Hornbach, Saturn, Knauber, Edeka: Nun entdecken auch immer mehr deutsche Händler die Vorteile von Self-Scanning. Albert Heijn ist unterdessen schon weiter und Walmart steigt wieder aus.
Es hat durchaus Vorteile, wenn der Kunde per Smartphone, Scanner oder NFC-Karte seinen Einkauf selbst erfasst und bezahlt.
Ganz nebenbei kann der Händler den Kunden während des Kaufvorgangs identifizieren, somit gezielt ansprechen und die vielbeschworene Kundenbindung personalisieren.
Und so arbeiten zurzeit nahezu alle Handelsunternehmen weltweit daran, den Einkaufsprozess im Laden zu digitalisieren und zu optimieren. Auch wenn viele dabei auf Amazon Go, Amazons personal- und kassenlosen Hightech-Supermarkt schielen, sind doch asiatische Händler wie beispielsweise JD.com weiter. Und in Europa Albert Heijn.

NFC bei Albert Heijn
"Tap, grab and go" nennt der niederländische Lebensmittelfilialist Albert Heijn seine neue Self-Scanning-Variante. Zunächst wurden vier Albert-Heijn-Convenience-Shops mit der Technik auf Basis des Nahfunks NFC ausgestattet: zwei in Krankenhäusern, einer in einer Metro-Station und einer in Zaandam, in der Firmenzentrale. Die Niederländer planen einen flächendeckenden Rollout in alle rund 80 Stores des To-Go-Formats.Albert Heijn Tap, Grab and go
Groenenboom EHI
Natürlich sind Vorteile wie Geschwindigkeit und Entzerrung in der Kassenzone schön. Wertvoller aber sind die Daten, die der Händler so sammeln und aufgrund der vorherigen Registrierung personalisieren kann.
Ziel dabei ist, die Kundenansprache und -bindung individuell auf das Kaufverhalten abzustimmen und so "auf eine neue Ebene zu heben", so Groenenboom. Das ist natürlich ein bisschen "Marketing-Sprech", aber grundsätzlich das Ansinnen aller Handelsunternehmen, die Self-Scanning einführen. Zum Beispiel auch des Freizeitmarkt-Betreibers Knauber.
Vor rund einem Jahr führte Knauber gemeinsam mit der Technologieagentur Tarent Solutions die App "Sellfio" ein. Die digitale Kundenkarte mit Scan&Go-Funktion war auch als mobile Zahlungsalternative per Lastschrift, Kreditkarte und Paypal in allen sechs Filialen gedacht, die Pilotfiliale in Bonn wurde darüber hinaus seinerzeit mit einer Indoor-Navigation ausgestattet, mit der die Kunden schnell zu ihren gewünschten Produkten im Laden finden sollen.

Gut 200 Kunden sollen diese Funktion täglich nutzen, zudem verspricht sich der Baumarktbetreiber von dieser digitalen Kundenkarte ebenfalls mehr und bessere Daten und will auch eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Denn das Durchschnittsalter der Knauber-Kunden liegt laut Angaben des Handelsunternehmens derzeit bei knapp 60 Jahren.
Test bei Edeka Paschmann
Die Lösung, die von dem Bonner Start-up Snabble stammt, testet derzeit auch der selbstständige Edeka-Kaufmann Paschmann in Mühlheim an der Ruhr. Kunden können ihre Artikel während des Einkaufens mit ihrem Smartphone scannen und am Ausgang an Bezahlterminals zahlen.Los geht es bei Edeka Paschmann in der Filiale in Mülheim. "Ich will unseren Kunden eine großartige, neue, schnelle und komfortable Art des Einkaufens bieten. Sie ergänzt unser bereits existierendes, innovatives Ladenkonzept”, zitiert Snabble den Edeka-Kaufmann Falk Paschmann werbewirksam, der schon vergleichsweise früh Selbstbedienungskassen in seinen zehn Filialen installiert hatte.

Hornbach testet in Frankfurt
Doch von den Lebensmitteln zurück zur Do-it-yourself-Branche: Seit kurzem testet auch Hornbach in einer ersten Filiale in Frankfurt am Main mobiles Self-Scanning. Dazu hat der Baumarktbetreiber seine App für die Betriebssysteme Android und iOS um eine eigenentwickelte Self-Scan-Funktion erweitert.Kunden scannen beim Einkauf den Barcode des Artikels beim Gang durch die Regalreihen und zahlen anschließend an einer der vier Selbstbedienungskassen mit der Giro- oder Kreditkarte. Dazu erzeugt der Kunde am Ende des Einkaufs einen QR-Bezahlcode und erfasst diesen mit dem Handscanner am SB-Terminal. Im Vorfeld des Pilotprojekts hatte Hornbach nahezu alle Filialen in Deutschland mit jeweils vier stationären Selbstbedienungskassen ausgerüstet.
Neben dem Self-Scan hat der Baumarktbetreiber seine App auch mit dem so genannten "Artikel-Finder" ausgestattet, bei der eine Bild-Erkennungssoftware und Künstliche Intelligenz per Foto-Schnappschuss gleiche oder ähnliche Artikel im Hornbach-Sortiment aufspüren und das Identifizieren des gewünschten Produkts erleichtern sollen.

Die App soll ihm dann idealerweise mitteilen, wie die Schraube heißt, in welcher Menge sie im nächstgelegenen Markt vorrätig und in welchem Gang sie zu finden ist. Zudem soll der potenzielle Kunde die Schraube reservieren oder online bestellen können.
Saturn testet jetzt auch in Deutschland
"Nach dem großen Erfolg des Pilotprojekts von Saturn mit dem ersten kassenlosen Consumer-Electronics-Store Europas in Österreich testet das Unternehmen mobiles Zahlen nun auch in Deutschland", meldete der Elektronikfachhändler kürzlich. Soll heißen: Nach "Saturn Express" in Innsbruck folgt nun der Test "Saturn Smartpay" mit kassenlosem Check-out in München.
Interessantes Gimmick: Die Lösung des Münchner Start-ups Rapitag ermöglicht Kunden per App mobil zu bezahlen, die wiederverwendbare Diebstahlsicherung zu deaktivieren und dann direkt mit ihrem Produkt den Markt zu verlassen. Rapitag integriert dazu einen Beacon in die Warensicherung, die per Bluetooth-Funk mit dem Handy kommuniziert.

Walmart stellt mobiles Self-Scanning wieder ein
Während deutsche Händler so langsam auf den Self-Scanning-Geschmack kommen, stellt Walmart seine Smartphone-App "Mobile Express Scan & Go" schon wieder ein.Die Nachrichtenagentur Bloomberg meldet, dass die Nutzer den Prozess zu mühsam fanden, vor allem bei Produkten wie Obst und Gemüse, die zusätzlich abgewogen werden mussten.
Darüber hinaus hätten sich die in den USA typischerweise großen Warenkörbe nicht für den Do-it-Yourself-Service geeignet. Die Walmart-Tochter "Sam‘s Club" will demnach gleichwohl weiter an Scan & Go festhalten.
Walmart Check out with me
Für das Service-Land USA mag das gemeinsame Auschecken mit einem Mitarbeiter vielleicht ein gutes Prinzip sein. Und so wird einem plötzlich noch ein Grund klar, warum die deutschen Händler ausgerechnet den einsamen Do-it-yourself-Checkout vorantreiben: Man findet sowieso nie einen Mitarbeiter "auf der Fläche", der einem bei irgendetwas weiterhilft. Der deutsche Kunde ist also in der Servicewüste gewöhnt daran, beim Einkauf mutterseelenallein zu sein.