E-Food hat Hochkonjunktur. Doch Corona bremst den schnellen Einkauf: Warteschlangen auch im Netz. Chronik einer Pandemie im Online-Lebensmittelhandel.
Waren bis dato die größte Sorge von Unternehmenslenkern und Politik noch der schwelende Handelsstreit zwischen den USA und China und das Aufkommen von weiteren Handelshemmnissen, haben wir es nun mit einem anderen Kaliber zu tun: Einer inzwischen weltweiten Pandemie, die auch noch lange über ihren Zenith hinaus nachhaltig ihre Spuren im Wirtschafts- und Sozialleben hinterlassen wird.
Die gesteigerte Nachfrage nach Lebensmitteln, vor allem geschürt durch die Angst des Unbekannten, führte nach dem Bekanntwerden der ersten Corona-Fälle im eigenen Land alsbald auch zu ersten Hamsterkäufen im stationären Handel.
Waren zu Beginn vor allem Desinfektionsmittel und Schutzmasken im Verbraucherfokus, verlagerte sich dieser alsbald auch auf Güter des täglichen Bedarfs, insbesondere auf lang haltbare Lebensmittel, Konserven, Nährmittel und Drogerieartikel wie Seife oder WC-Papier.Während vor rund zwei Wochen noch die ersten Online-Lebensmittelhändler das Hamstern der stationären Verbraucher marketingtechnisch auf die Schippe nahmen, sollte es nicht mehr lange dauern, bis der hamsternde Verbraucher auf die digitale Welt traf und diese für sich entdeckte.

Social Distancing Aufrufe der Behörden und rasant steigende Infektionszahlen schüren die Angst der Verbraucher vor dem Supermarkteinkauf und lassen diese nach alternativen Möglichkeiten der kontaktärmeren Bedarfsdeckung suchen. Dies spiegelt sich ebenfalls in den gesteigerten Suchen nach beispielsweise «Lieferdienst» oder «Lebensmittel online» bei Google wider.
Hochzeit für Lieferdienste
E-Commerce und vor allem der Online-Lebensmittelhandel kommen da gerade recht. Während früher Convenience, Zeitersparnis und kein Schleppen des Wocheneinkaufs als Differenzierungsmerkmal für E-Food galt, ist es derzeit in den Köpfen der Neukunden vor allem die Vermeidung des Kontakts mit der Aussenwelt.Das Mantra heißt dabei nun Sicherheit vor Bequemlichkeit für die Verbraucher. Und E-Food rückt durch die Corona-Pandemie in ein neues, wesentlich attraktiveres Licht in den Köpfen der Konsumenten.
Die Lieferung des Wocheneinkaufs erscheint dabei vielen Menschen nicht nur als eine bequeme Option zum Schleppen bis an die Wohnungstüre, sondern ebenfalls als eine gefühlt sicherere Wahl, um die eigene Grundversorgung mit Lebensmitteln und Getränken sicherzustellen.
Insbesondere der in vielen Europäischen Ländern eingeläutete, mehrwöchige Shutdown adressiert nicht nur weiter die Ur-Angst der Verbraucher nach theoretisch möglichen Versorgungsengpässen, sondern verlagert auch weiter vormals stationäre Volumen (temporär) ins Internet.
Während das Coronavirus und die damit verbundenen Restriktionen vor allem kleine, stationäre Händler außerhalb des Lebensmittelhandels vor teils schier unlösbare Probleme stellt, scheint es für die Lebensmittellieferdienste einen quasi gratis Marketingeffekt zu haben und beschert diesen bisher nicht erträumte Zuwachsraten.
Fulfillment-Prozesse bereits am Limit
Europäische Lebensmittelonlinehändler werden seitdem regelrecht überrannt. Waren anfangs lediglich die Lieferslots für die kommenden Tage ausgebucht, herrscht inzwischen durch die Bank weg bei allen E-Food Anbietern eine Auslastung wie sonst nur an Black Friday; technische Systeme und Fulfillment-Prozesse ächzen unter der Volllast und sind durch die Bank weg bei allen Anbietern am Limit. Nutzer berichten in sozialen Medien über schlechte Shop-Performance oder Totalausfälle, da die überproportional gestiegenen Zugriffsraten die Shops in die Knie zwingen. Der Schweizer Anbieter LeShop hat beispielsweise temporär einen virtuellen Warteraum aufgeschaltet, um den Kundenansturm abfedern zu können.Zudem muss der Kunde nach Ablauf des Wartezeitraums innerhalb von 15 Minuten bestätigen, dass er einkaufen möchte, sonst verfällt seine Eintrittsmöglichkeit und der Prozess beginnt von vorne.

Ebenfalls kann Ocado die schiere Masse an Anfragen nicht mehr kapazitätsmäßig bedienen und limitiert mittels virtueller Schlange den Eintritt in den Shop, da man bereits eine Woche im Voraus ausgebucht ist. Prognostizierte Wartezeit: Mehr als zwei Stunden bei derzeit rund 7.000 weiteren wartenden Kunden.





Die Zahlen beziehen sich auf den Vergleichszeitraum von Mitte Februar zu letzter Woche. Die Leute kaufen also nicht nur Toilettenpapier, sondern nutzen die Breite des Sortiments.»
Während in den USA Instacart und Postmates mit dieser Auslieferart Anfang Monat neu starteten, wurde diese durch Deliveero und Glovo auch in Europa mehr ins Verbraucherbewusstsein gerückt.
Im deutschsprachigen Raum haben unter anderem auch Picnic, wie die Lebensmittelzeitung weiß, und myMigros bei der kontaktlosen Lieferung nachgezogen.
Fazit
Ob die derzeitigen Entwicklungen durch den Coronavirus Akzeptanz und Wachstum nachhaltig im E-Food fördern, bleibt abzuwarten. Die Hoffnung einzelner Anbieter bleibt, dass einige Kunden auch nach Abebben der derzeitigen Corona-Angst weiter den Lebensmittel-Lieferdiensten treu bleiben und Anbieter langfristig den Kundenstamm vergrössern können.
Ob dies gelingt, hängt auch vor allem auch von der nachhaltigen Schaffung von so genannten «Lock-In-Effekten» ab, um die Kunden im eigenen System zu halten und zu Stammkunden zu transformieren. Wie dies erfolgreich gelingt, kann hier bei etailment im Beitrag «E-Food: Wie man den Kunden mit Lock-in Strategien erfolgreich behält»nachgelesen werden.