Handelsunternehmen verfügen über wahre Datenschätze - sie müssen sie nur heben und einsetzen. Aus Surf-, Klick- und Kaufverhalten, demographischen Daten, App- oder Loyalty-Daten erhalten Händler einen sogenannten Single Point of Truth, mit dem eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden möglich wird. Verknüpfen Händler diese Daten nun mit Unternehmenskennzahlen und Kundenhistorie, können sowohl User Experience als auch Umsatz maximiert werden. Wie das geht und wie Händler mithilfe angereicherter Daten ihren Kunden passgenaue Angebote unterbreiten können, erklärt Felix Schirl, CEO der trbo GmbH.

95% der Nutzer wünschen sich, dass Händler ihre Interessen und Passionen kennen. Doch wie erkennt man diese Interessen online? Mit Daten! Hier hapert es bei vielen Unternehmen noch in der praktischen Umsetzung. Es werden zwar Daten zu den Nutzern erhoben, aber viel zu oft landen diese Daten in unterschiedlichen Systemen und Abteilungen.

Werden die Daten nicht verknüpft, bleibt die Customer Journey nur Stückwerk, von besonderen Erlebnissen im Shop ganz zu schweigen. Entsprechend wichtig ist es, Datensilos aufzulösen, um eine holistische Kundensicht zu erreichen. So wird der Kunde vollumfänglich erkannt und angesprochen.
Der Nutzen von Datenanalysen ist bekannt - und doch hapert es in vielen Unternehmen bei der praktischen Umsetzung.
© IMAGO / Panthermedia
Der Nutzen von Datenanalysen ist bekannt - und doch hapert es in vielen Unternehmen bei der praktischen Umsetzung.

Voraussetzung für die Datenanreicherung

Doch wie wird eine solche 360-Grad-Sicht auf den Kunden möglich? Zunächst gilt es, eine sinnvolle Dateninfrastruktur zu erstellen. Hierzu werden idealerweise alle Tools und Touchpoints, die Kundenkontakte verzeichnen, verknüpft. Dabei helfen Data Warehouses, Customer Data Platforms und weitere Tools. Aber auch mittels Data Layern können Daten zwischen den verschiedenen Tools ausgetauscht werden.

Um diese Daten dann im Onlineshop nutzen zu können, müssen sie mit einem übergreifenden Datum verknüpft werden. Dieser Prozess nennt sich Data-Stitching. Die Daten werden dann z.B. mit der E-Mail-Adresse (bei eingeloggten Nutzern) oder über eine Nutzer-ID verknüpft. So können mit den vorhandenen Daten Segmente gebildet oder gar eine 1:1-Personalisierung für den Kunden ermöglicht werden.
Wichtig hierbei: Die Schnittstellen sollten bi-direktional sein. So können die Daten von allen Touchpoints auch in alle Systeme übertragen und genutzt werden. Entsprechend fließen dann Informationen aus Business-Intelligence (BI)- und CRM-Systemen in Kampagnen auf der Website ein, das Online-Einkaufs- und Surfverhalten kann wiederum in Werbekampagnen, E-Mail-Marketing und mehr verwendet werden, um auch hier besonders relevante Inhalte bereitzustellen.

Die Gratulation zum Geburtstag: einfach und effektiv

Durch die Anreicherung und Nutzung verschiedenster Daten zum Nutzer kann die Customer Journey besonders individuell gestaltet werden. Nimmt man zum Beispiel Informationen aus dem Kundenkonto, dann freut sich der Nutzer über eine Gratulation zum Geburtstag.

Meist geht ein persönliches Mailing zum Geburtstag an die Nutzer, entweder nutzt man diese Daten beim Klick-in aus dem Newsletter, das ist besonders einfach. Oder beim nächsten zeitnahen Log-in auf der Seite: Dann kann noch einmal mit einem Gutschein und einer persönlichen Botschaft gratuliert werden - hier müssen die Daten aus dem CRM-System kommen.

Sehr beliebt ist auch die persönliche Ansprache. Statt “Hey du!” wird der Nutzer dann mit seinem Namen angesprochen. Das vermittelt direkt ein gewisses Stammkundengefühl. Ist die Kauf- und Surfhistorie bekannt, werden Empfehlungen, Angebote und mehr noch individueller - statt pauschal Topseller des Shops und seitenweite Rabatte anzuzeigen.

