Beim online Einkauf tauchen immer Fragen auf, die im Idealfall im direkten Kontakt beantwortet werden. Davon hängt die Zukunft der Kundenbeziehung ab.
Im Zuge der Digitalisierung streben Kunden immer öfter nach direktem Kontakt mit Unternehmen. Sie erwarten eine schnelle und einfache Erreichbarkeit des Kundenservices und eine individualisierte Ansprache. Gelingt dies, kann eine solche Kommunikation sehr positiv auf die Beziehung zwischen Kunde und Marke einzahlen und umsatzsteigernd wirken.
Conversational Commerce ermöglicht durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz die Optimierung der Kundeninteraktion. Diese kann automatisiert, hyperpersonalisiert, situationsbezogen und rund um die Uhr stattfinden – und das ohne die enormen Kosten und vor allem Personal-Aufwände, die der klassische Kundenservice erfordert. Der wiederum kann sich so auf die wichtigen und komplexeren Fälle konzentrieren.
Was genau ist Conversational Commerce?
Schon seit der Antike nutzen Menschen Konversation, um Handel zu betreiben und ihre Waren zu verkaufen. Sei es beim einfachen Kauf eines Weines oder der komplexeren Planung und Buchung einer Weltreise – das Gespräch zwischen Händler und Kunde wird immer ein essentieller Bestandteil des Handels bleiben.
Etailment Expertenrat
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Die digitale Form ist Conversational Commerce und meint die automatisierte Interaktion zwischen dem virtuellen Agenten eines Unternehmens und dessen Kunden. Durch solche virtuellen Agenten, die Künstliche Intelligenz nutzen, um selbstständig dazu zu lernen, kann der (Online-) Kunde im Chat oder per Sprachsteuerung direkt mit einer Marke beziehungsweise einem Händler interagieren.
Vorrangig im E-Commerce und im Kundenservice finden somit vermeintlich direkte Kontakte zwischen Unternehmen und Nutzern statt, hauptsächlich über Messaging Apps wie WhatsApp und WeChat, in den sozialen Netzwerken oder per SMS.
Mit knapp 4 Milliarden Nutzern weltweit liegt der große Vorteil dieser Kanäle klar in ihrer bereits etablierten breiten Akzeptanz. Zusätzlich zu Messenger-Diensten sind Sprach-Interfaces wie Alexa und Siri von steigender Bedeutung: 147 Millionen sogenannte Smart Speaker wurden allein in 2019 verkauft und werden von Konsumenten auf der ganzen Welt genutzt.
Über den Autor
Thomas Täuber ist Geschäftsführer bei der
Managementberatung Accenture Deutschland GmbH. Er verantwortet die Bereiche Handel und Konsumgüter in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Russland. Täuber ist Mit-Herausgeber und Mit-Autor des Fachbuch-Bestsellers
„Handel mit Mehrwert". Täuber schreibt regelmäßig für den
"Etailment Expertenrat".
Besonders in den letzten zwei Jahren erleben auch persönliche virtuelle Begleiter im Alltag, oft in Form von Avataren, einen starken Aufschwung. Diese Assistenten bieten eine deutlich tiefere Durchdringung des täglichen Lebens und eröffnen so ganz neue Ansätze mit starker Personalisierung und situationsbezogenen Angeboten.
Warum der Einsatz von Conversational Commerce lohnt
Die Voraussetzungen für Conversational Commerce sind gut. Viele Verbraucher haben den Eindruck bei Kundenhotlines nur Zeit zu verlieren und präferieren einen Kontakt über Chat. Laut einer Accenture-Studie von 2019 hatten bereits mehr als 75% der Konsumenten über einen Chatbot Kontakt zu einer Marke oder sind daran interessiert dies zukünftig auszuprobieren.
