Es muss doch möglich sein, deutschen Verbrauchern das Bargeld abzugewöhnen. Mit Bequemlichkeit soll es klappen. Jetzt buhlen nationale wie internationale Anbieter um den Platz im Smartphone.

Bei Sparkassen und Volksbanken ist der Startschuss für mobiles Bezahlen via Smartphone gefallen. Google Pay hat vorgelegt, auch Apple Pay hat sich auf den sperrigen deutschen Markt gewagt. Der Wettbewerb ist in vollem Gange.

Dass digitales Bezahlen weltweit rasant zunimmt, ist keine Frage. Das zeigt auch die fulminante Entwicklung des deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard, der seit September 2013 um 700 Prozent zugelegt hat und nun statt der Commerzbank in die erlesene Runde des deutschen Leitindex Dax aufstieg.

„Alles, was wir bis jetzt erreicht haben, ist meines Erachtens nur ein müder Abklatsch dessen, was wir in den nächsten zehn Jahren erreichen können“, zitiert der Spiegel den selbstbewussten Wirecard-Vorstandschef Markus Braun anlässlich der Bilanzpressekonferenz letzten Jahres.
Mobiles Bezahlen - vor allem in China wie den USA selbstverständlich.
© Statista
Mobiles Bezahlen - vor allem in China wie den USA selbstverständlich.
Kurz, elektronisches Bezahlen ist nicht aufzuhalten und der traditionelle Markt – ob Banken oder Handel – bewegte sich in Deutschland bislang zu langsam und überließ das Feld anderen. Dabei ist es löblich, dass in Europa striktere Datensicherheitsstandards gelten als beispielsweise in China – und das wird immer wichtiger.

Statista erwartet für mobiles Bezahlen weltweit ein Wachstum von 52 Prozent innerhalb von fünf Jahren: 2016 lag das Transaktionsvolumen bei 95507 Millionen Euro, 2021 soll es bei 779760 Millionen Euro liegen. Treiber dieser Entwicklung sind USA und China. Statista erwartet für 2018 in den USA einen jährlichen Umsatz von 1838 Euro pro Nutzer beziehungsweise in China von 514 Euro.

Bei den Chinesen macht es die schiere Menge: 348,9 Millionen Nutzer. In den USA werden lediglich 60,1 Millionen Nutzer erwartet. In Europa liegen die Briten mit erwarteten 1638 Euro und die Franzosen mit 667 Euro vorne – in Deutschland werden gerade mal 80 Euro pro Nutzer prognostiziert.

Neu sind Mobile Payment-Angebote nicht – mancher Anbieter war seiner Zeit schlicht voraus und zog sich mangels Akzeptanz wieder zurück, wie Yapital der Otto-Gruppe oder jüngst die Vodafone Wallet.
Andere Anbieter werden eher zu wenig wahrgenommen. Beispiel Starbucks. Die Kaffeekette bietet in den USA seinen Kunden seit 2011 eine App, über die mobil bezahlt werden kann.

Ist die App auf dem Smartphone installiert, wird ein Kundenkonto angelegt und wenigstens eine Kreditkarte hinterlegt. Beim Bezahlen wählt der Kunde über die App eine Karte an. Es erscheint ein Barcode, den die Kasse einscannt, Bonuspunkte werden im selben Vorgang direkt aufs Kundenkonto geladen.

2018 werden in den USA 55 Millionen Verbraucher mobil bezahlen

Der Erfolg? Das Marktforschungsunternehmen Emarketer rechnet damit, dass bis Ende des Jahres ein Viertel aller über 14-Jährigen in den USA mobile Zahlungen getätigt haben. Das sind 55 Millionen Nutzer. 40 Prozent davon werden die Starbucks-App verwendet haben. Das heißt, die Akzeptanz ist höher als bei den Großen Apple Pay, Google Pay und Samsung Pay.

Auch in Deutschland findet die Starbucks-App seit 2014 Freunde. Zwei Jahre später startete Payback. Über deren App kann aktuell beispielsweise bei Galeria Kaufhof, Drogeriemarkt dm, Thalia, Rewe, Penny, Real oder Alnatura bezahlt werden.

Paypack hat nach eigenen Angaben eine Reichweite von mehr als 30 Millionen aktiven Kunden in Deutschland. Die Karte des Bonusprogramms hat sich somit in mehr als jedem dritten Geldbeutel eingenistet und wird in unterschiedlichen Geschäften genutzt. 2016 erfolgte der Schritt ins Handy.

Die App zählt bereits gut 6 Millionen aktive Nutzer und gehöre damit zu den Top 3 Shopping-Apps in Deutschland. Unternehmen lancieren darüber gezielt kundenindividuelle Angebote. Verbraucher wiederum sammeln damit Punkte, aktivieren Coupons und – bezahlen mobil.
 
Auch hier wird nach der Installation ein Kundenkonto angelegt und gewünschte Bankverbindungen hinterlegt. Bezahlt wird entweder über einen Barcode oder kontaktlos über eine NFC-Schnittstelle. Bei Mobile Payment sei die Paypack-App aktuell Marktführer in Deutschland, so das Unternehmen.
 
