Wer hierzulande Handel betreibt, wird künftig verpflichtet, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards bei der Beschaffung sicherzustellen. Dies betrifft Unternehmen mit Sitz in Deutschland ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern. Wie sie sich schon jetzt darauf vorbereiten können, die geplanten gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig umzusetzen, erklärt ein Gastbeitrag der Rechtsanwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Ein zähes politisches Ringen endete mit einem Kompromiss: Union und SPD haben sich im Februar auf den Entwurf des Lieferkettengesetzes geeinigt, das zentrale Compliance-Regelungen für die Lieferketten großer Unternehmen vorsieht.

So werden Unternehmen verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu beachten. Zunächst soll das Gesetz bei Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern Anwendung finden, ab 2024 wird der Anwendungsbereich auf Firmen ab 1.000 Mitarbeiter abgesenkt.
Ziel des geplanten Gesetzes ist die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards in globalen Wertschöpfungsketten.
© IMAGO / Joerg Boethling
Ziel des geplanten Gesetzes ist die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards in globalen Wertschöpfungsketten.

Textilien, Lebensmittel und Elektronik besonders betroffen

Das Gesetz tritt an die Stelle von freiwilligen Selbstverpflichtungen, an die sich Untersuchungen zufolge nur ein Bruchteil der Unternehmen gehalten hat.

Besonders in der Textil-, Lebensmittel- und Elektronikbranche gelten die Zustände in den Produktionsländern schon lange als großes Problem.

Händler müssen ein Risikomanagement aufbauen

Die bis zu 3.000 in Deutschland betroffenen Unternehmen stehen in den kommenden Monaten vor großen Herausforderungen, die geplanten gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig, richtig und vollständig umzusetzen.

Sie müssen ein angemessenes und wirksames Risikomanagementsystem für ihre Lieferketten einrichten und in alle maßgeblichen Geschäftsabläufe verankern.

Hierdurch soll das Unternehmen erkennen, ob für geschützte Rechtspositionen, zum Beispiel für Leben und Gesundheit der Beschäftigten, gerechte Arbeitsbedingungen sowie das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit ein Risiko besteht.

Menschenrechtsbeauftragte und Mitarbeiterschulungen

Zum Risikomanagement gehört neben der Risikoanalyse auch die Einführung präventiver Maßnahmen im Unternehmen, wie beispielsweise eine Grundsatzerklärung zu den Sorgfaltspflichten und die Bestellung eines Menschenrechtsbeauftragten ebenso wie Mitarbeiterschulungen.

Weiterhin ist entscheidend, dass die vom Gesetz betroffenen Unternehmen genau dokumentieren, dass sie ihre Sorgfaltspflichten beachten und Mängel beheben. Auf administrativer Seite ist ein Bericht spätestens vier Monate nach Vorlage des Geschäftsberichts im Internet zu veröffentlichen.

Nach einer Prüfung durch die zuständige Behörde können Unternehmen zu Verbesserungsmaßnahmen verpflichtet werden, sollten die zuvor ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen.

Europäisches Lieferkettengesetz könnte deutlich strenger werden

Während der deutsche Gesetzgeber in erster Linie nur die Kontrolle des unmittelbaren Zulieferers vorschreibt, eine Prüfung der gesamten Lieferkette nur im Verdachtsfall zur Pflicht machen will und als Sanktionsmöglichkeiten lediglich Geldbußen oder den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen vorsieht, gehen die Überlegungen in der EU darüber hinaus.

Nur mit umfassendem, kreativem und strategisch fundiertem Nachhaltigkeitsmanagement ist es möglich, auch langfristig aus der Masse der Händler herauszuragen.
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Die Vorschläge der EU für ein europäisches Lieferkettengesetz sollen im Sommer vorgestellt werden. Werden sie umgesetzt, müsste das deutsche Lieferkettengesetz entsprechend angepasst werden.

Im Europaparlament ist nicht nur eine Verantwortlichkeit für die gesamte Lieferkette in der Diskussion, die Regelungen sollen auch schon ab einer Mitarbeiterzahl von 250 greifen. Auf dem Tisch ist auch die Verhängung eines Importverbots bei einem schweren Menschenrechtsverstoß.

Herausforderung für Groß- und Einzelhändler

Gerade für den Groß- und Einzelhandel mit seinen weltumspannenden Lieferketten und einer Vielzahl von mittelständischen Beteiligten wäre dies eine große Herausforderung.

Ob dieser Kraftakt überhaupt gelingen kann und welche Folgen ein Importverbot sowie die Androhung von Geldstrafen hätten, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum ausmachen.

Der Einsatz von digitalen Techniken und Blockchain mag zwar bei der Umsetzung helfen. Entscheidend dürfte aber sein, dass sich gerade der Handel schon jetzt auf die neuen Vorschriften einstellt und hierfür Vorbereitungen trifft.
Hungerlöhne, schlechte Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit in den Produktionsländern sollen durch das Lieferkettengesetz verhindert werden.
© IMAGO / Joerg Boethling
Hungerlöhne, schlechte Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit in den Produktionsländern sollen durch das Lieferkettengesetz verhindert werden.

Unterlageneinsicht und Bußgelder bei Verstößen

Kommt es dennoch zu Regelverstößen, drohen nach dem deutschen Gesetzesentwurf hohe Zwangs- und Bußgelder von bis zu 8 Mio. Euro oder bis zu 2 % des (weltweiten) Jahresumsatzes.

Der Entwurf sieht auch eine Ermächtigungsgrundlage für das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vor, nach der das Amt Einsicht in die Unterlagen des Unternehmens - sowie der mit diesem verbundenen Unternehmen - einfordern und Auskünfte der Mitarbeiter verlangen kann.

NGOs können Rechte von Betroffenen gerichtlich geltend machen

Auch Durchsuchungen und Beschlagnahmen von Beweismitteln durch die Behörden kommen in Betracht.

Zivilrechtliche Ansprüche gegen die betroffenen Unternehmen sind zwar nicht direkt vorgesehen. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen sollen aber die Möglichkeit bekommen, die Rechte von Betroffenen gerichtlich geltend zu machen.

Mitte Februar 2021 hatten die Bundesminister Altmeier, Müller und Heil den Entwurf vorgestellt. Die Koalition plant, das Gesetz noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2021 zu verabschieden, sodass es zum 1. Januar 2023 in Kraft treten kann.

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