Ein individuelles Einkaufserlebnis, personalisierten Service und interessante Inhalte: All das erwarten Kunden von einem Onlineshop. Auch, wenn der Händler den Kunden gar nicht kennt. Aber welche Informationen kann man als Shopbetreiber nutzen, um auch unbekannte User glücklich zu machen? Welche Schritte erforderlich sind und wie das optimale Trainingsprogramm für einen Shop aussieht, erklärt Felix Schirl, CEO der trbo GmbH.
Doch woher weiß ein Shop, was der Kunde braucht? Erst recht, wenn er den Kunden zum ersten Mal “sieht”? Um unbekannte Neukunden richtig anzusprechen und damit wichtiges Potenzial für mehr Wachstum zu heben, braucht es die richtige Vorbereitung. Denn sind die Angebote und Inhalte irrelevant, flüchten die Nutzer zur Konkurrenz.

Vorbereitung ist der Schlüssel zum Erfolg
Um Onsite-Personalisierung professionell aufzubauen und sich über die damit verfolgten eigenen Ziele klar zu werden, können einige W-Fragen behilflich sein.
Wer ist meine Zielgruppe, was möchte ich genau erreichen, wie gut kenne ich meine Nutzer, wo und was sollen die Besucher sehen und welche Mittel bin ich bereit dafür einzusetzen? Wer sich ausreichend Gedanken gemacht hat, ist vorbereitet, um in die Welt der Personalisierung einzutauchen.
Zunächst geht es an die Rahmenbedingungen: Wie steht es um den Technologie-Stack des Unternehmens, welche Daten sind verfügbar und wo steht der Shop in Sachen Nutzererlebnis? Vielleicht fehlt noch das ein oder andere Tool und es sind (vermeintlich) nicht ausreichend Kundendaten vorhanden.
Voraussetzungen für gelungene Personalisierung
Eine gute Datenbasis ist wichtig für gelungene Personalisierung. Häufig ist Shopbetreibern aber gar nicht klar, dass sie mehr Kundendaten als vermutet zur Verfügung haben. Denn nicht nur die eingeloggten Bestandskunden geben viel über sich preis, auch vermeintlich unbekannte Nutzer bringen mehr Informationen mit, als zunächst gedacht.Ein wichtiger Bestandteil der personalisierten Ansprache ist die Segmentierung. Alle Nutzer gleich anzusprechen ist nicht länger zielführend. Darum werden die User in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe hat gewisse Merkmale, welche sie erfüllt. Zum Beispiel der Standort oder der Klick-in-Kanal, aber auch das Surf- und Kaufverhalten - je mehr Daten es gibt, desto granularer können die Gruppen werden.
Anfänger können zunächst mit grober Segmentierung beginnen, um die Ansprache ein Stück weit zu verfeinern. Zwar spricht man so immer noch eine breitere Userzahl mit den gleichen Inhalten an, die Wahrscheinlichkeit, dass die Inhalte relevant sind, steigt jedoch erheblich an.
Mit der Zeit kann dann auf einen One-to-One-Ansatz hingearbeitet werden, um mit der Anbindung zusätzlicher Daten die Ansprache auf jeden individuellen Nutzer zuzuschneiden.
Erste Trainingseinheiten zur individuellen User-Ansprache
“Wir haben nicht genug Daten!” Dieser Satz fällt oft, wenn es um Personalisierung geht. Das liegt aber meist nicht an der eigentlichen Datenbasis, sondern ihrer Nutzung.Natürlich sind CRM-Daten, Retoureninformationen oder der Customer Lifetime Value spannende Informationen, mit denen tiefgehend personalisierte Kampagnen aufgesetzt werden können. Die gibt es meist nur für Bestandskunden.
Für einen Start in die Personalisierung reichen aber auch Daten aus, die der User selbst mit in den Webshop bringt und die die genaue Kenntnis des Kunden gar nicht erforderlich machen.
Woher kommt der User?
