Die Umsatzsteuersenkung zum 1. Juli traf viele Händler unvorbereitet und kurzfristig. Wie sich Steueranpassungen dank Digitalisierung automatisiert umsetzen lassen und warum in vielen Unternehmen Silodenken den Durchblick bei steuerrelevanten Prozessen erschwert, erkärt Dr. Martin Kotula, Global Vice President der SAP SE, in einem Gastbeitrag.
Mussten sie doch zahlreiche Programme, Tabellen und Kalkulationen auf die neuen Steuersätze anpassen - und das innerhalb von wenig mehr als drei Wochen. Der Umfang wie auch die kurze Umstellungsfrist traf viele Unternehmen unvorbereitet. Die Klagen über eine fehlende Vorbereitungsphase, um Kassen und Softwareapplikationen umzustellen, wurden von Tag zu Tag lauter.
Jahr für Jahr millionenfache Steueranpassungen
So groß und berechtigt der Ärger vieler Unternehmen rund um die aktuelle, pandemiebedingte Umsatzsteuersenkung sein mag - klar ist auch: Diese aktuelle Anpassung ist mit Blick auf das globale Steuergeschehen nur eine von vielen und dazu eine vergleichsweise überschaubare Änderung. So wurden allein 2019 weltweit 3,4 Millionen relevante steuerliche Änderungen durchgeführt. Und es ist nicht zu erwarten, dass diese Dynamik nachlässt: In diesem Jahr wurden in 125 Ländern und Regionen mehr als 320 Steuersätze geändert, darunter auch in Deutschland. Und ab Januar 2021 stellt schon der Brexit all diejenigen Unternehmen vor zusätzliche regulatorische Herausforderungen, die mit Großbritannien Waren- und Dienstleistungsbeziehungen haben.Neben diesen zahlenmäßig wachsenden und inhaltlich verschärften rechtlichen Rahmenbedingungen stellen eine immer strengere Interpretation dieser Richtlinien durch die Finanzverwaltung sowie zunehmende Transparenz- und Dokumentationsanforderungen die Steuerfunktion von Unternehmen vor immer größere Herausforderungen.
Digitalisierung und Automatisierung sparen Zeit und Geld
Wie aber können sich Unternehmen auf die steigende Zahl inhaltlich immer komplexerer steuerlicher Änderungen einstellen? Wie die zunehmenden regulatorischen Anforderungen einerseits zuverlässig, andererseits aber auch effizient umsetzen?Nicht zuletzt der sich weiter verschärfende Fachkräftemangel zwingt Unternehmen, auch in diesem Feld agiler zu werden. Die aktuelle Covid-19-Krise verdeutlicht: Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, sollten Unternehmen:
- die Auswirkungen von Steuerfragen auf ihre gesamte Organisation beachten und bei ihrer Beantwortung Einkaufs-, Finanz-, Corporate-Tax- und IT-Verantwortliche mit einbeziehen,
- die Digitalisierung ihrer Prozesse in Steuerfragen vorantreiben und dabei verstärkt auf Automatisierung und Cloud-Applikationen setzen,
- neben interner Expertise auch die Unterstützung kompetenter Partner in Betracht ziehen.
Unternehmen können auf diesem Weg Steuerentscheidungen durch Auslagerung an eine integrierte Software-Lösung optimieren, Steuerfindung in Echtzeit betreiben und alle notwendigen Anpassungen zuverlässig und ohne zeitlichen Verzug steuerkonform abbilden.

Weg vom Silodenken
Wie aber kann so eine softwaregestützte Lösung steuerrelevanter Anpassungen aussehen und was muss sie leisten? Wichtige Voraussetzung für die optimale Wirkung einer solchen Lösung ist die Durchgängigkeit und eine ganzheitliche Betrachtung steuerrelevanter Prozesse über das gesamte Unternehmen hinweg.Viele Unternehmen aber sind noch immer in Silos aufgestellt, was den transparenten Blick auf steuerrelevante Prozesse und die Wirksamkeit automatisierter Lösungen erschwert. So ist häufig etwa die Einkaufsabteilung bei Steuerfragen kaum involviert - dabei wäre die Hebelwirkung einer frühzeitigen Einbindung groß. Schließlich verantwortet der Einkauf in der Regel die Lieferantenbeziehung und sollte ein Interesse an einem digitalen Prozess haben.
Werden die Steuerinformationen schon zeitnah im Voraus definiert und in Echtzeit aktualisiert, können Unternehmen direkt zum Zeitpunkt der Bestellung entsprechende Prognosen, Abgrenzungen und Rückstellungen, aber auch eine viel effizientere Rechnungsprüfung und -verbuchung vornehmen.
So lassen sich digitale Bestell- und Planungsinformationen, aber auch konforme, elektronische Rechnungen in Echtzeit austauschen. Und das System prüft unmittelbar, ob eine Eingangsrechnung korrekt ist. Das entlastet die Rechnungsprüfung, und das Unternehmen muss sich nicht mit falschen Steuerinformationen befassen, da das System den Lieferanten unmittelbar auf den Fehler aufmerksam macht. Zudem müssen Unternehmen diese fehlerhaften Rechnungen gar nicht erst vorerfassen oder gar buchen.
Immer den passenden Steuerschlüssel im Einsatz
Um von diesen Vorteilen zu profitieren, empfiehlt sich der Einsatz von Systemen, die bereits im Zuge der Bedarfsmeldung und der Bestellung spezielle Warengruppen selektieren. So lassen sich alle relevanten und aktuellen Parameter berücksichtigen und automatisiert und zuverlässig die richtigen Steuerschlüssel für die Steuerentscheidung finden.Auf Basis dieser Daten können Unternehmen Waren, Rohstoffe oder Dienstleistungen in jeder beliebigen Region einkaufen oder verkaufen - ohne dass Einkäufer oder Buchhalter eine Steuerentscheidung selbst treffen müssen. Dies beschleunigt nicht nur die Entscheidungsfindung, sondern reduziert auch die Wahrscheinlichkeit individueller Fehler. Cloudlösungen sind hier deutlich im Vorteil - sie können Innovationen remote ausliefern.
Mehr Effizienz durch Auslagerung
Vor allem für Unternehmen, die auf Eigenentwicklung gesetzt und viel Geld in proprietäre Lösungen investiert haben, wird es mit jeder gesetzlichen Änderung aufwändiger, diese umzusetzen. Für mehr Effizienz empfiehlt sich eine Standardisierung der Prozesse im Einklang mit der Software und die technische Auslagerung der Steuerentscheidung an eine integrierte Softwarelösung.Natürlich muss auch die Wirkung einer Partnersoftware im Einzelfall angepasst und ein unternehmensspezifisches Matching vorgenommen werden. In vielen Fällen sind aber standardisierte Lösungen möglich, beispielsweise zur Kategorisierung von Warengruppen.
Lieferketten und Vertrieb im Griff
Der Vorteil für Steuerabteilungen liegt auf der Hand: Sie müssen Gesetzesänderungen nicht mehr laufend manuell überwachen und einpflegen. Die korrekte Steuerauswahl erfolgt automatisch. Dies gilt nicht nur bei rechtlichen Neuerungen, sondern auch bei Änderungen der Lieferkette und der Lieferantenauswahl, beispielsweise bei Verschiebungen der Lieferketten und der beteiligten Partner von China nach Indien. Intelligente Systeme stellen sowohl die elektronische Rechnungsübermittlung als auch die automatische Steuervalidierung sicher. MEHR ZUM THEMA: