Nicht zufällig haben wir diesen Beitrag über den Kundenzugang passend zum Valentinstag am Sonntag platziert. Denn zwischen Liebes- und Kundenbeziehungen gibt es gewisse Parallelen. Nie war es so einfach wie heute, mit entsprechendem Budget seine Wunschkunden gezielt anzusprechen. Eine größere Herausforderung ist es allerdings, die neu gewonnenen Käufer in eine langfristige Beziehung zu führen. Wie es gelingt, sagt Etailment-Experte Stefan Luther.

Während immer mehr Singles ihre bessere Hälfte bei Tinder, Parship & Co. suchen, bedienen sich auch Händler heutzutage verschiedenster Plattformen und Wege, um potenzielle Kunden anzusprechen und von sich zu überzeugen.

Im Digital Commerce ist diese Phase des "Anbandelns" besonders in der aktuellen Pandemie wichtiger denn je. Viele Unternehmen konzentrieren sich jedoch ausschließlich auf die Neukundenakquise und vernachlässigen anschließend eine intensive Kundenbindung und den Ausbau der Kundenbeziehung.
Wie in der Ehe ist auch in der Kundenbeziehung Treue erfolgsentscheidend. Um Interessenten zu Stammkunden zu machen, müssen Händler aber bereit sein, in die Beziehung zu investieren.
© IMAGO / Panthermedia
Wie in der Ehe ist auch in der Kundenbeziehung Treue erfolgsentscheidend. Um Interessenten zu Stammkunden zu machen, müssen Händler aber bereit sein, in die Beziehung zu investieren.
Frei nach dem Motto: "Habe ich erst einmal meinen Jagdinstinkt befriedigt und dich für mich gewonnen, verliert die Sache für mich an Reiz." Dabei sind treue und lang anhaltende Beziehungen für den nachhaltigen Erfolg eines Händlers essenziell.

Schnelle Kundengewinnung? Zu kurz gedacht

Betrachten wir zunächst, welche Arten von Kundenschnittstellen es gibt, um seine Wunschkunden zu erreichen:
  1. "Direct Sales", also die direkte Beziehung zum Kunden ohne Zwischenhändler, die einen unmittelbaren Austausch möglich macht
  2. Der Third-Party-Retailer, der dank eines zwei- oder mehrstufigen Vertriebskonzepts die Bindung zum Nutzer aufbaut
  3. Der Marketplace, wo sich Nachfrage und Angebot treffen und der Handel direkt oder indirekt über eine Plattform verläuft, wie Amazon Seller oder Vendor

Welche Schnittstelle ein Unternehmen bedient und für welchen Kanalmix es sich entscheidet, ist abhängig von seiner strategischen und wirtschaftlichen Ausrichtung.

Ohne Kundenzugang ist alles vergebliche Liebesmühe

Der Kundenzugang bildet jederzeit die Basis für Händler und Unternehmen, da sie so

  • ihre Kunden unmittelbar ansprechen können,
  • von Kunden Feedback erhalten und Händler ihr Geschäft und ihren Service stetig verbessern können sowie
  • höhere Margen einfahren und weitere Services - auch mit anderen Partnern - anbieten können.

Ohne Anstrengung, Engagement und zielgerichtete Herangehensweise ist der Kunde jedoch nicht zu erreichen. Bei Direct Sales müssen Händler verschiedene (Marketing-) Kanäle (Amazon, Google und Facebook), die als Gatekeeper agieren, bedienen und ihren kanaltypischen Spielregeln folgen.

Das ist zwingend erforderlich, denn: Nur in weniger als 10 % aller Fälle landet der Käufer direkt über die eigene Website, den Onlineshop oder über den Newsletter beim Händler.

Den ersten Zugangspunkt bei der Suche der Kunden bildet in 82 % aller Fälle die Suchmaschine Google, 54 % aller Produktsuchen erfolgen über Amazon wie auch der Produktkauf bei ungefähr 46 % aller Käufe.

Kundenschnittstellen und Kanalmix von Einzelhandelsunternehmen unterscheiden sich je nach ihrer strategischen Ausrichtung.
© Etribes
Kundenschnittstellen und Kanalmix von Einzelhandelsunternehmen unterscheiden sich je nach ihrer strategischen Ausrichtung.

Austausch findet in den Sozialen Netzwerken statt

Der Austausch mit dem Händler geschieht in mehr als der Hälfte aller Fälle (ca. 61 %) über die Plattformen des Facebook-Kosmos.

Als Third-Party-Retailer bzw. Produktzulieferer bleibt einem der Zugriff auf Käufer- und Verkaufsdaten verwehrt. Es ist auch nicht möglich, mit den Kunden zu interagieren. Suchen Händler den Zugang zu ihnen über Marketplaces wie Amazon, ist dieser eingeschränkt und zeitlich limitiert.

Setzen Händler auf Omnichannel und nutzen damit sowohl Offline- wie Onlinekanäle, können sie lediglich über Kundenkarten nach dem Vorbild von Payback oder Lidl Plus Kundendaten für sich nutzen.

