Die Millennials sind erwachsen geworden - und werden die Baby-Boomer-Generation schon bald zahlenmäßig überholen. Der Handel muss diese lukrative, aber anspruchsvolle Kundengruppe gezielt ansprechen. Aber wie geht das? Zeit, mit ein paar Missverständnissen über die Jahrtausender aufzuräumen.
Die neue Mittelschicht
Und da kommt einiges zusammen: Für Produkte des täglichen Bedarfs geben Millennial-Haushalte in Deutschland laut GfK schon heute 15 Milliarden Euro im Jahr aus. Das sind 12% des Gesamtumsatzes mit FMCG. Schon in den nächsten Jahren wird der Marktanteil der Millennials auf weit mehr als 25% steigen, denn es werden nicht nur mehr Haushalte, durch die Geburt von Kindern werden die Haushalte auch größer.
Gesellschaftswissenschaftler und Marketingleute mühen sich seit Langem um eine Charakterisierung der Millennial-Generation - eine schwierige Aufgabe, vereint sie doch Dinge, die eigentlich widersprüchlich erscheinen: Hedonismus und soziale Verantwortung, Freiheit und Bindung, Bequemlichkeit und Sinnhaftigkeit, Öffentlichkeit und Schutz von Privatsphäre.
Schwer zu greifen
In einem Punkt herrscht jedoch Einigkeit: Mit einem neuen, digitalen Kommunikations- und Einkaufsverhalten verändert diese Generation Märkte - und zerstört sie. "Millennials kill industries" ist in den USA ein geflügeltes Wort. Denn die jungen Konsumenten - allein in den Vereinigten Staaten sind das rund 80 Millionen Menschen mit einer Kaufkraft von knapp 600 Milliarden Dollar jährlich - geben ihr Geld anders als die Vorgängergenerationen aus. Für den Handel ist sie weniger berechenbar.Eines muss aber klar gesagt werden: Dass junge Erwachsene weniger Stoffservietten kaufen, seltener Golf spielen und weniger Häuser kaufen als ihre Elterngeneration hat aber nur zum Teil mit anders gewählten Lebensprioritäten zu tun - und ist auch der finanziellen Situation geschuldet, die unter anderem von größerer Jobunsicherheit und Zukunfstängsten geprägt ist.
Laut dem europäischen Konsumbarometer von Consors Finanz versuchen 76% der Millennials, ihre Ausgaben auf das zu beschränken, was nötig ist. Viel mehr als in älteren Generationen, nämlich 67%, achten auf günstige Angebote.

Junge Deutsche sorgen sich besonders um die Zukunft
Für Handel und Markenhersteller sind die Millennials auch deshalb eine große Herausforderung. Ganz besonders hierzulande. Dies legt eine internationale Studie, die "Millennial Survey 2019" von Deloitte nahe. Demnach ist bei den deutschen Millennials wie auch bei der nachfolgenden Generation Z (Geburtenjahrgänge bis 2012) eine gewachsene Skepsis zu beobachten, die weit über dem globalen Durchschnitt liegt und seit dem Vorjahr noch deutlich zugenommen hat.Vertrauen auf eine verbesserte wirtschaftliche Situation haben demnach nur 13% der jungen Deutschen. Außerdem bleiben die Ambitionen bei Vermögensaufbau oder Immobilienerwerb hierzulande weit hinter dem Durchschnitt der anderen westlichen Industrienationen zurück.
"Warnsignal" für Politik und Unternehmen
"Wenn die Generationen, die die Zukunft schultern müssen, sich so skeptisch zeigen, ist das ein deutliches Warnsignal - sowohl für die Politik, die die Weichen für eine Verbesserung der Situation stellen muss als auch für Unternehmen, sich stärker auf die veränderten Bedürfnisse einzustellen", mahnen die Autoren der Studie.Händler - stationär wie online - müssen sich also den neuen demografischen Gegebenheiten anpassen. Je weiter die Millennial-Generation ins Berufsleben einsteigt, desto lukrativer wird sie als Zielgruppe. Auch wenn sie ihr Geld bedächtiger ausgibt als die Eltern-Generation: Schon 2025 werden Millennials und die ihnen folgenden jüngeren Generationen 45% des globalen Luxusmarktes bestimmen.
Doch wie müssen Händler diese Schlüsselgeneration, die sich offenbar hinsichtlich Werteorientierungen, Lebenszielen und Einstellungen so stark von älteren Generation unterscheidet, nun ansprechen?

