Worauf Unternehmen beim Online-Erlebnis Wert legen, deckt sich nicht immer mit dem, was den Kunden wichtig ist. Das zeigt eine aktuelle Studie, die das Einkaufserlebnis im E-Commerce auf den Prüfstand gestellt hat. Was Onlinekunden sich wünschen und warum sie dabei oft enttäuscht werden, erläutert Oliver Bogatu, General Manager DACH bei Bloomreach, in einem Gastbeitrag.
Aufgrund von Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen war zu erwarten, dass Onlineshopping an Auftrieb gewinnt. Die Studie "The State of Commerce Experience" bestätigt das: 46 Prozent der Unternehmen beobachten einen Anstieg des digitalen Geschäfts. 38 Prozent der befragten E-Commerce-Entscheider verzeichnen ein erhöhtes Suchvolumen auf ihren Onlinekanälen, 36 Prozent einen höheren Onlinetraffic und 34 Prozent sehen mehr Onlinebestellungen.
Zudem setzen 32 Prozent verstärkt auf Marktplätze wie Amazon, um ihre Onlineumsätze schnell zu steigern. Und ebenso viele betrachten die digitalen Kanäle als überlebenskritisch für ihr Geschäft.
Onlinekauf mit Hindernissen
Dieser Befund spiegelt sich auch auf Seiten der Käufer wider: Die Hälfte der Konsumenten bestellt seit den Pandemie-Beschränkungen Produkte im Web, die sie vorher nur im Ladengeschäft gekauft hat. Das betrifft am häufigsten Lebensmittel, Haushaltswaren und Spielzeug.Doch Einkäufe übers Internet sind keineswegs immer so umkompliziert, wie man heutzutage meinen sollte. 72 Prozent der deutschen Käufer - sowohl End- als auch Unternehmenskunden - hatten bereits Schwierigkeiten, als sie Waren online recherchieren und ordern wollten: von unbefriedigenden Suchergebnissen über fehlende Informationen, wie etwa Produktbilder, Bewertungen oder Lieferdetails, bis hin zu nicht vorrätiger Ware.
Name und Geburtstag reichen für die Personalisierung nicht
Außerdem war die letzte Online-Erfahrung bei nicht einmal 20 Prozent der Kunden vollständig personalisiert. Nur Namen und Geburtsdaten von Kunden zu kennen, ist für eine konsequente Personalisierung nicht ausreichend. Relevante Inhalte und Angebote sind aber unverzichtbar.Immerhin hat Content auf der Shop-Website für 33 Prozent der Kunden den Anreiz zum Kauf gegeben. Bedenklich ist auch, dass die Customer Experience ausgerechnet auf der eigenen Marken-Website und Mobile-App zu wünschen übrig lässt: Nur 30 beziehungsweise 24 Prozent der Kunden waren hier mit dem Einkaufserlebnis zufrieden - im Gegensatz zu 47 Prozent beim Online-Marktplatz.
Unternehmen vertun somit die Chance, auf den eigenen Kanälen gegenüber Amazon und Co. zu punkten. Gerade in diesen Zeiten wäre dies ein deutlicher Wettbewerbsvorteil. Stattdessen geht die Unzufriedenheit der Käufer so weit, dass 37 Prozent bereit wären, für eine bessere Kundenerfahrung mehr Geld auszugeben - für die im internationalen Vergleich als besonders preissensibel geltenden Deutschen ein beachtlicher Wert. Unter den Business-Einkäufern ist die Bereitschaft mit 56 Prozent sogar noch höher.
Es fehlt an den Grundlagen
Erwarten die Kunden möglicherweise zu viel? Setzen sie eine hypermoderne Customer Experience mit allen Gimmicks voraus, die neue Technologien in petto haben? Die Studie zeigt, dass dem nicht so ist. Käufer vermissen keine anspruchsvollen interaktiven Inhalte oder ausgefallenen Features im Webshop. Vielmehr sorgen grundlegende Aspekte der Kundenerfahrung für Frust.So berichten 29 Prozent der Käufer, dass ein Produkt, das sie kürzlich online bestellen wollten, nicht auf Lager war. 21 Prozent konnten auf eine oder mehrere Fragen keine Antwort finden. Und 16 Prozent haben das Einkaufserlebnis nicht als intuitiv empfunden.
Schlechte Produktbilder, lückenhafte Informationen und fehlende Bewertungen
Solche Defizite betreffen nicht nur einen Bereich, sondern ziehen sich durch alle Phasen der Customer Journey. Diese negativen Erfahrungen haben Kunden in den letzten drei Monaten vor der Befragung gemacht:- Produktsuche: 41 Prozent erhalten Treffer, die nicht zu ihrer Suche passen; 28 Prozent können die Suchergebnisse nicht filtern; 27 Prozent vermissen im Suchfeld eine Textvervollständigung.
- Produktinformationen: 43 Prozent berichten von fehlenden oder schlechten Produktbildern; 36 Prozent bemängeln lückenhafte oder unpräzise Produktinformationen; bei 28 Prozent sind die Angaben zum Preis verwirrend oder fehlen ganz.
- Unterstützender Content: 33 Prozent vermissen Bewertungen oder Rezensionen von Verbrauchern, 23 Prozent solche von Fachleuten; 26 Prozent fühlen sich bezüglich der Anwendung eines Produkts nicht ausreichend aufgeklärt.
- Check-out und Lieferung: 32 Prozent der Käufer können ihre bevorzugte Bezahlart nicht nutzen, weil sie nicht angeboten wird; 28 Prozent empfinden die Versandkosten als hoch oder die Lieferzeit als lang; 25 Prozent monieren die fehlende Möglichkeit, den Status der Lieferung zu verfolgen.