Der Zugang zum Kunden: ein Marathon - und kein Sprint

Angesichts dieser Abhängigkeiten und Mechanismen der verschiedenen Kundenschnittstellen wird deutlich, dass eine stabile und konsistent aufgebaute Bindung das Schlüsselinstrument für nachhaltigen Erfolg im Digital Commerce ist.

Händler sollten deshalb ein CRM etablieren, welches mit in sich stimmigen Stufen arbeitet. Ziel ist es dabei, mittels geeigneter Maßnahmen den Interessenten vom Status eines Leads bis zum VIP-Customer zu begleiten und in jeder Phase entsprechende Anreize zu generieren.
In fünf Stufen vom Interessenten zum VIP-Kunden: Während die ersten drei Schritte weitestgehend anonym und schnell ablaufen, benötigt der anschließende Aufbau einer intensiven Kundenbindung mehr Zeit.
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In fünf Stufen vom Interessenten zum VIP-Kunden: Während die ersten drei Schritte weitestgehend anonym und schnell ablaufen, benötigt der anschließende Aufbau einer intensiven Kundenbindung mehr Zeit.

Händler haben sechs Versuche

Ein Interessent wird dabei bestenfalls durch verschiedene Hebel des Performance-Marketings über Social Media, SEO und/oder SEA eingefangen. Händler sollten dabei sechs Versuche nutzen: Nach diesen Momenten ist nämlich in der Regel der Kunde nicht weiter am Produkt interessiert und lässt sich nicht mehr begeistern.

Wird er jedoch zum Lead, erhält er Informationen über das jeweilige Produkt auf der Website, wo ihm der Hersteller idealerweise die Story dazu präsentiert. Eine erste emotionale Verbindung entsteht. Der Kunde wird zum Follower, konsumiert den Content in den sozialen Kanälen und lässt sich so über ein Retargeting individuell ansprechen.

"Es ist nicht nur Leidenschaft, sondern auch Leidensfähigkeit nötig."

Wird der Kunde zum Erstkäufer, können Marken ihn anschließend über kreative Upsell-Möglichkeiten - etwa durch entsprechendes Zubehör wie digitale Tools, eine App oder Kooperationen mit anderen Unternehmen - begeistern.

Auf der nächsten Stufe steht der Aufbau persönlicher Beziehungen im Mittelpunkt. Ob Meetings mit Prominenten, individuelle haptische Geschenke oder sogar der Draht zum CEO: Viele Marken nutzen vielfältige Anknüpfungspunkte, um den Kontakt zu einem VIP-Customer zu intensivieren.

Zeit ist der entscheidende Faktor

Was Unternehmen dabei bedenken sollten: Der entscheidende Faktor ist die Zeit. Während die ersten drei Ebenen fast schon als Hygienefaktoren zu verstehen sind, da sie weitestgehend anonym und auch schnell ablaufen, ist eine intensive und vertrauensvolle Kundenbindung nicht von heute auf morgen möglich.

Felix Schirl ist seit April 2015 Geschäftsführer von trbo.
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Hier ist nicht nur Leidenschaft, sondern auch Leidensfähigkeit und Engagement nötig. Denn um Interessenten nicht nur einmal einzufangen, sondern als Fan und Dauerkäufer zu begeistern, müssen Unternehmen bereit sein zu investieren - gerade jetzt in der Pandemie, in der die Verbindung verstärkt digital aufgebaut wird.

Was ist das Erfolgsrezept?

Wie im privaten Leben gilt es, eine wirkliche Beziehung aufzubauen und gemeinsame Werte zu leben. Mit einem Freemium - hauptsächlich gilt das für Apps - lässt sich eine Bindung aufbauen, indem das Basisprodukt kostenfrei und das Vollprodukt kostenpflichtig ist.

So haben Nutzer die Möglichkeit, ganz frei zu testen und sich hinterher für die Bezahlvariante zu entscheiden. Alternativ ist es auch möglich, das Vollprodukt kostenfrei für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung zu stellen.

Bei physischen Produkten ist dies weitaus schwieriger. Doch hier können Händler zum Beispiel wertvolle Hintergrundinformationen zur Herstellung oder die Story hinter dem Produkt liefern, so für transparente Insights sorgen und die Bindung zwischen Unternehmen und Kunde intensivieren.

Eine gemeinsame Basis schaffen

Hilfreich ist es auch, proaktiv das Feedback zu erfragen. Das Miteinander-Kommunizieren hilft ungemein, eine gemeinsame Basis zu schaffen.

Nur so verstehen sich beide Parteien zunehmend besser, auch wenn dabei unangenehme Dinge ans Tageslicht kommen und das Produkt oder der Service an mancher Stelle verbessert werden sollte.

So ist es schließlich auch in einer Beziehung: Nur durch gegenseitige Unterstützung, Verständnis, Begeisterungs- und Kompromissfähigkeit schafft man es, sich auch nach Jahren immer noch riechen zu können. So wird aus dem ersten Date im besten Fall irgendwann eine diamantene Hochzeit.

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