Nach langem Zögern und Zaudern hat die Automobilindustrie die Vorteile von Elektrotransportern im innerstädtischen Lieferverkehr erkannt - und will jetzt endlich liefern. Auf der Branchenmesse in Hannover werden sogar die schweren Lkw elektrifiziert.

Die Deutsche Post DHL hat sich ihr eigenes Auto gebaut, Amazon und Hermes und Co. setzen auf den eVito von Mercedes-Benz und nun auch auf den eCrafter von Volkwagen. Deutschlands große Lieferdienste fahren ins elektrische Zeitalter vorweg. Zwar werden, laut dem Bundesverband Paket- und Expresslogistik aktuell lediglich 3 Prozent der gesamten KEP-Flotten von 140.000 Fahrzeugen rein batterieelektrisch angetrieben, doch findet die Branche angesichts von drohenden Fahrverboten in Innenstädten und Chancen auf ungehinderte, weil leise, Belieferung in der Nacht zusehends Gefallen an den lokal emissionsfreien Transportern. 
VDA-Chef Mattes erwartet den Durchbruch der Elektroautos
© VDA
VDA-Chef Mattes erwartet den Durchbruch der Elektroautos
Und die Hersteller scheinen nach jahrelangem Zögern und Zaudern nun endlich soweit zu sein.

Schenkt man den Worten von Verbandspräsident Bernhard Mattes Glauben, wird die bevorstehende Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) für Nutzfahrzeuge vom 20. bis 27. September in Hannover tatsächlich den elektromobilen Durchbruch bringen – zumindest bei den Transportern.  

Trend geht in Richtung Elektromobilität"

"Keine Frage: Der Trend bei leichten Nutzfahrzeugen geht in Richtung Elektromobilität. Innerstädtische Verkehre mit relativ geringen Reichweiten, zahlreichen Start-/Stopp-Vorgängen und hohen Anforderungen an Schadstoff- und Geräuschemissionen sind ja prädestiniert für die Elektromobilität", preist der oberste Automobillobbyist das von den Anbietern bislang eher zögerlich forcierte Antriebskonzept und legt noch nach: "Sie eröffnet ganz neue Möglichkeiten, Mobilität und Logistik in städtischen Ballungsräumen und darüber hinaus wesentlich effizienter zu gestalten und Staus zu vermeiden."  

Immerhin: Mercedes-Benz hat besagten eVito schon auf die Straße gebracht, bereitet die Markteinführung des eSprinter im kommenden Jahr vor und blickt mit der "Vision Urbanetic" schon weit in die Zukunft. Volkswagen nutzt das Messeheimspiel in Hannover, um den eCrafter ins Rampenlicht zu rollen. Das strahlt in Halle 12 gleich nebenan bei der Konzerntochter  MAN auch auf den baugleichen TGE, der nun ebenfalls in der elektrifizierten Variante zur Wahl steht.
Zweiter Stromschlag: Nach dem eVito liefert Mercedes-Benz ab Anfang nächsten Jahres auch den eSprinter aus.
© Mercedes-Benz
Zweiter Stromschlag: Nach dem eVito liefert Mercedes-Benz ab Anfang nächsten Jahres auch den eSprinter aus.
Mit den bereits des längeren aufladbaren Iveco Daily und Renault Master Z.E. sowie dem Ford Transit Custom Plug-in-Hybrid steht den Fuhrparkmanagern jetzt also eine veritable Auswahl zur Verfügung. 

Transporter und Stadtlieferwagen 8,2 Prozent im Plus

Unabhängig vom Antriebskonzept sind Transporter und Stadtlieferwagen weiterhin stark gefragt. Nach den Erhebungen von Dataforce lag das Segment im ersten Halbjahr 2018 mit 183.675 Neuzulassungen und 8,2 Prozent im Plus.

Marktführer Volkswagen profitierte mit einem Plus von 20,6 Prozent ganz besonders vom Boom. Einen ordentlichen Anteil zum Erfolg trug der erstmals eigenständig entwickelte Crafter, vor zwei Jahren der Star der Messe, bei. Die Niedersachsen konnten die Absatzzahlen gegenüber dem Vorjahreszeitraum fast verdoppeln. 

"Der Boom ist ungebrochen, die letzte Meile bleibt im Fokus", erwartet auch Steffen Raschig, Geschäftsführer von Peugeot-Deutschland, eine anhaltende Nachfrage nach kleinen und wendigen Transportern. Bei den Franzosen dreht sich in Hannover folglich auch alles um die neueste Generation des Stadtlieferwagens Partner, der im Gegensatz zur Pkw-Version, der jetzt unter dem Begriff „Rifter“ firmiert, seinen Namen behalten darf.