Jetzt umwirbt der Bonusprogrammanbieter die Online-Pure-Player. Nur im Verbund könne man langfristig gegen die zunehmende Dominanz der Großen im Markt wie Amazon und Alibaba etwas ausrichten. Mobile Payment muss für den Kunden auf möglichst vielen Kanälen einsetzbar sein und von vielen Händlern benutzt und akzeptiert werden, betont auch die Mastercard Presseabteilung. Eine Marketingkampagne die TV-Werbung ebenso umfasst wie ein neu aufgelegte Bonusprogramm Priceless Specials soll Nutzerzahlen steigern.
Flott abkassieren: So lange dauert eine Transaktion je nach Zahlungsmittel.
© iStock/RLT_Images
Flott abkassieren: So lange dauert eine Transaktion je nach Zahlungsmittel.

Bankenunabhängigen Wallets wie Boon bieten mehr Flexibilität

Mit Spannung wurde der Eintritt von Google Pay in diesem Jahr erwartet. Eine Art All-in-one-Lösung, denn sie lässt sich in Geschäften, auf Websites und in Apps sowie in Google-Produkten nutzen inklusive Android Smartphones oder Smartwatch. Wer bereits ein Google-Konto hat, für den soll es eine entspannte Erweiterung werden.

Der stationäre Einsatz ist allerdings erst begrenzt möglich. Basis ist eine Kredit- oder Debitkarte. Doch die Zahl der teilnehmenden Händler (dazu gehören unter anderem Aldi Süd, Lidl, Kaufland, Hornbach, MediaMarkt und Saturn sowie McDonald‘s) ist ebenso überschaubar, wie die teilnehmenden Banken, bei denen ein Konto Voraussetzung ist (Commerzbank, comdirect, N26 oder Wirecard). Für den Erfolg muss sich dieser Kreis rasch erweitern.

Apple Pay startete zum Ende des Vorjahres mit Bislang ist das Unternehmen nicht bereit, die NFC-Schnittstelle für Dritte freizugeben – sicherlich eine Hürde für die Akzeptanz in Deutschland.

Wer mehr Flexibilität sucht, für den gibt es Alternativen. Zum Beispiel die Allzweck Wallet Boon von Wirecard, die bankenunabhängig genutzt werden kann. Hier lassen sich nicht nur nationale oder europäische Zahlungsoptionen zufügen, sondern beispielsweise auch Alipay. Rund 3000 Händler in Deutschland akzeptieren die chinesische Zahlungsoption, in erster Linie für chinesische Touristen. Auch WhatsApp stattet seine App mit Pay-Funktion aus.

Ob Google, Amazon, Apple: Für den Geschmack der EZB-Bank sind die außereuropäischen Zahlungsoptionen heute schon reichlich genug vertreten und warnt vor deren Dominanz. Sie befürchtet, die Abhängigkeit wird mit weiteren Neuerungen zunehmen. Beispiel Paypal, das im Onlinehandel hierzulande zur wichtigsten und beliebtesten Zahlungsart gehört, wie Studien belegen.

Die Händlerbund Payment-Studie 2017 zeigt: 92 Prozent der befragten Händler gaben an, PayPal anzubieten. Europäische Alternativen sind weit von solcher Akzeptanz entfernt. Die EZB bemängelt, dass europäische Banken sich beim Bereitstellen von Bezahldiensten zu sehr die Bedienung ihrer nationalen Märkte konzentrierten.

Da wird es die EZB freuen, dass der Sparkassenverbund und der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) mit eigenen Lösungen auf dem Markt sind.  „Gerade die Tatsache, dass Bezahlen mit dem Smartphone genauso einfach funktioniert wie kontaktloses Bezahlen mit der Karte, macht es sowohl für Kunden als auch für den Handel leicht, den neuen Service zu nutzen“, so die Hoffnung. Man knüpft an kontaktloses Bezahlen an. Jetzt soll via TV Spots, Werbung im Netz wie in den Filialen die Werbetrommel gerührt werden. Weiterentwicklungen für sogenannte In-App-Zahlungen werden bereits erwogen.

Voraussetzung für die Akzeptanz – Vertrauen in die Sicherheit

Dennoch bleibt bei manchem Verbraucher Skepsis. Die Gretchenfrage in diesen Tagen lautet bei digitalen Zahlungsdienstleistungen: „Wie hälst Du‘s mit der Sicherheit?“.

„Das kontaktlose Zahlen mit Girocard oder Kreditkarte ist unserer Einschätzung nach eine Brückentechnologie, bis die Kunden mobilen Endgeräten die gleiche Sicherheit zugestehen wie Bankkarten. Dabei basiert das kontaktlose Bezahlen mit dem Smartphone auf den gleichen Sicherheitsanforderungen wie das kontaktlose Bezahlen mit der physischen Plastikkarte“, so Steffen Steudel, stellvertretender Pressesprecher des BVR.

Die Kreditkartendaten werden nicht an das Zahlungsterminal und nicht an den Händler übermittelt. Stattdessen wird ein Token erstellt, der nur einmalig gültig ist und mit dem die Zahlung verifiziert wird, betont Mastercard. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, dass in den USA Google Transaktionsdaten von Mastercard gekauft habe um zu prüfen, ob Onlinewerbung zum Kauf in stationären Läden führt. Google wiederum gewährte ausgewählten Werbekunden Zugriff auf diese Analysen – vielen Kunden dürfte diese weitreichende Nutzung nicht bewusst sein. Man ahnt, hier ist sicherlich noch Überzeugungsarbeit zu leisten, um Vertrauen zu festigen.

Die Vielfalt ist groß, die Systeme uneinheitlich. Klar ist, kein Verbraucher hat Lust, eine Reihe von Apps auf seinem Smartphone zu horten. Einfach, schnell, sicher und flexibel nutzbar muss eine Lösung sein – die macht dann das Rennen.
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