Beim Thema Daten haben Onlineanbieter naturgemäß einen Vorteil. Aber auch stationäre Händler können durch Analyse von Nutzer- und Produktdaten interne Prozesse verbessern und die Kundenzufriedenheit erhöhen.
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Digitalisierung

Wie der Handel mit Datenanalysen zurück ins Geschäft kommt

Mit Datenanalyse Retouren verringern

Soll die Produktsuche weitergehen? Dann kann der Nutzer die letzten Suchen oder zuletzt gesehene Produkte direkt noch einmal im sichtbaren Bereich sehen. Gibt es passende Gürtel zur zuletzt gekauften Hose oder weitere Outfitvorschläge? Diese können zusätzlich gezeigt werden.

Bei Telekommunikationsanbietern lohnen sich eigens berechnete BI-Daten für sogenannte Next-Best-Offer-Kommunikation - anhand der zusätzlichen Daten (z.B. genutztes Datenvolumen und Userverhalten) kann für den jeweiligen Nutzer der sinnvollste Vertrag angezeigt werden.

BI- und CRM-Daten können auch genutzt werden, um die Retourenquote zu minimieren: Retourenstarke Produkte werden dann von großflächigen Abverkaufskampagnen ausgeschlossen, Topseller mit niedriger Retourenquote wiederum in die Empfehlungen für Neukunden einbezogen. Auch die Produktdetailseiten können flexibel mit Informationen basierend auf Retourengründen angereichert werden (z.B. wenn das Produkt ungewohnt groß ausfällt). So erhalten die Nutzer direkt relevante Informationen zu den Produkten.
Retouren können mithilfe kluger Datenanalyse verringert werden - indem retourenstarke Produkte von Aktionen ausgeschlossen und Artikel mit geringer Rücksenderate empfohlen werden.
© IMAGO / Ralph Peters
Retouren können mithilfe kluger Datenanalyse verringert werden - indem retourenstarke Produkte von Aktionen ausgeschlossen und Artikel mit geringer Rücksenderate empfohlen werden.

Online- und Offline-Daten zusammenführen

Zur Informationsgewinnung bieten sich auch Umfragen an. Basierend auf den letzten Käufen werden die Nutzer um Bewertungen und nähere Angaben zum Produkt gebeten. So erhält der Shop Informationen zur Zufriedenheit, Passform und Produktbeschaffenheit. Diese Informationen fließen dann wiederum ein, um auch für weitere Nutzer das Einkaufserlebnis zu verbessern.

Immens wichtig ist auch die Verknüpfung des stationären Handels mit dem Onlinehandel. Denn auch Offline-Käufe können natürlich onsite aufgegriffen werden. So werden die Empfehlungen noch relevanter. Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Anreicherung. Einfach machen dies Kundenkarten und Loyalty-Programme.

So wird in den USA beispielsweise beim Offline-Kauf häufig die E-Mail-Adresse mit abgefragt. Kunden sichern sich einen kurzfristigen Rabatt, und der Händler kann die Käufe verknüpfen. Wird die Historie der Offline-Käufe online mit dem Kundenkonto verknüpft, können auch hier die Empfehlungen und Angebote passgenau basierend auf den Interessen des Nutzers zugeschnitten werden.

Vorteile gegen Daten

Auch der Checkout kann mit angereicherten Daten noch einfacher gemacht werden: Dann ist die bevorzugte Zahlungsart direkt ausgewählt, genauso wie die Adresse und der gerade noch gültige Treuegutschein liegt schon einlösebereit im Warenkorb.

Die Nutzer sollten durch das Teilen ihrer Daten vor allem eines erhalten: jede Menge Vorteile. Wenn basierend auf den verschiedensten Daten die Customer Journey besonders individuell und bequem wird, sind die User eher bereit, ihre Daten zu teilen.

Bringen die angereicherten Empfehlungen und die Verknüpfung von Offline und Online Käufen wirklich messbare Vorteile? Dies sollte stets mittels Testing evaluiert werden. Denn was in einem Shop sehr gut funktioniert, tangiert die Nutzer in einem anderen Shop kaum.

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