Sharing Economy und klimafreundliche Mobilitätskonzepte verändern die Innenstädte. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Lebensqualität, sondern auch auf das Wirtschaftsleben. Welche neuen Möglichkeiten sich für den Omnichannel-Handel in der Stadt der Zukunft ergeben, beleuchten unsere Gastautoren Thomas Foscht und René Hubert Kerschbaumer in unserer Reihe über die HandelsMonitor Mega-Trends 2030+.
Zum anderen wird das klassische Streben nach persönlichem Eigentum zunehmend durch die Suche nach individuellen, personalisierten Erlebnissen ersetzt.
Das Produkt rückt aus dem Zentrum des Interesses
Analog dazu beobachten wir in der Automobilindustrie einen Wandel von Fahrzeuganbietern hin zu Mobilitätsanbietern. Das Produkt, in diesem Fall das Automobil, steht nicht mehr zwingend im Mittelpunkt: Der Kundennutzen entsteht vielmehr durch seine Funktion: individuelle Mobilität.Derartige Entwicklungen werden unter den Synonymen "Mobility as a Service", "Transportation as a Service" oder "Product as a Service" diskutiert, vor allem in Zusammenhang mit der Vision einer Sharing Economy.

Die Sharing Economy
Im Mittelpunkt der Sharing Economy steht die Idee, sich lediglich die Nutzung eines Gutes vertraglich zu sichern, ohne jedoch zum Eigentümer zu werden. Zwar existieren derartige Konzepte schon seit Langem (z.B. Leasing), jedoch gewinnen sie in Verbindung mit dem gesellschaftlichen Wertewandel stark an Bedeutung.Als "Shared Services" oder "Shared Mobility" entstehen zahlreiche Dienstleistungen, die für junge, urbane Zielgruppen höchst relevant sind: Bike-Sharing, E-Scooter-Sharing, Couchsurfing.
Neue Technologien bringen Angebot und Nachfrage zusammen
Wenngleich es schon immer möglich war, ein Auto oder ein Zimmer zu teilen, hat der technologische Fortschritt die Transaktionskosten der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage durch social-media-gestützte Apps wie Airbnb oder Uber auf ein Minimum reduziert.Diesen Entwicklungen in Richtung "End of Ownership" liegt ein sich änderndes Verständnis von Lebensqualität auf Konsumentenseite zugrunde, bei dem zum Beispiel individuelle Mobilität in einem Gesamtsystem betrachtet wird, welches nicht zwingend vom Besitz eines eigenen Autos abhängig ist.
Neue Mobilitätskonzepte
Das Wachstum des Onlinehandels führt zu stetig steigenden Anforderungen an den Gütertransport bei Liefergeschwindigkeit, -flexibilität und -qualität, besonders in Anbetracht des covid-bedingten Onlineshopping-Schubes seit März 2020.Gleichzeitig sind Kommunen schon seit Längerem darum bemüht, legislative Maßnahmen für Lärm-, CO2- oder Feinstaubreduktion zu setzen, um die Lebensqualität in den Städten langfristig sicherzustellen.
Daraus ergeben sich große Herausforderungen für die Logistikbranche und damit einhergehend den gesamten Handel. Eine Option, diesen Herausforderungen nachhaltig zu begegnen, besteht in der gemeinsamen Entwicklung autonomer Mobilitätskonzepte.

Autonomes Fahren
In Anbetracht der Tatsache, dass zahlreiche Unternehmen - so etwa auch Waymo aus dem Google-Hause Alphabet - bereits selbstfahrende Fahrzeuge erproben, ist autonome Mobilität nur eine Frage der Zeit.Aktuell werden 95% der Fahrzeuge kaum benutzt und können durch autonome Gefährte ersetzt werden, welche zum Aufladen in Vororten geparkt und bei Bedarf angefordert werden. Experten gehen davon aus, dass durch autonome Fahrzeuge 90% aller Kfz-Unfälle vermieden werden können.
Auch wird sich das Design der Fahrzeuge drastisch ändern, da etwa Lenkrad und Spiegel nicht mehr nötig sein werden. Im Güterverkehr werden Sitze und sogar Fenster obsolet und dadurch zusätzlich Ladekapazitäten gewonnen.
Autofreie Innenstädte
Kollektives Nachhaltigkeitsstreben und die Abkehr von Individualbesitz in Verbindung mit CO2-neutralen Mobilitätskonzepten werden die Innenstadt zu einem verkehrsfreien Ort des Zusammentreffens machen. Dies wird auch das Stadtbild der Zukunft nachhaltig beeinflussen.Ampeln und Verkehrszeichen werden überflüssig in einer vernetzten Welt, in der Autos selbstständig miteinander kommunizieren. Orte, die aktuell noch als Parkpätze dienen, können durch ausgewiesene Zu- und Ausstiegsstellen ersetzt oder anderweitig genutzt werden.
Ein autofreies Leben ist bereits jetzt zur realen Lebensoption für manche Bevölkerungsgruppen geworden. Kommunen fördern diesen Trend durch Entmotorisierungsprozesse.

Dieser Wandel kann allerdings nur durch das Zusammenwirken verschiedener Stakeholder wie Anwohner, Handel und Tourismus nachhaltig funktionieren.
Verändertes Kaufverhalten prägt die Innenstadt
Veränderte Mobilitätskonzepte haben nicht nur Auswirkungen auf die Lebensqualität, sondern auch auf das Wirtschaftsleben in der Stadt der Zukunft. Durch den Wandel in den Präferenzen urbaner Zielgruppen werden mittlerweile sowohl sperrige als auch Low-Involvement-Güter zunehmend bestellt und bequem nach Hause geliefert.Durch die Entkopplung von Kauf und Lieferung im modernen Omnichannel-Handel ist es jetzt schon möglich, Showrooms für sperrige Güter wie etwa Möbel in der Fußgängerzone zu etablieren.
So eröffnet sich die Innenstadt als attraktiver Vertriebsstandort für Güter, die in früheren Zeiten nur in Kombination mit großen Lagerflächen und immensem Parkangebot in Vororten verkauft werden konnten.
Renaissance der Stadt als sozialer Ort
Die Innenstadt der Zukunft wird aus einem erlebnisorientierten Branchenmix in Verbindung mit reichhaltiger Gastronomie, Freizeitangebot und Begegnungsflächen bestehen und zu einem attraktiven Treffpunkt des gemeinsamen Austauschs werden.Die soziale Interaktion mit Freunden während des Shoppings wird an Priorität gewinnen. Dadurch erlebt die verkehrsbefreite Stadt der Zukunft eine Renaissance als sozialer Ort.
Stadtkerne wie Shoppingcenter verwalten
Analog zur bisherigen Entwicklung bei den Einkaufszentren ist davon auszugehen, dass auch das innerstädtische Angebot weiter untermalt wird, zum Beispiel durch Pop-up-Stores und außergewöhnliche Events, die für weiteren Kundenverkehr sorgen.Dieser Angebotsmix sollte durch ein qualifiziertes Innenstadt-Management, ähnlich einem Shoppingcenter-Management, konsequent geplant und betreut werden. Dadurch können Öffnungszeiten oder Zuliefer- und Abhollogistik koordiniert und ein entsprechendes Dachmarken-Management implementiert werden.