Baumarkt-Chef Albrecht Hornbach über den Strukturwandel in seinem Unternehmen, warum er kein Multichannel-Händler sein will, die Millionenkosten neuer Märkte - und was Amazon mit dem sogenannten Neuen Markt gemeinsam hat.



Herr Hornbach, der Onlinehandel wird auch für Hornbach immer wichtiger, sie haben für dieses Jahr 70 Millionen Euro in das digitale Thema investiert. Lohnt sich das?
Davon sind wir überzeugt. Wir stehen konzernweit an der Zehnprozentschwelle beim onlineberührten Umsatz. Dazu zählt der Direktversand von Artikeln, die in unserem Onlineshop bestellt werden. Aber dazu zählen auch Kaufprozesse, bei denen zu irgendeinem Zeitpunkt ein stationärer Hornbach-Markt involviert war – wenn Sie ihre Artikel zum Beispiel im Markt online bestellen und direkt vor Ort bezahlen. Oder wenn Sie einen online reservierten Artikel im Markt abholen. Das macht es immer schwieriger für uns, die Umsätze nach Kanal zu trennen, eigentlich wollen wir das auch gar nicht. Unser Ziel ist es, dass stationärer Handel und Onlinehandel nahtlos ineinandergreifen und unsere Kunden zwischen den Kanälen wechseln können, wie es ihnen am besten passt. Nur so können wir unseren Kunden den größten Nutzen bieten.

Wie viele Kunden nutzen das Modul "Reservieren und Abholen"?
Es wird sehr gut angenommen. Aber konkrete Zahlen möchte ich nicht nennen.

Was erwarten Sie für die Zukunft beim Thema E-Commerce und Hornbach?
Man kann im Onlinebereich nur schwer planen. Wichtig ist, dass wir den Kunden in den Mittelpunkt stellen und daran arbeiten, den Kundennutzen zu erhöhen. Man darf dabei im ersten Schritt nicht nachdenken, ob es sich sofort betriebswirtschaftlich rentiert. Es geht immer erst darum, ob der Kunde etwas davon hat.

"Für Analysten und Investoren sind stationäre Händler derzeit unsexy."

Albrecht Hornbach
 Ist das die Haupterkenntnis für stationäre Händler, wenn sie online gehen? Also das Verständnis, dass sich nicht alles gleich rechnen kann?
Es muss sich irgendwann rechnen, das ist zwingend so. Und bei unserem Weg der Verzahnung kann es auch nur so sein, dass es sich erst nach einer gewissen Zeit rentiert. Dieses Risiko muss man eingehen. Unser Ansatz erfordert erst einmal, viel in unsere internen Abläufe zu investieren. Wahrscheinlich rechnet es sich schneller, wenn man für den Onlinehandel einen separaten Kanal eröffnet. Aber das wäre dann ein anderes Unternehmen und hätte mit Hornbach relativ wenig zu tun. Das wollen wir nicht.
Projekt zum Abholen: Baumarkt mit Drive-In-Schalter
© Hornbach
Projekt zum Abholen: Baumarkt mit Drive-In-Schalter
 Digitales Denken und Arbeiten erfordern veränderte Prozesse und anderes Personal?
Die Prozesse passen sich an die digitalen Potenziale an, das ist noch einigermaßen leicht zu beherrschen. Schwieriger ist das Thema für unsere Kolleginnen und Kollegen, insbesondere auf der Fläche. Dort gibt es einige Veränderungen in den Abläufen und Marktprozessen, da muss jeder von uns immer wieder dazulernen. Aber es öffnet sich jetzt das große Tor in Richtung "lebenslanges Lernen".

Spot: Die HORNBACH Möglichkeiten

Um neue Mitarbeiter für die digitalen Aufgaben kämpfen alle Unternehmen, nicht nur im Einzelhandel. Wie locken Sie diese zu Hornbach?
Sie müssen als Arbeitgeber attraktiv sein. Daran arbeiten wir. Hornbach hat bereits viele, hervorragende Mitarbeiter – aber leider auch einige offene Stellen, nicht zuletzt im Technologiebereich. Da geht es vorrangig um Entwickler, Data-Base-Experten, Online-Marketingprofis, solche Leute.

Was ist denn besonders wichtig bei der Vernetzung von digitalem und stationärem Geschäft? Ist das große Ganze schon erledigt, geht es jetzt um Feinarbeiten?
So kann man das nicht sagen. Es geht immer weiter, vor allem technologisch. So können Sie bei uns beispielsweise jetzt online ihre gewünschten Holzzuschnitte vorbereiten, reservieren und im Markt abholen. Dafür braucht man technische Möglichkeiten, wie Konfiguratoren, Apps und so weiter. Im Grunde ist immer des Ziel: Was unseren Kunden hilft und technisch möglich ist, setzen wir um.

