Bevor Shopbetreiber in der Lage sind, Kunden an allen Touchpoints im Shop personalisiert anzusprechen, müssen sie diese Kontaktpunkte genau kennen. Doch das Verständnis der Customer Journey variiert von Händler zu Händler. Welche Daten und Analysen nötig sind und welche Maßnahmen sich für eine individualisierte Kundenreise anbieten, sagt Etailment-Experte Felix Schirl, CEO der trbo GmbH.
Einige Modelle der Customer Journey sind restriktiver als andere. Manche sehen nur den Kauf und den Prozess ab dem Kauf als wirkliche Customer Journey, wobei alle anderen Touchpoints der User Journey zugerechnet werden.
Hierbei geht jedoch einiges an Potenzial verloren, da jeder User auf der Seite durch positive Erlebnisse gegebenenfalls in einen Käufer verwandelt werden kann.

Vier Phasen der Kundenreise
Im folgenden Beitrag betrachten wir deshalb die Customer Journey inklusive der Entscheidungsprozesse bis hin zum Kauf, der Einfachheit halber gegliedert in vier Phasen. In der ersten Phase geht es zunächst darum, die Aufmerksamkeit des Users zu gewinnen ("Awareness").In der zweiten Phase sammelt der Nutzer dann Informationen, vergleicht den Artikel eventuell auf verschiedenen Websites und überlegt sich gründlich seine Entscheidung ("Consideration").
Konnte man den Nutzer in dieser Phase überzeugen, kommt es in der dritten Phase zum Kauf ("Purchase"). Anschließend, in der vierten Phase, möchte man den Kunden an das Unternehmen binden und seine Treue gewinnen ("Loyalty").
An welchem Punkt kann personalisiert werden?
Um die Aufmerksamkeit der User in der ersten Phase der Kaufentscheidung zu gewinnen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Vom Newsletter über Social-Media-Posts und -Anzeigen bin hin zur klassischen Google-Suche, aber auch Anzeigen in Suchmaschinen - die Kanäle, mit denen man Nutzer ansprechen kann, sind vielfältig.Gelingt es, das Interesse des Nutzers zu wecken, sollte man die Ansprache mit den entsprechenden Kampagneninhalten konsequent auf der Website fortführen.
Kommt ein Kunde bspw. über den Newsletter in den Shop, sollten auf den ersten Blick die Aktionen oder Produkte sichtbar sein, die per E-Mail beworben wurden.
Wie jemand zum Shop gelangt, so muss er angesprochen werden
Genauso verhält es sich auch mit Affiliate-Links. Hier steht z.B. das vom jeweiligen Influencer beworbene Produkt mit entsprechender Empfehlungskommunikation oder dem speziellen Rabatt im Mittelpunkt. Die Kanäle können zudem auch für eine erste Personalisierung und Anpassung genutzt werden.Nutzer von Pinterest oder Instagram sind wahrscheinlich deutlich visueller veranlagt, dem kann man mit inspirierenden Bildern und social-media-affinen Bildwelten entgegenkommen. Kam jemand über eine Markensuche auf die Seite, können Produkte dieser Marke bevorzugt angezeigt werden.
Auch das Wetter berücksichtigen
Genauso kann auch die Startseite beim Einstieg bereits angepasst werden, um den Kunden direkt bei der ersten Begegnung persönlich anzusprechen, selbst wenn nur wenig über ihn bekannt ist, z.B. sein aktueller Standort. Regnet es gerade in dieser Region, zeigen Teaser und Aktionsbanner in erster Linie regenfeste Produkte.Ähnlich verhält es sich auch bei Angeboten, die nur regional erhältlich sind. Dann sehen die User je nach Region die passenden Produkte und Aktionen.
Die "Consideration"-Phase
Hat man auf der Startseite oder in der Verlängerung der weiteren Kanäle seinen Job gut gemacht, tritt der User in die nächste wichtige Phase der Customer Journey ein. Nun gilt es ihn bei der konkreteren Produktsuche zu inspirieren, möglichst viele Informationen bereitzustellen und ihn vom Kauf zu überzeugen.Diese Hürde können Onlinehändler z.B. mit Shop-the-Look-Angeboten oder anderen Inspirationsseiten erfolgreich überwinden. Häufig fehlen Kunden die Ideen, wie ein Kleidungsstück getragen oder Deko richtig in Szene gesetzt werden kann.

Inspirieren, informieren und abholen
Auf Inspirationsseiten werden verschiedene Outfit-Kombinationen gezeigt, auf Produktdetailseiten zu einer Hose sieht der Nutzer dann als Vorschlag noch den passenden Gürtel, Hemd und Tasche auf einen Blick.Befindet sich der Nutzer gerade auf einer Kategorieseite und klickt sich durch verschiedene Produkte, kann man bereits über die gesetzten Filter und angesehenen Produkte eine Tendenz seiner Interessen erkennen.
Darauf sollten Shopbetreiber eingehen, die Anordnung der Produkte anpassen oder relevante Aktionen aus dem vom Kunden favorisierten Bereich zeigen. Einer der wichtigsten Touchpoints in der Consideration-Phase ist die Produktdetailseite. Denn im Laufe der Customer Journey werden die Nutzer hier sicherlich landen.
Auf der Detailseite zählt die Überzeugungskraft
Kommen sie von Google-Shopping-Anzeigen, steht die Produktdetailseite bereits am Beginn der Customer Journey. Klicken sie sich erst von der Start- über die Kategorieseite zum Produkt, etwas später.Aber: Der Nutzer hat hier ein ganz konkretes Interesse am Produkt. Deshalb ist es besonders wichtig, ihn ausreichend zu informieren und zu überzeugen. Die Produktmerkmale sollten demnach leicht auffindbar sein, um alle Informationen auf einen Blick zu haben. Hierzu gehören auch Lieferzeiten und -bedingungen.
Um die Nutzer zu überzeugen, kann man zudem auf die Kraft der Gemeinschaft setzen, auf sogenannte "Social-Proof-Elemente". Sie zeigen, wie viele User ein Produkt ansehen oder bereits gekauft haben.

