Lebensmittelkompetenz – das Zauberwort für den Erfolg in Sachen Food-Lieferservices. Lange hat man dies Newcomern abgesprochen. Doch sie sind gekommen, um zu bleiben.
Werkzeug, Mode oder Unterhaltungselektronik – das geht locker via E-Commerce. Lebensmittel, das scheint die Kür. Die Aktivitäten auf diesem Feld werden von den einen noch immer belächelt. Dass Amazon fresh bislang nicht der fulminante Durchbruch gelungen war, scheint geradezu ein Indiz, dass dieses Sortiment keine Erfolgsgeschichte in sich tragen kann. Andere krempeln währenddessen die Ärmel hoch mit einem Ihr-werdet-Euch-noch-wundern-Grinsen im Gesicht.
Der Schweizer Dominique Locher ist sich sicher, dass der Markt schnell ins Nachdenken kommen wird. Er ist ein gefragter Mann. Er war 17 Jahre lang beim Migros Lieferdienst LeShop, darunter ab 2013 dessen CEO. Heute berät er verschiedene Unternehmen und ist mittlerweile auch beim Lieferdienst Farmy in der Schweiz mit eingestiegen.
Seine Prognose: Es wäre ein fataler Fehler, Amazon fresh nicht ernst zu nehmen. „Wenn sie Frische nicht können, kaufen sie das Know how ein“, betonte er auf der Konferenz K5. „Das hat man in den USA gesehen. Mit Whole Foods werden sie Lebensmittellieferung konsequent durchziehen. In Frankreich haben sie bereits eine Kooperation mit Casino abgeschlossen."
Kleines Gedankenspiel: Was passiert, wenn Amazon nach diesem Strickmuster in Deutschland startet? Geld werde für das Unternehmen nicht die entscheidende Rolle spielen, ist der Schweizer überzeugt, „das ist eine Marketingausgabe, um ins Online-Lebensmittelgeschäft einzusteigen.“
Schon heute dominiert Amazon hierzulande das Onlinegeschäft. „Wenn Amazon Lebensmittel liefern kann, dann haben sie die Kunden, die täglich bei ihnen einkaufen“, so Locher, der keinen Zweifel daran lässt, dass Amazon dies gelingen wird. Eine Frage der Zeit und eine Frage, wer sich bis dahin im Markt etablieren kann.
Neue Akteure
Der Markt ist im Aufbruch und wird in den nächsten fünf Jahren massiv wachsen, „ähnlich, wie wir das bei Möbeln gesehen haben“, erwartet der Schweizer. Entsprechend wird sich der Markt konsolidieren. Wer hier eine Chance haben will, muss sich klar positionieren.Farmy tut dies mit „kaum überbietbarer“ Frische, betont Gründer Roman Hartmann. Sie liefern schweizweit, mit Schwerpunkt auf den großen Zentren. Direkt in der jeweiligen Region kooperieren sie mit Bauern, von denen sie täglich die Produkte beziehen, die sie ausliefern.

Frische garantiert aus der Region
"Über den Farmy-Marktplatz präsentieren sich die Bauern, ihren Hof und ihren Alltag – mit Videos werden die Menschen hinter den Produkten sichtbar“, erklärt Hartmann. Auch in Sachen Nachhaltigkeit bietet das Konzept ein Plus: Es fallen weniger Abfall und geringere Logistikkosten an.So funktioniert Farmy in der Schweiz
Picnic hat sein holländisches Konzept in Deutschland von Neuss über Mönchengladbach, Krefeld und Viersen ausgeweitet und kommt nun auch nach Bochum und Moers. Sein Credo – Lieferservice für die Masse. Deshalb wird ab einem 25-Euro-Warenkorb geliefert und zwar nach wie vor kostenfrei. Damit möglichst häufig bestellt wird, ist Frische unumgänglich, ist Picnic-Deutschland Geschäftsführer Frederic Knaudt überzeugt.
Lieferservice ohne Premiumallüren
Das Interesse der Verbraucher ist da. In Viersen seien am Tag 1, als das Unternehmen seinen Lieferservice startete, rund 10% der Haushalte bei Picnic registriert gewesen, nach 6-12 Monaten waren es bereits 25%. Aus Erfahrung weiß Knaudt, dass die Präsenz vor Ort wichtig ist, „wir sind deshalb möglichst auf jedem Sommerfest oder Sportvereinsfest beispielsweise mit einer Hüpfburg dabei.“Flaschenpost hat sich auf ein Sortiment spezialisiert – Getränke. Das Versprechen: Getränkelieferung bis zur Wohnungstür in 120 Minuten und das zu Supermarktpreisen, ohne Liefergebühr. On Top nehmen die Fahrer die Pfandflaschen direkt wieder mit und verrechnen sie direkt vor Ort mit der Rechnung.

Entscheidend – Logistikkompetenz und Tourenalgorythmus
Für die schnelle Lieferung wurden regionale Lager mit einer Größe von rund 10.000 Quadratmeter in Eigenregie gebaut. Dort sind durchschnittlich rund 1.000 Artikel vorrätig. Täglich werden insgesamt rund 40.000 Kisten ausgeliefert.