Die Marktmacht von Amazon ist nicht groß, sie ist gigantisch. Und Amazon baut sie weiter aus. Die Strategie des Erfolgs? – Lesen Sie hier.

Wie groß Amazon ist, zeigt ein kleiner Marktvergleich: Das Institut für Handelsforschung Köln (IFH)  beziffert den Umsatz im deutschen Online-Handel 2017 auf 57,6 Milliarden Euro, für 2018 wurden 63 Milliarden Euro prognostiziert.

Der Amazon-Anteil an diesem Geschäft wird von IFH Köln im Jahr 2017 auf 46 Prozent taxiert, das entspricht etwas über 26 Milliarden Euro! Dahinter bleiben potenzielle Alternativen am Markt weit zurück: 2017 standen bei Otto.de 3,5 Milliarden Euro Umsatz zu Buche, bei Ebay Powerseller waren es 3,4 Milliarden Euro und bei Zalando 1,5 Milliarden.

Auch in globalem Maßstab ist das über den Online-Riesen bewegte Geschäft atemberaubend: Laut Jeff Bezos betrug der globale Handelsumsatz (Gross Merchandise Volume / GMV) von Amazon im Jahr 2018 277 Milliarden Dollar (245 Milliarden Euro) – das ist das knapp vierfache des gesamten deutschen Online-Handels!
Dieser Erfolg ist auch ein Erfolg des Marktplatzes Amazon: Am Amazon-Handelsumsatz haben Drittanbieter nach Berechnungen von Branchenexperten einen Anteil von 58 Prozent.

Dabei ist die Tendenz steigend: „Das Marktplatz-Geschäft von Amazon in Europa brummt“ schreibt die TextilWirtschaft Ende März 2019 unter Verweis auf Zahlen der hierfür zuständigen Amazon-Tochter aus dem Luxemburger Handelsregister.

Demnach habe Amazon Services Europe den Umsatz 2018 um über 34 Prozent auf 10,23 Milliarden Euro gesteigert. Dieser Umsatz bestehe hauptsächlich aus den Provisionen der Handelspartner, die bis zu 15 Prozent des Verkaufspreises zahlten.

Strategie für Otto und Co.?

Die Plattformstrategie, Marktplatz für andere Händler zu sein, verfolgen seit einiger Zeit auch Otto und Zalando. So setze Otto.de eine eigens entwickelte Software ein, mit der Marktplatzpartner ihre Verkäufe auf Otto.de managen und tracken können, berichtet Horizont.

Das Angebot auf Otto.de wachse Woche für Woche um mehrere Zehntausend Artikel, rund 3 Millionen seien mittlerweile bestellbar, 2018 seien 400 neue Partner eingebunden worden.

Trotz derartiger positiver Entwicklungen ist die Marktbedeutung von Amazon mittlerweile so groß, dass an diesem Giganten eigentlich kein Weg vorbei geht. „Marken, die auf Amazon nicht sichtbar sind, haben es schwer, überhaupt in das Relevant Set der Konsumenten zu kommen“, wird Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung am IFH Köln, von Horizont zitiert.

Andererseits zahlt sich entsprechende Präsenz für Drittanbieter auch aus: Nach IFH-Schätzungen hätten diese 2017 ein Plus von mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr bilanzieren können.

Wer ein Produkt sucht, sucht über Amazon

Doch das ist nur die Verkaufsseite. Der Arm von Amazon reicht viel weiter. Denn Amazon ist mittlerweile eine veritable Produktsuchmaschine: Das IFH Köln gibt an, dass 2017 29 Prozent des gesamten deutschen Online-Handels durch Amazon beeinflusst worden sei, indem Kunden die Plattform als Produktsuchmaschine sowie zum Waren- und Preisvergleich genutzt hätten.

Seitdem richtet ich das Einkaufsverhalte der Deutschen offenbar noch stärker an Amazon aus. Nach der im Spätherbst 2018 im Auftrag von Digital Value Excellence (diva-e) durchgeführten repräsentativen Weihnachtsstudie starteten 82 Prozent aller Deutschen ihre Produktsuche bei Amazon und 72 Prozent schlössen in der Regel auch ihren Geschenkekauf dort ab.
© Repräsentative diva-e Weihnachtsstudie 2018

Suchen, finden, bestellen

„Die Weihnachtsstudie zum Einkaufsverhalten der Deutschen zeigt die steigende Bedeutung von Suchmaschinen und Marktplätzen, die sich insbesondere im hart umkämpften Weihnachts- und Endjahresgeschäft bemerkbar macht“, kommentiert Christian Paavo Spieker, CEO diva-e Advertising, die Studie.

