zufrieden“, 27% sind sogar „sehr zufrieden“. 11% zeigen sich „weniger zufrieden“ und lediglich 2% sind „unzufrieden“. Das beste eigenständige Konzept weist Mr Porter mit einer Zustimmungsrate von 64% auf. MyTheresa folgt mit großem Abstand (46%) vor Net-a-porter und dem Ranglistenersten der letzten Untersuchung, Stylebob. Die klassischen Universalversender Baur und Neckermann bilden mit jeweils 3% das Schlusslicht. 

Allgemein unterscheiden sich die Angebote nach Ansicht der Marken aber nur wenig: 73% der Befragten kritisieren, dass es oft an Abgrenzung smerkmalen zwischen den einzelnen Retailern fehlt, weil die Konzepte zu ähnlich sind.

 Großen Wert legt die Industrie auch auf die Mobile-Commerce-Kompetenz der Händler: 91% sind der Ansicht, dass der Vertrieb über mobile Endgeräte weiter an Bedeutung gewinnt und die Retailer darauf vorbereitet sein müssen. Über das beste mobile Angebot verfügt wie vor zwei Jahren Amazon. Zweiter ist Mr Porter vor Net-a-Porter, Zalando, Stylebob, Otto, Ebay und MyTheresa.com.

Auch beim Thema Vernetzung herrscht große Einigkeit in der Modeindustrie: Für 86% der Entscheider gehört es zum Standort, dass ein Online-Retailer mit Social Media-Plattformen wie Facebook und Twitter vernetzt ist. Die höchste Social Media-Kompetenz hat wie 2010 Zalando. Es folgen Frontlineshop, Mr. Porter, Net-a-Porter und Stylebob.

Unverzichtbar ist natürlich, dass die Zusammenarbeit ertragreich ist. Dies lässt sich der Studie zufolge am besten mit Zalando realisieren. 35% der Entscheider stimmen der Aussage zu, dass sich mit dem Berliner Händler „gutes Geld verdienen lässt“. Haburi ist Zweiter mit 31%, vor Amazon, Loden-Frey und Herrenausstatter.de. Zalando wird auch am meisten zugetraut, sich im Markt zu behaupten. Mr Porter, Amazon, Asos und Net-a-Porter folgen auf den nächsten Plätzen.

Darüber hinaus erwarten die Hersteller, dass sich der Anteil des Online-Geschäfts an den Gesamtumsätzen weiter deutlich erhöht: Für das Geschäft mit den Multilabel-Händlern prognostizieren die Entscheider eine Steigerung des Umsatzanteils von derzeit 7 auf 11% in zwei Jahren. „Der Online-Handel ist zwar schwierig und folgt eigenen Gesetzen. Es führt aber langfristig kein Weg daran vorbei“, sagt E-Commerce-Forscher Prof. Gerrit Heinemann (Bild) von der Hochschule Niederrhein. Der Grund: Die Umsätze werden zunehmend aus dem stationären Geschäft abgezogen. Wer diesen Trend verschlafe, gerate schnell ins Hintertreffen.