Viele Verbraucher wollen zwar lokal einkaufen, in der Realität ist aber eine gezielte Produktsuche in den umliegenden Geschäften meist aufwändig. Wer zum Beispiel dringend eine neue Druckerpatrone benötigt, weicht deshalb oft gleich auf den Onlinehändler mit Lieferung am Folgetag aus. Das Start-up Emiigo setzt hier an. Es will lokalen Handel mit Online-Komfort verbinden und hat eine Suchmaschine für lokal verfügbare Produkte im stationären Einzelhandel mit Echtzeitbestand entwickelt.

Kunden, die nicht auf den Online-Versand zurückgreifen wollen, etwa weil sie unmittelbar ein Produkt benötigen, den Einzelhandel explizit unterstützen oder aus ökologischen Gründen keinen zusätzlichen Lkw auf die Straße schicken möchten, können per Umkreissuche und Kartendarstellung bei Emiigo schnell herausfinden, in welchem Geschäft in der Nähe (oder selbst gewählter Region) ein Produkt zu erwerben ist.

Stationäre Einzelhändler sollen per technischer Schnittstelle eine einfache digitale Sichtbarkeit ohne Mehraufwand bei der Content-Pflege erhalten, Emiigo verwaltet die Produktinformationen und ordnet sie den Bestandsdaten zu. Das Start-up will im August, zunächst im Kölner Raum, mit der Beta-Version live gehen. Der Service wird den Händlern als Abo-Modell angeboten.
Die Emiigo-Gründer Lisa Schlömer und Lennart Schwark wollen stationären Händlern helfen, online für lokale Konsumenten sichtbar zu werden.
© Emiigo
Die Emiigo-Gründer Lisa Schlömer und Lennart Schwark wollen stationären Händlern helfen, online für lokale Konsumenten sichtbar zu werden.

Innenstädte beleben, Verpackungsmüll und CO2 verringern

Mit einer Umsatzverschiebung in den stationären Einzelhandel will Emiigo dazu beitragen, lokale Arbeitsplätze zu sichern, die Innenstädte zu beleben sowie das Paketaufkommen und damit Lieferverkehr sowie Verpackungsmüll zu reduzieren, ohne dass Kunden auf den Komfort des Onlineshoppings verzichten müssen. Künftig soll es auch eine Reservierungsfunktion und die Lieferoption per Lastenfahrrad geben.

Händler sollen langfristig nicht nur durch eine höhere Reichweite und reduzierte Marketingkosten profitieren, sondern z.B. auch Sortimentsempfehlungen auf Grundlage häufig verwendeter Suchbegriffe von Kunden aus ihrer Umgebung erhalten können.

Etailment hat mit Emiigo-Mitgründerin Lisa Schlömer über die Pläne des Start-ups gesprochen.

Mal ehrlich und ohne Buzzwords: Wie würden Sie Ihren Eltern das Start-up erklären?
Heutzutage wissen Konsumenten bereits sehr früh durch Werbung, Empfehlungen oder Vorab-Recherche, welches Produkt sie kaufen möchten. Erst im zweiten Schritt stellt sich die Frage, wo sie es kaufen können. Für die Geschäfte in der Nähe ist das aktuell schwer herauszufinden, daher wird häufig einfachheitshalber – doch oft mit schlechtem Gewissen – per Online-Versand im Internet bestellt. Mit Emiigo ist genau das kein Problem mehr: Über eine Online-Oberfläche, die an einen Onlineshop erinnert, kann das Produktsortiment des Einzelhandels in der eigenen Umgebung durchsucht werden – entweder nach konkreten Produkten oder über das Stöbern in z.B. Kategorien. Eine Karte zeigt die Geschäfte an, in denen das gesuchte Produkt aktuell verfügbar ist.
Auf einer Umgebungskarte werden Nutzern die Geschäfte angezeigt, in denen das gesuchte Produkt aktuell verfügbar ist.
© Emiigo
Auf einer Umgebungskarte werden Nutzern die Geschäfte angezeigt, in denen das gesuchte Produkt aktuell verfügbar ist.
Der wichtigste Vorteil für den Handel: Kunden den Einkauf im lokalen Geschäft so einfach wie möglich zu machen – und zwar ohne die Pflicht zum Versand und durch unser Abo-Modell auch ohne Abgabe einer Verkaufsprovision. Damit bieten Händler nicht nur ihren Stammkunden ein besseres Einkaufserlebnis, sondern können darüber hinaus auch Neukunden gewinnen, die entweder andernfalls im Online-Versandhandel bestellen würden oder denen das Geschäft bisher nicht bekannt war.

Wie beschreiben Sie Ihr Geschäftsmodell einem möglichen Partner in einem Tweet (280 Zeichen)?
Produkte online suchen und in den Geschäften in der Nähe finden – das geht auf emiigo.de mit Echtzeitbestand und Umgebungskarte. Für den Handel heißt das: digitale Präsenz ohne Mehraufwand, Erreichen neuer Kundengruppen und mehr Umsatz. Das alles einfach per Abo-Modell.
Welche Unternehmen/Kunden konnten Sie bereits überzeugen?