Aus Konsumentensicht ist dieser Wandel durchaus nachvollziehbar – gesucht wird dort, wo das Finden aller relevanten Informationen am wahrscheinlichsten ist: Marken, Produkteigenschaften, Preise, Bewertungen, Bezugsquellen werden bei Amazon kompakter präsentiert, als dies Suchmaschinen wie Google möglich ist.
Suchen starten immer häufiger bei Amazon.
© www.googlewatchblog.de
Suchen starten immer häufiger bei Amazon.

Marktposition beschäftigt BGH

Die Bedeutung von Amazon als Suchmaschine ist mittlerweile so groß, dass sich bereits der Bundesgerichtshof (BGH) mit diesbezüglichen Fragen zu beschäftigen hatte. In Fall der Taschenmarke Ortlieb befand der BGH, dass bei der Suche nach dem Begriff ‚Ortlieb‘ Suchergebnisse mit Konkurrenzprodukten nicht Markenrechte von Ortlieb verletzten.

Markenartikler, die sich gegen eine Präsenz auf der Plattform Amazon entscheiden, haben nach diesem Urteil nur zwei Möglichkeiten: Auf dem Marktplatz Amazon Flagge zeigen oder der Konkurrenz das Feld überlassen.
Für Hersteller und Händler bedeutet die Wahrnehmung von Amazon als Suchmaschine eine neue Herausforderung.

Denn in Sachen Suchrelevanz und Content unterscheiden sich Amazon und Google grundlegend, wie Karon Thackston, President von Marketing Words erläutert:
1. Amazon nutze zum Produktranking ausschließlich interne Daten. Während Google Informationen von anderen Websites, soziale Indikatoren, Geschichte, oder suchbezogene Informationen nutze, um die Darstellung eines Produktes zu bewerten, greife Amazon nur auf Daten der eigenen Site zu.
2. Amazon nutze individuelle Schlagworte, keine Sätze (wobei Google mehr und mehr auch in Richtung Schlagworte gehe)
3. Amazon belohne Ergebnisse, sprich: Je besser eine (auch durch Verkaufserfolge und Bewertungen indizierte) Performance auf Amazon sei, um so besser werde sich die Entwicklung im Ranking gestalten.

Konkurrenz für Google

Ronny Marx von der auf Amazon spezialisierten Agentur intoMarkets beschreibt den Unterschied zwischen Google und Amazon so: „Während in gut rankenden Websites und Webshops durchschnittlich 3.600 Worte auf einer einzigen URL verwendet werden, sind es auf Amazon-Detailseiten gerade einmal zirka 400 Worte.

Das zeigt ebenfalls, mit wieviel Content der Google-Bot im direkten Vergleich zum Amazon-Bot umgehen muss. Während auf Amazon die am besten rankenden Produkte gerade einmal ungefähr 300 Worte beinhalten, sind es bei Google auf Platz 1 und 2 um Durchschnitt zirka 7.500 Worte.“

Und was macht Google angesichts der Suchmaschinenkonkurrenz? Die Marke entwickelt sich zum Produktvermittler. Für Google wäre es ideal, wenn der potenzielle Konsument gleich in den Suchergebnislisten kaufen könnte.

Bislang kann er das ja eigentlich bereits in schöner Regelmäßigkeit, nur eben nicht bei Google: Wann einmal ist eines der ersten Ergebnisse einer Produktsuche nicht ein Link zu Amazon oder einem anderen Online-Händler?

Google habe über die Jahre sein Angebot Google Shopping immer weiter ausgebaut, die Werbeetats seien auch aus der regulären Ergebnisliste in diesen Bereich gewandert, heißt es in Horizont. Doch Google habe den Nachteil, dass es nur zu den Händlern weiterleiten könne. „Damit geht ein Teil der Convenience verloren“, so IFH-Geschäftsleitungsmitglied Stüber.

Künftig könnten Nutzer Waren direkt über Google beziehen, wie im Blog von adseed.de zu lesen ist. Produkte der Firmen, die über „Google Shopping Actions“ angezeigt werden, erhalten demnach direkt in den Google-Suchergebnissen eine Kaufoption. Im Gegenzug für das Click-to-Buy-Listing erhalte Google eine Provision an den Verkäufen – in welcher Höhe ist nicht bekannt.

Nachdem Google „Shopping Actions“ 2018 in den USA gestartet hatte, dort zählten Target, Walmart, Home Depot, Costco Wholesale und Ulta Beauty zu den Handelspartnern, testet Google das Konzept jetzt in Frankreich, Kooperationspartner sind hier laut Business Insider Frankreich die Warenhauskette Auchan, der Elektronikfachmarkt Boulanger, die Einzelhandelskette Carrefour sowie die zu FNAC Darty gehörende Hausgerätehändler Darty.
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