Mythos 1: "Alles dreht sich um online"
Fest steht: Millennials sind gewiefte Online- und Mobilkäufer. Als "Digital Natives" haben sie schon in jungen Jahren den Umgang mit Internet, Sozialen Medien und E-Commerce erlernt. Die Suche nach Produktinformationen, Bewertungen und Ratings im Internet haben sie perfektioniert.Laut europäischem Konsumbarometer nutzen 68% der Millennials das Internet, um sich vor dem Kauf im Geschäft genau zu informieren. Für 56% ist es gängige Praxis, Preise noch während des Einkaufs im Laden via Internet zu vergleichen.

Auch Millennials lieben das haptische Erlebnis
Aber - das ist eine zentrale Erkenntnis der Accenture-Studie - viele junge Verbraucher bevorzugen weiterhin den stationären Einkauf. Bei der Consors-Finanz-Studie sagten 57%, Shopping sei für sie ein Vergnügen. Obwohl 78% von ihnen gerne im Internet einkaufen, möchten Millennials die physische Erfahrung, die der stationäre Handel bietet, nicht missen. 82% wollen Produkte vor dem Kauf sehen und anfassen, 79% wollen sie ausprobieren können.Sind Millennials also gar nicht so "anders" wie immer behauptet wird? Eine Besonderheit gibt es dann doch bei ihrer Nutzung der verschiedenen Verkaufskanäle: Während ältere Konsumenten sich in der Regel bewusst für eine der Varianten Online- oder Offlinekauf entscheiden, verlangen die jungen Erwachsenen eine integrierte, nahtlose Einkaufserfahrung.
Sie wollen zwischen den Kanälen wechseln können, auch bei ein und demselben Einkauf, zum Beispiel bei Kauf, Abholung und Rückgabe.
Onlinecoupons ausdrucken? Das geht gar nicht.
Auch Promotions und Rabattaktionen müssen kanalübergreifend sein. Vor allem fordern 81% der von Consors Finanz befragten Millennials, dass die im Geschäft verfügbaren Informationen ebenso wie Produkte und Preise mit den Angaben auf der Händlerwebsite übereinstimmen müssen.Konkret bedeutet dies: Verschickt ein Händler online einen Rabattcode, erwartet der Kunde nicht nur, dass er im Laden den gleichen Rabatt erhält - er erwartet auch, dass er ihn durch Scannen des Rabattcodes auf dem Smartphone erhält. Wenn Onlinecoupons vor dem Ladenbesuch erst ausgedruckt werden müssen, kann das für Millennials ein Grund sein, den Kauf abzubrechen.
Wie entscheidend solche Details sind, wird klar, wenn man bedenkt, dass 95% der Millennials online nach Rabattcoupons suchen.
Die Herausforderung im Umgang mit Millennials als Kunden besteht darin, Produkte und Dienstleistungen wahrhaft nahtlos über die verschiedenen Kanäle zu verkaufen. So weit sind viele Händler heute noch nicht. Denn dies fordert grundlegende Veränderungen in den Handelsorganisationen. Zuallerst müssen dafür IT-Plattformen so integriert werden, dass alle Kanäle auf die gleiche Datenquelle zugreifen und maximale Transparenz zwischen den Kanälen herrscht.

Mythos 2: Die verlorene Loyalität
Millennials seien unstet, wechselhaft und als Kunden weniger marken- und händlertreu, heißt es. Die Accenture-Studie bestätigt aber auch dies nicht. Aber die Loyalität hat ihren Preis: 95% der jungen Konsumenten sagten aus, dass Marken sie aktiv umwerben müssten.Millennials verlangen ein kundenzentriertes Einkaufserlebnis, das ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Viele sprechen auf personalisierte Promotions und Rabatte an. Aber auch für den Konsum von Luxus sind junge Konsumenten zu gewinnen - unter einer Voraussetzung: dass sie dafür im Gegenzug ein besseres Kundenerlebnis erhalten.
Millennials wollen persönlich angesprochen werden
Personalisierte digitale Dienste stehen hoch im Kurs. So würden laut Consors-Finanz-Studie 66%t gerne während ihres Einkaufs in einem Geschäft personalisierte Angebote in Echtzeit auf dem Smartphone erhalten.Millennials wollen etwas als Gegenleistung für ihre Loyalität. Händler können sich diese verdienen - durch guten Kundenservice und personalisierte Ansprache. Dafür muss dem Kundenerlebnis derselbe Stellenwert wie Produkt und Preis eingeräumt werden.