"Im Berufsalltag ist das Auto ein Arbeitsmittel, ein echter Partner – das passt weiterhin", meint Raschig, der mit Messebeginn die Bestellkanäle öffnen möchte und darauf setzt, dass die ersten Auslieferungen an Kunden "noch in diesem Jahr" klappen. Wann der Partner der dritten Generation auch wieder mit einem Elektroantrieb ausgerüstet sein wird, vermochte Raschig noch nicht sagen. 

Baugleiches Kastenwagen-Trio im Blicktpunkt

Einer der baugleichen Drillinge: Der Opel Combo gehört wie seine Brüder Peugeot Partner und Citroen Berlingo zu den diesjährigen Messestars in Hannover.
© Opel
Einer der baugleichen Drillinge: Der Opel Combo gehört wie seine Brüder Peugeot Partner und Citroen Berlingo zu den diesjährigen Messestars in Hannover.
Mit dem Kastenwagen rollen auch die baugleichen Citroen Berlingo und Opel Combo an, die gemeinschaftlich vom Band laufen. Das Trio gehört damit, zumindest bei den für Handelsbetriebe besonders relevanten leichten Nutzfahrzeugen, zu den Stars des weltweit größten Branchenevents. 

Ford bringt seine aufgefrischten und mit Euro 6 d Temp-Motoren ausgerüsteten Baureihen Courier und Connect sowie einen Transit mit Mild-Hybrid-Konzept (48-Volt-Batterie) sowie Tiefrahmenfahrgestell mit nach Hannover. Fiat spendiert dem Ducato ein verlängertes Fahrgestell.

Auch schwere "Brummis" unter Strom

Dort fristen die "Helden der Hinterhöfe" gegenüber den "Brummis" ohnehin ein Schattendasein. Traditionell zieht in den Messehallen an der Leine schweres Gerät die Blicke auf sich. Und auch hier üben sich die namhaften sieben Hersteller von Mercedes-Benz, über Scania, MAN, Renault, Iveco, DAF und Volvo in Sachen Elektromobilität, wie der Daimler-Feldversuch mit zwei 18 beziehungsweise 25 Tonnen schweren eActros in Südwestdeutschland belegt.
MAN-Vorstand Joachim Drees ist jedenfalls überzeugt: "Die Zukunft des Waren- und Personenverkehrs in der Stadt ist elektrisch." Verbandschef Mattes räumt allerdings ein: "Bei Lkw bis 26 Tonnen ist die Herausforderung der Elektrifizierung auf Grund von Gewicht und Reichweite natürlich deutlich größer." Als alternative Antriebe kommen hier auch Hybrid oder Erdgas in Frage. Doch der rein elektrische Betrieb werde aber kommen: Derzeit seien bereits Versuchsfahrzeuge im Einsatz. Mattes: "Mit der Serienproduktion rechne ich in wenigen Jahren."

Volvo will schon im nächsten Jahr mit dem Verkauf starten

Auch Volvo Trucks präsentiert die neuesten Entwicklungen von alternativen Antrieben. Schließlich wollen die Schweden 2019 in Europa mit dem Verkauf elektrisch angetriebener Lkw beginnen. Der FE Electric, ein Abfallentsorgungsfahrzeug dessen Aufbau gemeinsam mit Faun entwickelt wurde, gibt einen Ausblick.

Ein weiteres Konzept bei den Skandinaviern sind Fahrzeuge mit LNG (Erdgas). Die neuen Modelle Volvo FH LNG und FM LNG sind mit 420 PS oder 460 PS für den schweren Regional- und Fernverkehr erhältlich. Ein Bereich widmet sich dem Kundenservice Volvo Connect, der auf der IAA erstmalig vorgestellt wird. Und allerorten geht es um den Abbiegeassistenten, der EU-weit für alle Lkw vorgeschrieben werden soll. 

MEHR ZUM THEMA:

Sieht so die Transporter-Zukunft aus? Mercedes-Benz präsentiert seine Vorstellungen von der fahrerlosen Zustellung.
© Mercedes-Benz
Mobilität

Dann eben ohne Fahrer


Testfahrer: Die KEP-Branche probiert derzeit Elektrotransporter, wie hier den VW eCrafter, für den täglichen Liefereinsatz aus.
© UPS
Elektrolieferwagen

Transporteure als Testfahrer


Lieferkollaps vermeiden
© Fotolia / Jakub Jirsák
Logistik

So ist der Lieferkollaps noch zu vermeiden