Leere Regale treiben dem Handel Schweißperlen auf die Stirn. Ein Nadelöhr für den Nachschub – die Logistik. Die Branche hat sich schnell auf die Corona-Krisenzeiten eingestellt, das Versandvolumen nimmt bereits Vorweihnachtsniveau an. Mit dem Produktionsstart in China erwartet die Branche eine neue Welle. Die größte Herausforderung ist aber: Die Mitarbeiter müssen gesund bleiben.
Das geschrumpfte verfügbare Einkommen bedeutet Konsumverzicht. Schon jetzt meldet der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) einen Einbruch des E-Commerce im März um fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Versandvolumen wächst kräftig
Parallel verzeichnen Logistikunternehmen wie Hermes, Deutsche Post DHL Group (DPDHL), Ondemandcommerce (ODC) oder Liefery massive Steigerungen. Entsprechend BEVH haben aktuell nur Online-Anbieter Freude, die Lebensmittel, Drogeriewaren, Medikamente und Do-it-yourself- beziehungsweise Baumarkt-Sortimente führen. Doch auf unseren Straßen werden nicht nur Bastelsets, Hygieneprodukte und Medikamente transportiert.Noch vor wenigen Wochen kamen aus China nahezu keine Produkte – weder Bauteile noch Sortimente für den Einzelhandel. Für die davon abhängigen Branchen war das ein Desaster. Die Frachtraten waren deshalb Anfang des Jahres ständig in Bewegung. Da auch in der Luft nicht mehr viel ging, startete der Logistikzweig von Alibaba, Cainiao, kurzerhand mit fünf Fracht-Charterflügen pro Woche zwischen den Electronic World Trade Platform (eWTP) Standorten Hangshou und Kuala Lumpur.
Parallel wurde ein grenzüberschreitender Logistikdienst eingerichet, der bei der Lieferung von Kleinwaren in über 200 Länder helfen soll – zusätzliche Kosten übernehmen in Europa Cainiao und AliExpress.
Produktion läuft in China wieder an – stagniert in Europa und USA
Nachdem in China nun wieder die Fabriken angelaufen sind, ist die Logistik in Europa wieder stärker gefordert. "Wir registrieren steigende Sendungsvolumina", erklärt Sarah Preuß, Pressesprecherin der Deutsche Post DHL Group (DPDHL). "Im Gegensatz hierzu reduzieren jedoch Industrien in Europa und Amerika Produktionen oder stellen diese ganz ein. In Großbritannien zum Beispiel verzeichnen wir einen deutlichen Anstieg des Auftragsvolumens in unserer Geschäftseinheit, die beispielsweise Supermärkte und Drogeriemärkte beliefert."Die Logistikunternehmen haben ihre Prozesse umgestellt, Mitarbeiter sind soweit wie möglich im Home Office, Kundenbegegnungen auf kontaktlose Optionen umgestellt und die Arbeitsteams bleiben streng getrennt, um Ansteckungen begrenzt zu halten. Christian Athen, Gründer und Mitgeschäftsführer von Ondemand commerce, das Logistik-Start-up mit Fulfillment der Otto Gruppe, ist gerade im Black Friday Modus. Anders als noch im Februar sei die Nachfrage im März sehr dynamisch.
Händler suchen neue Wege – und neue Dienstleister
"Wir haben gegenüber Februar ein Wachstum von rund 40%", erklärt der Gründer. Dass dies gut zu bewältigen ist, liegt unter anderem daran, dass die Prozesse im Unternehmen schon immer komplett digital laufen. "Nur die Hygienevorschriften nehmen etwas Produktivität raus", ergänzt Athen, doch sei das keine relevante Einschränkung. Gerade hat das Unternehmen in Eisenach (Thüringen) einen weiteren Standort in Betrieb genommen. Die Multi-User-Fläche umfasst insgesamt 60.000 Quadratmeter. ODC nutzt einen Teil davon und kann bei Bedarf aufstocken.

Das Geschäft läuft so lange reibungslos, so lange Zusteller wie DHL, Hermes und Co. funktionieren. In den letzten Wochen haben alle den Prozess auf kontaktlose Paketübergabe in Höchstgeschwindigkeit umgestellt. Die Achillesferse: Hauptsache die Mitarbeiter bleiben gesund. Auch für das Start-up Liefery an dem mehrheitlich Hermes beteiligt ist, ist das eine der Hauptherausforderungen. "Es ist zwingend für die Sicherheit der Kuriere und Empfänger zu sorgen und gleichzeitig dem anhaltenden Wachstum mit unserem Qualitätsanspruch nachzukommen", eklärt Nils Fischer, Mitbegründer und CEO von Liefery.
Liefery vereinfacht für Händler den Einstieg in den Versand
Denn mit Beginn der Ausgangssperre haben die Lieferspezialisten einen enormen Wachstumssprung in den schon wachstumsstarken Segmenten Lebensmittel-, Apotheken- und Kochboxenlieferungen erlebt. Und das wird weitergehen. Um für kleine wie große Händler Prozesse so einfach wie möglich zu machen, ging gerade ihr Ship-from-Store Service an den Start.
Die Verlässlichkeit der Zustellung auf der letzten Meile funktioniert besser als mancher erwartet hatte. Auch bei DPDHL gehe die deutsche Brief- und Paketzustellung ohne betriebliche Einschränkungen weiter. Mittlerweile hat auch deren Versandgeschäft seit Ende März bereits Vorweihnachtsniveau erreicht.
Aufgrund der aktuellen Reiseeinschränkungen und der Feiertage rechnet Preuß mit weiter steigenden Zahlen. "Daher setzen wir jetzt alles daran, die Kapazität weiter hochzufahren. Dazu wollen wir auch vermehrt Kollegen aus anderen Bereichen, wie dem Brief- oder Landfrachtgeschäft, einsetzen", erklärt die Pressesprecherin. Gerade kleine Händler sind besonders von der Schließung ihrer Geschäfte betroffen. Deshalb startet DHL an diesem Dienstag die Intitiative „DHL lokal handeln“. Geschäftsinhaber erhalten Hilfe, die über das reine logistische Handling hinaus geht. Sie erhalten Unterstützung, bei Fragen wie sie ihre Waren an ihre Kunden versenden und ihr Produktangebot online verfügbar machen können.

Damit überhaupt Kunden in der Region von den neuen Angeboten des jeweiligen Einzelhändlers erfahren, stellt die Deutsche Post ihr Know-how bei der einfachen und kostengünstigen Erstellung von regionalisierten Mailings zur Verfügung. Voraussetzung: Man muss sich als Geschäftskunde registrieren und ein Sendungsvolumen von 200 Pakten im Jahr rechnen. Das könnte in diesen Zeiten zu toppen sein.