Der Aufwand lohnt sich: Als zufriedene Kunden gewonnene Millennials gelten als besonders loyal. In der Accenture-Studie sagten 69%, dass sie vom Kauf bei ihrem bevorzugten Händler auch dann nicht abrücken würden, wenn dieser unerwartet geschlossen habe.
Mythos 3: Ein "Like" auf Instagram bedeutet Zuneigung
55% der Millennials folgen einem Geschäft in den Sozialen Netzwerken, 49% schauen sich die im Internet geposteten Videos von Händlern an (Europäisches Konsumbarometer). Laut GfK suchen Millennials doppelt so häufig Informationen auf Social-Media-Portalen von Marken und schauen Werbung auf Videoplattformen wie Youtube als der Bevölkerungsdurchschnitt.Millennials sind Social-Media-Profis - aber sie sehen diese Kanäle anders als viele Marketingleute annehmen - und das führt zu Missverständnissen."Zentrale Aufgabe für alle Markenhersteller und Händler ist, Millennials zu faszinieren – sie nicht einfach nur mit TV-Spots und Bannerwerbung zu berieseln, sondern in relevante Dialoge zu ziehen und gelebte Zugehörigkeit zu ermöglichen."
So bedeutet ein Klick auf den "Like"-Button nicht unbedingt, dass ein Konsument einen Händler mag. Oft ist es ein rein "transaktionaler" Vorgang: "Liken" ist für Millennials dann nur ein Weg, um an das beste Angebot, Coupons etc. zu kommen.
Die "unaufmerksame Aufmerksamkeit"
Die bloße Präsenz in den Sozialen Netzwerken genügt nicht. Millennials sind an jedem Ort zu jeder Zeit digital erreichbar - und werden mit Botschaften überhäuft. "Ein Wahrnehmungsmodus der 'unaufmerksamen Aufmerksamkeit' breitet sich aus", wie die GfK diagnostiziert. Umso wichtiger werden "Ankerpunkte" und der Dialog mit den jungen Konsumenten, um noch zu ihnen durchzudringen.
Das Smartphone ist Dreh- und Angelpunkt ihrer Kommunikation. Erschwerend kommt hinzu: Wo die Konversation ist, verändert sich ständig. War gestern noch Facebook aktuell, tauschen sich viele junge Konsumenten heute schon lieber über LinkedIn, Instagram, Twitter, Tumblr oder Pinterest aus.
Vom Monolog zum Dialog
Für das Marketing heißt das: Genauso schnell, wie die Konsumenten neue Kommunikationswege aufnehmen, müssen Händler ihre Strategien anpassen, um eine Beziehung zum Kunden aufzubauen.Robert Kecskes, Global Insights Director bei der GfK sieht es als zentrale Aufgabe für Markenhersteller und Händler, "dialogische und communitybildende Komponenten in Produkte, Services und Marketingkommunikation zu integrieren und Interaktion auf digitalen Kanälen zu forcieren."
Anders als bei Vorgängergenerationen muss digitale Kommunikation mit Millennials immer die Möglichkeit zum Antworten, Bewerten, Kommentieren, Teilen und zum "echten" Kontakt bieten. Sonst wird weggeklickt.
Nahtlos, personalisiert, dialogorientiert
Fazit: Millenials sind als Kunden nicht onlinefixiert. Sie sind weder untreu noch verschenken sie ihre Zuneigung in den Sozialen Medien leichtfertig. Der bloße Markenname reicht nicht mehr zur Bindung. Millennials wollen umgarnt werden. Anbieter müssen sie "in relevante Dialoge ziehen und gelebte Zugehörigkeit ermöglichen, jederzeit und sinnhaft, on- und offline", wie GfK-Direktor Kecskes es formuliert.
Ein Weg, um solche Beziehungen aufzubauen, ist zum Beispiel die Mitgestaltung von Produkten durch die Konsumenten.
Accenture hat im Rahmen der Konsumentenstudie weltweit auch 60 Händler darauf untersucht, wie nahtlos, personalisiert und dialogorientiert die Kaufprozesse sind - und viele Lücken festgestellt.
Für den Handel gibt es also noch viel zu tun. Die Generation Z steht schon in den Startlöchern. Und die kann sich - anders als die Millennials - nicht einmal an die Zeiten erinnern, als man noch nicht zur selben Zeit telefonieren und im Internet surfen konnte ...