Viel über die User verrät schon der Weg, der sie auf die Website bringt: der Klick-in-Kanal. Kommt ein Nutzer zum Beispiel über eine Preisvergleichsseite, ist er vermutlich preissensitiv und auf der Suche nach Schnäppchen. Es wäre also von Vorteil, aktuell laufende Rabatt-Aktionen zu zeigen oder den Sale-Menüpunkt für diese Nutzergruppe deutlich hervorzuheben.Kommt ein Nutzer über eine Suchmaschine in den Shop, nachdem er nach einer bestimmten Marke gesucht hat? Dann wird er sich vielleicht über die aktuelle Aktion der Brand oder weitere passende Produkte der Marke freuen.
Klick-in-Kanäle zur Ansprache nutzen
Erfolgte der Einstieg wiederum z.B. über eine Anzeige in Suchmaschinen, sollte möglichst viel dafür getan werden, den teuer eingekauften Nutzer nicht direkt wieder zu verlieren.
Hier können Shopbetreiber mit Alternativprodukten Abhilfe schaffen. Auch für unbekannte User können im direkt sichtbaren Bereich z.B. weitere Empfehlungen aus der gleichen Kategorie des angesehenen Produkts eingebunden werden. Entdeckt der User dann doch noch etwas Passendes, verliert der Shop keinen potenziellen Kunden, sondern konvertiert ihn vielleicht sogar.
Ist der User bereits bekannt, da er den Shop schon mehrfach besucht hat, können die Empfehlungen gemäß der Interessen des Nutzers (zum Beispiel Markenvorlieben oder passende Größen) verfeinert werden.
Social-Proof, Inspirationsseiten und Produktbundles
Um den Kaufabschluss mit etwas Psychologie zu beschleunigen, können Marketer auf Social-Proof-Elemente zurückgreifen. Hier wird angezeigt, wie viele Personen sich den Artikel gerade ansehen oder wie viele User ihn bereits erworben haben. Sind die Zahlen hoch, steigt auch die Befürchtung, einen guten Deal zu verpassen.Kommen Nutzer über bildlastigere Plattformen wie Instagram, Pinterest und Co., sind sie vielleicht auf der Suche nach Inspiration. Mit Inspirationsseiten oder Produktbundles erhalten die User Ideen für mögliche Outfits oder Deko-Kombinationen.
Wer zusätzlich die Möglichkeit bietet, die Artikel aus dem Bundle unkompliziert mit einem Klick in den Warenkorb zu legen, bietet noch mehr Service. Ein weiterer Vorteil: Ein smarter Algorithmus im Hintergrund kann nach und nach die Interessen des Users erkennen, wodurch auch unbekannte User mit der Zeit immer persönlichere Empfehlungen sehen.

Wo surft der User?
Eine weitere Möglichkeit zur Personalisierung bei unbekannten Nutzern: der Standort. Dieser ist meist bekannt und kann für eine individuelle Ansprache genutzt werden.Das bietet sich zum Beispiel für Shops mit einem regional variierenden Sortiment an: So können die verfügbaren Produkte dem User prominent angezeigt werden, oder der Shop kann direkt auf regionale Aktionen hinweisen.
Multichannel-Händler können auch ihre Filialen pushen: Seien es Click&Collect-Möglichkeiten - während Corona oder um Versandkosten zu sparen - oder spezielle Filialaktionen und Pop-up-Stores. Nutzer in der Nähe freuen sich sicherlich über einen solchen Hinweis. In der Reisebranche wird gerne der passende Abflughafen bereits vorausgefüllt.
Den Standort nutzen
Der Standort kann aber sogar noch mehr. Denn in Verbindung mit einer Wetter-API wird eine individuelle Ansprache auf Basis der Wetterbedingungen vor Ort möglich.Regnet es in München, werden Nutzern aus der Region Angebote und Teaser zu Regenjacken, Indoor-Aktivitäten oder gemütlicher Home-Deko gezeigt. Nutzer aus der Region Frankfurt sehen bei strahlendem Sonnenschein dann Empfehlungen zur neuen Sommerkollektion oder Gartenmöbeln.