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Spezial-Dossier
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Beispiele wie der chinesisch sprechende Chatbot Xiaoice in Asien zeigen, dass Kunden eine Beziehung zu diesen virtuellen Begleitern aufbauen und auf ihren Rat vertrauen. Unternehmen, die diese neue Technologie vollumfänglich zu nutzen wissen und damit so reaktionsschnell, zugewandt und kommunikativ wie ein Freund agieren können, werden in der Lage sein, nachhaltige Kundenbeziehungen aufzubauen und letztendlich ihren Umsatz zu steigern.
Die wichtigsten Vorteile
- Begleitung der gesamten Customer Journey
Eine interaktive „Unterhaltung“ kann in jeder Phase des Kaufprozesses wertvoll sein: bei Produktfragen im Entscheidungsprozess, bei der Unterstützung im Bezahlvorgang, sowie wie im nachgelagerten Kundenservice.
Conversational Commerce ist nicht nur deshalb vielversprechend, weil sich die Interaktion zwischen Marke und Verbraucher „menschlich“ anfühlt, sondern auch, weil der Kunde sein Anliegen in wenigen, einfachen Schritten lösen kann. Je geringer der Aufwand für den Kunden ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er den Einkauf abschließt. Conversational Commerce ermöglicht sogar einen Kaufabschluss, ohne einen Mitarbeiter einbinden zu müssen.
Ein Traum für alle Kunden: Conversational Commerce ermöglicht einen Kundenservice ohne Warteschlange und eine 24/7-Erreichbarkeit des Unternehmens. Zudem können Gespräche kundenseitig beliebig unterbrochen und weitergeführt werden. Darüber hinaus unterstützt die Technologie aber auch die Nutzung von Multimedia-Daten wie Video und Audio sowie Elemente wie GiFs und Links, welche die Kommunikation auflockern und persönlicher gestalten.
- Datenerfassung und Auswertung
Conversational Commerce erleichtert auch die Datenerfassung auf Kundenebene. Durch die automatisierten und archivierten Gespräche kann ein Unternehmen sehr individuelle Daten erheben und so seine Zielgruppen und Kunden besser verstehen. Dies wiederum ermöglicht zielgerichtete Marketing-Aktivitäten, Kosteneffizienzen, sowie ein kundenwertorientiertes Beziehungsmanagement.
Wo Sprach-Assistenten & Co bereits erfolgreich eingesetzt werden
Sprach-Assistenten werden bereits von vielen Unternehmen mit verschiedenen Reifegraden und unterschiedlich hohem Erfolg genutzt. Hierbei ist bereits zu beobachten, dass technologisch schlechte Chatbots die Akzeptanz insgesamt stark senken können und viele Nutzer von ihnen eher genervt sind.
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Gleichzeitig lassen sich auch interkulturelle Unterschiede feststellen: Während vor allem deutsche Kunden sehr anspruchsvoll sind und lieber „fertige“ beziehungsweise marktreife Produkte nutzen, sind asiatische Konsumenten, beispielsweise aus China, viel offener gegenüber neuen Technologien und gehen spielerischer mit diesen um, auch wenn sie noch nicht perfekt sind. Auch im Bereich Conversational Commerce ist die Marktdurchdringung hier bereits deutlich höher.
Xiaoice – die Lösung von Microsoft
Ursprünglich ein Experiment von Microsoft China, um die Grenzen der Chatbot-Technologie zu erforschen, hat Xioice heute über 650 Millionen Nutzer und viele verschiedene Gesichter – wie Künstler, Nachrichtensprecher oder Fernsehmoderatorin.
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Xioice - der Chatbot von Microsoft China
Mittlerweile sehen viele Nutzer sie nicht mehr als Chatbot, sondern als treue Gefährtin. Xioice lernt aus den Daten jeder Unterhaltung und entwickelt sich somit ständig weiter. Durch die tiefe Einbindung in das Leben ihrer Nutzer und die Fähigkeit Nutzerdaten zu sammeln und auszuwerten entsteht auch für den Einzelhandel ein enormes Potential.