Wir haben bereits "von allem etwas" in unserer Kundenliste: einige kleine inhabergeführte Geschäfte, Geschäfte, die zu einer Franchise-Gruppe gehören, sowie größere deutschlandweit angesiedelte Filialketten. Und zwar aus unterschiedlichen Branchen wie Fashion, Spielwaren, DIY und Home/Deko.

All das entstand aus Vorab-Präsentationen während der Marktrecherche – also ohne, dass wir konkret Verkaufsgespräche geführt haben. Die eigentliche Kundenansprache startet erst jetzt.

Mit wem würden Sie gerne ins Geschäft kommen?
Langfristig ist unser Ziel, den gesamten stationären Einzelhandel, also jede Boutique, jedes Ladenlokal und jede Filialkette anzubinden. Natürlich auch über die deutschen Grenzen hinaus, denn egal in welcher Gegend jemand ein Geschäft für ein Produkt sucht – zuhause, auf Geschäftsreise oder im Urlaub –, Emiigo soll als "Single point of search" eine Antwort geben können.

In der aktuellen Startphase kooperieren wir gern mit Händlern, die neue Ansätze ausprobieren wollen und bereit sind, Feedback zu geben. Dabei spielt es keine Rolle, ob es z.B. eine große Mode-Filialkette oder ein kleines Musik-Fachgeschäft ist. Zunächst konzentrieren wir uns dabei auf die Produktsortimente, die Konsumenten gerne (vermehrt) lokal einkaufen möchten. Dazu gehören vorwiegend, aber nicht ausschließlich, Geschäfte aus den Bereichen Mode, Freizeit & Sport, Home & Haushalt, DIY-Waren oder auch Kleinelektronik.

Was war die wichtigste Erkenntnis seit dem Start?
Es ist faszinierend, wie sehr sich die ursprüngliche Idee mit einem damals noch etwas anderen Fokus zur jetzigen Dimension und Vision weiterentwickelt hat. Wir lernen ständig dazu und bauen kontinuierlich Feedback von neuen Kunden und Partnern ein, was diesen Prozess extrem spannend macht.
Eine Herausforderung in der Kommunikation ist die Annahme, dass der Ausdruck "Digitalisierung im Einzelhandel" oft mit "Online-Shop mit (globalem) Versand" gleichgesetzt wird. Diese Begrifflichkeiten möchten wir brechen, denn es gilt digitale Instrumente zu nutzen, um die Vorteile des stationären Einzelhandels mit der digitalen Welt zu verknüpfen und so wieder mehr Menschen in die Geschäfte zu führen.

Auf welche Erfolgszahl sind Sie besonders stolz?
Da fallen mir spontan drei ein. Zunächst unser Team: Wir freuen uns enorm, dass wir seit dem Start von mehr als 30 engagierten Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Kenntnissen ehrenamtlich unterstützt und beraten wurden. Und das einfach, weil sie die Idee hinter Emiigo gut finden und die Lösung auch gern selbst nutzen möchten. Die ersten davon stellen wir gerade ein!

Zudem ist es beeindruckend, dass Händler in Deutschland mit Emiigo durchschnittlich 100.000 potenzielle Kunden in ihrer direkten Umgebung erreichen.

Nicht zuletzt macht uns die Zahl baff, wie viele Pakete durch Emiigo eingespart werden können. Allein für Deutschland liegen wir da bereits im Bereich von mehreren hundert Millionen pro Jahr. Die tatsächlich eingesparten CO2-Emissionen oder reduzierten Retouren (damit einhergehend oft geschredderte Ware) berechnen wir aktuell noch im Detail.

Welche Schlagzeile würden Sie gerne in fünf Jahren über Ihr Start-up in einer Wirtschaftszeitung lesen?
"Der Einzelhandel atmet auf – dank Emiigo positive Trendwende: Sowohl höhere Umsatzzahlen im Einzelhandel als auch weniger Leerstände überzeugen Handel und Kommunen – mit nur noch 80% der täglichen Pakete im Umlauf erste Anzeichen vom nachhaltigen Impact sichtbar"

MEHR ZUM THEMA: 

Dirndl in Düsseldorf, Weißwurst in Wuppertal: Was im Süden ein Gähnen hervorruft, kann im Norden ein Knüller sein. Nur wer das Sortiment auf die lokale Kundschaft maßschneidert, schöpft sein Absatzpotenzial voll aus.
© IMAGO / Panthermedia
Kundenbindung

So nutzen Händler lokale Vorlieben als Wettbewerbsvorteil


Internationale Marktplätze jenseits von Amazon haben mehr zu bieten als nur Flohmarkt-Charakter
© Kolbrück
Marktplätze

Es muss nicht immer Amazon sein: Die Stärken lokaler Plattformen