 Heißt das, dass Sie sich immer mehr als Dienstleister verstehen wollen?

Ja, das kann man so sehen. Denn aus Kundensicht ist immer mehr individuell-zugeschnittener Service gewünscht. Das merken wir auch in unserem Service-Center, das telefonisch und via Mail mit den Kunden in Kontakt tritt. Dort bieten gut geschulte Hornbach-Mitarbeiter, die zuvor oftmals in einem unserer Märkte tätig waren, fachliche Beratung. Aber natürlich werden auch einfache Fragen beantwortet, etwa nach dem Liefertermin. 

Verstehen Sie sich als Multichannel-Händler?
Was wir machen, geht über Multichannel weit hinaus – unser Thema ist Interconnected Retail. Wir denken nicht in Kanälen. Alles muss miteinander verzahnt sein, das ist unser Ansatz. Und dafür braucht man zuerst und ganz trivial gleiche Preise, online wie offline. Bei Multichannel brauchen Sie das nicht unbedingt.

 Sie bieten den Kunden jetzt an, für ein Produkt auch 30 Tage nach dessen Kauf Geld zurück zu bekommen, sollte dieses bei einem Konkurrenten billiger zu bekommen sein. Haben Sie errechnet, was Sie das pro Jahr kosten könnte?

Unsere erweiterte Dauertiefpreisgarantie bezieht sich auf unsere eigenen Preise. Wenn wir selbst den Preis für das Produkt innerhalb von 30 Tagen senken – zum Beispiel aufgrund besserer Einkaufskonditionen – wird dem Kunden die Differenz automatisch auf sein Kundenkonto gut geschrieben. Was es uns kosten wird, können wir erst einmal nur schätzen. Trotzdem haben wir eine gewisse Summe geplant... 

...die wie hoch ist?
Es ist schon ein fühlbarer Betrag.  Aber wichtiger ist doch: Unsere Strategie verspricht dem Kunden, bei Hornbach immer zum richtigen Preis einzukaufen.

"Man darf im E-Commerce im ersten Schritt nicht nachdenken, ob es sich sofort betriebswirtschaftlich rentiert."

Albrecht Hornbach
Dieses 30-Tage-Angebot gilt nur, wenn man ein Kundenkonto erstellt. Somit kommen Sie an immer mehr Kundendaten - ist das der gewünschte Nebeneffekt?

Wir lernen den Kunden dadurch besser kennen, das stimmt. Allerdings sind wir äußerst zurückhaltend beim Verwenden dieser Daten. Wir versenden nicht unaufgefordert E-Mails, nur, wenn Sie sich für den Newsletter anmelden – oder etwa wenn wir Ihnen die genannte Preisdifferenz auf Ihrem Kundenkonto gutschreiben.

Baumarktchef Hornbach (rechts, bei der Markteröffnung 2017 in Amsterdam): "Sie müssen als Arbeitgeber attraktiv sein."
© Hornbach
Baumarktchef Hornbach (rechts, bei der Markteröffnung 2017 in Amsterdam): "Sie müssen als Arbeitgeber attraktiv sein."
 Für Hornbach lief der März nicht gut aufgrund des kalten Wetters. Auch andere Handelssegmente kämpfen verstärkt mit den Wetterkapriolen. Müssen sich viele Handelsunternehmen mit diesem Thema immer intensiver auseinander setzen?

Das Geschäft mit allem, was den Gartenmarkt betrifft, ist ein bisschen weniger planbar geworden. Die Kunden gewöhnen sich aber daran, dass das Wetter nicht mehr so berechenbar ist wie früher und stellen sich immer mehr darauf ein. Daher ist das Thema Wetter für uns keine Bedrohung. Manchmal hat man ein bisschen Glück, manchmal Pech – aber die Zukunft eines Unternehmens wird es nicht maßgeblich beeinflussen. 

Ihre Zukunft liegt offenbar in der internationalen Expansion, weil der deutsche Baumarkt-Markt gesättigt ist.
Was gesättigt ist, ist Definitionssache. Klar ist, dass in Deutschland die Verkaufsflächendichte erheblich größer ist, als in vielen europäischen Nachbarländern. Andererseits geben die deutschen Konsumenten für Heimwerken sehr viel Geld aus. Selbstverständlich haben wir hier in Deutschland einen harten Wettbewerb, Expansion geht fast nur noch mit Verdrängung einher und ein neuer Markt braucht eine längere Anlaufzeit, bis er sich rechnet.

Spot: HORNBACH - Sag nicht Projekt

Haben Sie neue deutsche Standorte im Blick?

Ja.