AliGenie – für Erwachsene wie Kinder
Menschen halten sich circa acht Stunden des Tages an ihrem Arbeitsplatz auf. Daneben verbringen sie zwei Drittel des Tages an den folgenden drei Orten: dem Schlafzimmer, dem Wohnzimmer und im Auto.
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Aligenie – die Alexa-Variante von Alibaba
Mit dem persönlichen Assistenten AliGenie will Alibaba vor allem das Erlebnis der Menschen in diesen drei großen Lebensräumen verbessern. So können Autofahrer zum Beispiel unterwegs Empfehlungen für Kino-Tickets und Restaurants abfragen, Essen bestellen, Kinderbücher vorlesen und auf den Alibaba-Plattformen Taobao und Tmall verschiedenste Produkte einkaufen. Auf diese Weise wird „verschwendete“ Zeit im Auto sinnvoll genutzt.
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Fürs Kinderzimmer lässt sich sich Aligenie mit der Katze einfach aufrüsten.
Vodafone Tobi – wirkungsvoller Serviceberater
Vodafone‘s Chatbot Tobi bearbeitet seit 2018 Kunden-Anliegen direkt über verschiedene Kanäle wie WhatsApp Business, Apple Business Chat und Facebook Messenger. Tobi hat hierbei zwei Rollen: Erstens ordnet er als eine Art Concierge die Kundenanfragen (gegebenenfalls durch gezielte Rückfragen) thematisch ein, um sie bei Bedarf an das richtige Serviceteam weiterzuleiten.
© Vodafone
Tobi – einfach aber wirkungsvoll – der digitale Dienstleister von Vodafone
Zweitens hat er als Serviceberater selbst die Antworten für viele Anliegen parat und ist ständig erreichbar. So kann der Kunde zum Beispiel direkt per WhatsApp den Bestellstatus eines neuen Mobiltelefons erfragen oder per SMS ein Vertrags-Upgrade durchführen, ohne zusätzlichen administrativen Aufwand.
Business Guide
49 Seiten Ratgeber „Kommunikation in der Krise“: Gute Ideen mit kleinem Budget
Auch in der Krise darf die Kommunikation mit den Kunden nicht abbrechen. Der Corona-Ratgeber „Kommunikation in der Krise“ zeigt auf 49 Seiten, wie kleine und große Unternehmen gerade jetzt mit den Kunden kommunizieren und wie sie auch noch neue Erlösmodelle und Verkaufskanäle entdecken. Mehr lesen
Ist das Anliegen zu komplex oder hat Tobi es nicht mit hoher Sicherheit erkannt, leitet er die Anfrage an einen menschlichen Service-Mitarbeiter weiter. Das Vodafone-Beispiel zeigt auch: das Kunden-Engagement war bei Kommunikation via WhatsApp 45% größer als bei SMS.
Fazit Wie kann der Handel all diese Entwicklungen für sich nutzen? Zunächst einmal lässt sich eine zunehmende Adaption der Technologie im Markt beobachten, gepaart mit einer schnellen technischen Entwicklung. Außerdem gewöhnen sich immer mehr Kunden an den Umgang mit der neuen Technologie, und wissen ihre Vorteile zu schätzen.
Hierbei lässt sich bei richtiger Umsetzung durch die ständige Erreichbarkeit und schnellere Lösung von Kundenanliegen nicht nur die Kundenzufriedenheit steigern. Durch die übermittelten Kundendaten und -Profile ist es möglich, Kunden jederzeit das richtige Angebot über den richtigen Kanal zu unterbreiten.
Darüber hinaus bietet die zunehmende Verbreitung von Voice Interfaces und digitalen Agenten Unternehmen langfristig die Möglichkeit, die Customer Journey komplett neu zu erdenken und zu definieren, mit großem Einfluss auf die Customer Experience. Ständige Begleiter wie der Chatbot Xiaoice beispielsweise ermöglichen eine viel tiefere Durchdringung des täglichen Lebens und so ganz neue Ansätze mit starker Personalisierung und situationsbezogenen Angeboten.
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