Kundenwünsche nicht im Fokus
Die Ergebnisse offenbaren auch einen der Gründe, warum es Unternehmen nicht gelingt, allen Kunden ein zufriedenstellendes Einkaufserlebnis zu verschaffen. Viele Aspekte der Customer Experience werden von Käufern einerseits und Händlern andererseits ganz unterschiedlich gewichtet.Beispielsweise sind für 82 Prozent der B2C-Kunden Suchergebnisse, die ihnen die passenden Produkte anzeigen, ein wichtiges oder sogar kritisches Kriterium - während nur 45 Prozent der Händler die Möglichkeit bieten, Suchergebnisse nach Kategorien wie Preis, Marke, Stil etc. zu filtern.
Nur jeder dritte Kunde interessiert sich für visuelle Produktsuche
Ebenso legen 76 Prozent der Kunden auf eine einfache Navigation im Webshop Wert, die jedoch nur 46 Prozent der Händler aktiv anstreben. Im Gegenzug wollen 64 Prozent der Händler eine visuelle Suche anbieten. Kunden laden dabei zum Beispiel ein Foto eines T-Shirts hoch und bekommen ähnliche Produkte angezeigt. Dieses Feature erachten allerdings nur 34 Prozent der Käufer aktuell als wichtig.Die Diskrepanzen verdeutlichen: Händler schätzen häufig falsch ein, was ihre Kunden beim Onlineshopping wirklich benötigen. Sie fokussieren Elemente der Customer Experience, die für Kunden zweitrangig sind, und vernachlässigen gleichzeitig, was für ein gelungenes Einkaufserlebnis unverzichtbar ist.
Die richtigen Prioritäten setzen
Dabei ist es denkbar, dass Händler den Käufern hier und da einen Schritt voraus sind. Manche Features spielen vielleicht heute noch keine große Rolle, werden aber in Zukunft relevanter sein. So sind beispielsweise Produktvideos nur für 26 Prozent der Kunden, aber für 53 Prozent der Händler ein wichtiges Kriterium.Insofern ist es kein Fehler, wenn Händler auch auf Videocontent setzen, um die Merkmale und Funktionsweise von Produkten zu erläutern. Mit neuartigen Features zu experimentieren, darf aber keinesfalls auf Kosten der Basics geschehen. Zu letzteren zählt etwa die Angabe von detaillierten Produktinformationen. Diese sind für 80 Prozent der Kunden wichtig, doch gerade einmal 24 Prozent der Händler haben sie auf ihrer Agenda.
Wenn die Grundlagen nicht stimmen, hat dies fatale Folgen. Der Preis für schlechte Einkaufserlebnisse ist hoch: Die Hälfte der befragten B2C- und B2B-Kunden sehen es als unwahrscheinlich an, dass sie nach einer schlechten Erfahrung noch einmal bei demselben Händler kaufen würden. Und sogar noch mehr, nämlich 56 Prozent, würden mit großer Wahrscheinlichkeit anderen davon erzählen. Somit leidet nicht nur die Konversion, sondern auch die Reputation der Marke.
Neue Technologien gezielt nutzen
Was bedeuten diese Erkenntnisse für Unternehmen? In Folge von Corona richten E-Commerce-Treibende ihre Strategie neu aus. Der Fokus verlagert sich von Offline zu Online. 20 Prozent der Händler wollen in den nächsten zwölf Monaten die Investitionen in ihre stationären Ladengeschäfte kürzen. Gleichzeitig soll mehr in die eigene Website und die eigene Mobile-App investiert werden - 64 beziehungsweise 58 Prozent erhöhen hier das Budget.Außerdem planen 68 Prozent der Unternehmen, mehr für entsprechende Commerce-Technologien auszugeben. Dazu gehören etwa KI-basierte Experience- und Personalisierungstools, Lösungen für Konversionsoptimierung und Produktinformationsmanagement (PIM) sowie vernetzte Services.
Seit Corona führen KI-Tools, verbesserte Suchmöglichkeiten und Direct-to-Consumer-Modelle die Liste der geplanten Investitionen an. Individuelle, auf die persönlichen Vorlieben abgestimmte Onlineerlebnisse zu bieten, zahlt sich aus: Unter den Händlern, die bereits KI zur Personalisierung einsetzen, verzeichnen 96 Prozent einen höheren durchschnittlichen Wert des Warenkorbs. Ebenso viele sehen Verbesserungen während der Customer Journey.
Was Händler jetzt tun sollten
Neue Technologien wie KI oder Virtual Reality sind wichtig und werden den zukünftigen Standard der digitalen Customer Experience mitbestimmen. Bevor sich Unternehmen damit befassen, sollten sie jedoch aktuelle Defizite in Sachen Kundenerfahrung identifizieren und beheben.Von zentraler Bedeutung sind effiziente Suchmöglichkeiten, eine intuitive Seitennavigation sowie übersichtliche Angaben zum Produkt und zum Kaufvorgang. Kunden wollen das passende Produkt schnell finden und auf einen Blick alle relevanten Informationen erhalten: Ist der Artikel in der gewünschten Ausführung vorrätig? Wie lange dauert die Lieferung? Kann ich per Rechnung bezahlen? Etc.
Erst wenn der Onlineshop dahingehend dem State of the Art entspricht, ist es an der Zeit, innovativere Features aufzugreifen. Darüber hinaus ist es wichtig, Kunden entlang der gesamten Customer Journey mit interessanten, personalisierten Inhalten zu versorgen.
Käufer von heute wünschen sich unterhaltende und nützliche Interaktionen mit ihren Lieblingsmarken - und keine bloßen Shopping-Transaktionen. Händler, die nicht nur als Bestellannehmer agieren, sondern ihre Commerce-Strategie konsequent vom Kunden her denken, haben den wichtigsten Schritt zum Erfolg schon gemacht.