Den Verknappungseffekt nutzen
Die Fashionmarke Oui setzt auf Detailseiten zu besonders beliebten Produkten einen ähnlichen Hinweis ein: Der User wird hier darauf hingewiesen, dass ein Produkt schnell vergriffen sein könnte. Der Erfolg dieser Maßnahme ist deutlich: Die Conversion-Rate stieg um 9 %, der User Value sogar um 14 %.Damit der Nutzer nicht direkt wieder abspringt, wenn der Artikel doch nicht gefällt, sollten aber auch Alternativprodukte angezeigt werden. Ist der Nutzer bereits bekannt, können auf Basis seines Surf- und Kaufverhaltens entsprechende Empfehlungen gezeigt werden.
Ein Kaufabbruch muss nicht das Ende sein
Ein Abbruch in der Consideration-Phase muss trotz allem nicht immer ein Beinbruch sein. Vielleicht hat der Nutzer gerade einfach keine Zeit den Kauf abzuschließen?Dann kann in Form eines "Exit-Intent"-Hinweises erneut auf den Sale, auf die neue Kollektion oder auf eine Newsletter-Anmeldung in Verbindung mit einem Rabatt hingewiesen werden. Hilft auch dies nicht, ist der Kunde dennoch nicht ganz verloren. Denn vielleicht informiert er sich nur kurz anderswo oder muss noch etwas erledigen und steigt dann später auf der Startseite wieder ein. Werden ihm hier seine zuletzt angesehenen Produkte angezeigt, kann er den Kaufprozess leichter wieder aufnehmen.
Den Wiedereinstieg erleichtern
Die Fachbuchhandlung beck-shop.de setzt diesen Mechanismus erfolgreich ein, um ihren Nutzern den Einkauf zu erleichtern: Sofern Nutzer die Einwilligung zu Marketing und Tracking gegeben haben, sehen sie beim Wiedereinstieg in einen zuvor abgebrochenen Kaufprozess ihre zuletzt angesehenen Produkte.Über alle Devices hinweg konnte die Conversion-Rate auf diese Weise um 19 % gesteigert werden.

Die Reise endet nicht mit dem Kauf
Der Nutzer hat sich nun idealerweise für einen Artikel entschieden und legt ihn in den Warenkorb. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Händler nun nichts mehr tun kann! Denn es winken noch Zusatzumsätze, die nicht liegengelassen werden sollten.Auch im Warenkorb können noch passende Empfehlungen angezeigt werden, z.B. für Zubehör, aber auch für andere Artikel, die dem Interesse des Nutzers entsprechen. Gibt es eine Versandkostengrenze? Warum nicht den Nutzer darauf aufmerksam machen, dass nur noch wenige Euro Umsatz fehlen?
Um die Kunden problemlos durch den Check-out zu führen, bietet es sich hier an, die Daten wie bevorzugte Zahlungsart und Paketdienstleister schon einmal vorauszufüllen, sofern diese bekannt sind. So gelingt der Check-out ganz niederschwellig, unkompliziert und zeitsparend.
Nach dem Kauf ist vor dem Kauf
Da nach dem Kauf immer auch vor dem Kauf ist, ist es auch nach abgeschlossener Bestellung wichtig, an der Kundenzufriedenheit zu feilen.Um die Kunden zu binden, sollte ihnen eine Anmeldung zum Newsletter ermöglicht werden. Gibt es verschiedene Newsletter, kann dies auch bereits in der passenden Kategorie erfolgen (z.B. der Newsletter für Herrenmode).
Zudem kann ein Händler mittels einer Onsite-Befragung die Zufriedenheit der Kunden ermitteln. Dadurch erfährt er nicht nur, was am Shop verbessert werden könnte und was er schon gut macht. Der Kunde fühlt sich zudem wertgeschätzt, da seine Meinung zählt.
Er verlässt den Shop mit einem positiven Gefühl, das er in Erinnerung behalten wird. Die Daten aus der Umfrage können wiederum für eine zukünftige Personalisierung verwendet werden.
Fazit
Möchte man User vom Eintritt in den Webshop bis zum Kaufabschluss und weiter begleiten, ist es wichtig, sie an jedem einzelnen Punkt ihrer Customer Journey individuell abzuholen.Hierfür bieten sich die verschiedensten Stellen im Shop und ganz unterschiedliche Maßnahmen an. Welche wirklich zum Erfolg führen, kann jeder Shopbetreiber für sich durch A/B- und Multivariantentests valide herausfinden.