Der Einstieg ist geschafft - nun kann das System lernen
Nun wurden die User mit ersten, einfachen Maßnahmen bereits deutlich persönlicher angesprochen und fühlen sich individueller abgeholt. Sie haben das Gefühl, dass der Shop ihre Bedürfnisse kennt und bewegen sich weiter auf der Seite.Der Vorteil: Mit jedem Klick, jedem angesehenen Produkt, lernt das System nun mehr über die Interessen der einzelnen Nutzer. Vielleicht sieht sich die Nutzerin ausschließlich im Damen-Bereich der Seite um und bevorzugt dabei Blusen mit auffälligen Prints?
Natürlich kann der Shop darauf reagieren. Die Produktempfehlungen werden weiter verfeinert. Vielleicht gibt es sogar Angebote auf Print-Blusen? Dann ist jetzt der beste Zeitpunkt, darauf hinzuweisen.
Zusätzlich können passende Empfehlungen und auch die zuletzt angesehenen Produkte direkt auf der Startseite eingebunden werden, um die Nutzer zurück in den Kaufprozess zu führen.
Bestandskunden nicht vernachlässigen
Bei bekannten Nutzern hat das System bereits gelernt. Steigen diese auf der Startseite in den Shop ein, sehen sie direkt ihre bevorzugte Kategorie, die passenden Empfehlungen und ihre zuletzt gesehenen Produkte.Loggt sich der Bestandskunde sogar ein? Dann kann noch granularer vorgegangen werden: Gibt es Produkte, die regelmäßig nachgekauft werden? Dann kann der Shop durch den Abgleich mit der Kaufhistorie darauf eingehen: Ist die Tagespflege bald leer? Dann sollte Nachschub angeboten werden.
Für ihre Treue sollten Bestandskunden zudem ab und zu belohnt werden. Denn meist wird der Fokus auf die Neukundenakquise gelegt - dabei sind Bestandskunden extrem wertvoll für Unternehmen und gehören gehegt und gepflegt. Wie wäre es also mit einem Dankeschön-Gutschein zum Einstieg - mit einem Rabatt für die bevorzugte Kategorie oder Marke - oder einem netten Gruß zum Geburtstag?
Kaufabbrüche gekonnt verhindern
Seiten- oder Kaufabbrüche gehören leider zum alltäglichen Geschäft, müssen aber keinen Beinbruch bedeuten. Häufig möchte der User nur Artikel vergleichen oder hat momentan keine Zeit den Kauf abzuschließen.Um ihn nicht endgültig zu verlieren, können verschiedene Maßnahmen eingesetzt werden. Dabei unterscheiden sich diese bei Neukunden nicht wesentlich von denen, die bei Bestandskunden angewendet werden.
Bewegt sich die Maus in Richtung des Schließen-Buttons, können die Nutzer mit Hilfe eines Overlays noch einmal zum Überdenken des Abbruchs bewegt werden.
Ist das Interesse bekannt, kann natürlich auch die Anmeldung zum Newsletter personalisiert werden - zum Beispiel wenn es unterschiedliche Newsletter für verschiedene Kategorien gibt.
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen
Um unbekannte Kunden auf der Website richtig anzusprechen, bedarf es zunächst einer Strategie - aber vor allem auch Mut, etwas auszuprobieren. Von Misserfolgen sollte man sich dabei nicht entmutigen lassen, denn aller Anfang ist schwer. Doch wie immer gilt: Testen ist das A und O.Jeder Shop und seine Besucher sind unterschiedlich, weshalb Maßnahmen nicht überall gleich gut funktionieren. Möchte man also ermitteln, ob die Maßnahme tatsächlich Uplifts bringt, kommt man nicht um den Einsatz eines A/B- oder Multivariantentests herum. Am Ende soll sich die Mühe schließlich lohnen.