Und in welchem Zeitraum wollen Sie eröffnen?
In ein, zwei oder drei Jahren.

Es gibt ja weiße Flecken für Sie, wo noch Platz wäre für Hornbach…
…das ist das Rheinland, etwa Köln und Düsseldorf, dort sind wir überhaupt nicht vertreten.

Und wo haben Sie etwas geplant? Können Sie das geografisch eingrenzen?
Ach nein. Das sind alles noch ungelegte Eier. 

Wie denken Sie über neue Länder? Frankreich ist schwierig, hatten Sie immer gesagt.
Das stimmt, die Ansiedlungsgesetze dort sollen neue großflächige Einkaufsmärkte verhindern. Und daran scheitern wir. Das ist schade, denn wir haben in unseren grenznahen Märkten viele französische Kunden. Eigene Märkte dort würden wahrscheinlich enorm einschlagen.

 Und Luxemburg?

Dort haben wir bisher einen Markt. Und es könnte gut sein, dass ein zweiter hinzukommt. 

Sind Märkte im Ausland generell günstiger zu erschließen als in Deutschland?
So kann man das nicht sagen. Wir haben die Regionen erschlossen, indem wir dort zuerst jeweils eine Verwaltung und einen Einkauf aufgebaut haben. Das führt zunächst zu erhöhten Markteintrittskosten, das sind aber notwendige Einmalaufwendungen. Wenn diese Anfangsinvestition getätigt worden ist, dann ist es aus unserer Sicht egal, wo wir einen Markt eröffnen. 

Erster Superbaumarkt von Hornbach: Als die Verkäufer noch weiße Kittel trugen.
© Hornbach
Erster Superbaumarkt von Hornbach: Als die Verkäufer noch weiße Kittel trugen.
 Ist das Sortiment denn stark angepasst an die jeweiligen Länder?

Ja, selbstverständlich. Obwohl wir anstreben, dass es überall so gleich wie möglich ist. Aber manchmal ist es einfach notwendig, das Sortiment regional anzupassen. Vieles funktioniert international, da stecken viele Synergiepotenziale beim Einkauf drin. Aus unserer Sicht geht es nicht ohne regionalen Einkauf: Hier muss ein entsprechendes Managementteam mindestens zwei Jahre vor dem Markteintritt starten, die Kundenbedürfnisse kennenzulernen.

 Wie teuer ist es, einen neuen Markt in einem neuen Land zu erschließen?

Das kostet Millionen. Es beginnt ja bei einer Mannschaft, die zwei Jahre arbeitet, ohne dass sie in der Zeit einen Euro Umsatz macht. Wir brauchen auch Gebäude und eine Verwaltung.

Wie stellen Sie sich die Zukunft von Hornbach-Baumärkten vor, sind Dienstleistungen vorgesehen? Etwa mit Verleihen von Werkzeugen?
Das wird zunehmen, denn die digitale Welt fördert so etwas. Speziell im Bereich Werkzeuge-Verleih arbeitet Hornbach aber schon sehr viele Jahre mit einem Spezialisten zusammen. Aber wir bieten unseren Kunden bereits heute zahlreiche Services. Tendenz steigend.

Noch eine Frage zum Hornbach-Aktienkurs. Warum hat der sich so schlecht entwickelt?
Das hat etwas mit den Aufwendungen für die Digitalisierung zu tun. Denn wir geben dafür sehr viel Geld aus. Aus unserer Sicht ist klar, wenn wir das nicht täten, würden wir uns großer Zukunftschancen berauben. Zudem erlebt die Handelsbranche einen Onlinehype. Für Analysten und Investoren sind stationäre Händler derzeit unsexy, Amazon und die vielen anderen aus dem E-Commerce gehören stattdessen zum guten Ton. Aber wer ein gutes Gedächtnis hat, der kann sich an die Zeiten des sogenannten Neuen Marktes erinnern, als der Kapitalmarkt glaubte, nur das kann noch funktionieren. Folglich waren etliche Unternehmen damals überbewertet. Heute denkt doch jeder, Amazon macht alles platt. Aber davon kann überhaupt nicht die Rede sein -  bei aller Wichtigkeit dieses Unternehmens. Der stationäre Handel wird immer eine ganz wichtige Rolle spielen. Unser Vorteil sind die physischen Märkte, wir können unsere Kunden dank Interconnected Retail die gesamte Customer Journey entlang begleiten – das kann Amazon nicht.

Können Sie sich überhaupt eine Zusammenarbeit mit Amazon vorstellen?
Man muss das meiner Meinung nach ganz pragmatisch sehen. Der Leitgedanke bleibt immer der gleiche, egal ob ich etwas alleine stemme oder mir einen Partner suche: Am Ende muss es unseren Kunden einen echten Mehrwert bringen.

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