Seit im November 2020 als einer der ersten "Teo" von Tegut in Fulda eröffnete, ist eine Vielzahl
an unbemannten Ladenkonzepten und Verkaufsautomaten in Deutschland entstanden. Die Duale Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn dokumentiert seit 2021 die Entwicklung solcher "Smart-Store 24/7"-Projekte. In diesem Gastbeitrag gibt Studienleiter Prof. Dr. Stephan Rüschen einen Überblick über den Status quo und erklärt, warum hierzulande Smart Stores im ländlichen Raum weiter entwickelt sind als in den Innenstädten und warum Deutschland bei der anspruchsvollen Grab&Go-Technologie im europäischen Vergleich hinterherhinkt.
- Unbemannte Läden (kein Personal für den Einkaufsprozess notwendig)
- 24/7 (auch sonntags und nachts geöffnet)
- Kassenlos (Bezahlung über Karte oder Mobile Payment)
- Identifikation (Der Kunde muss sich vor dem Einkauf identifizieren)
- "Tiny" (die Läden haben kleine Verkaufsflächen von ca. 50 bis 200qm)
Es existieren mittlerweile 44 unterschiedliche Konzepte in Deutschland, die i. d. R. diese fünf Merkmale aufweisen (Ausnahmen bestätigen die Regel), und fast jede Woche kommt ein neues Konzept hinzu.

Zwei Gruppen mit insgesamt sieben Untergruppen
Die Stores können in zwei Gruppen (mit insgesamt sieben Untergruppen) klassifiziert werden:
1. "Walk-In"
Der Kunde betritt einen Verkaufsraum und kauft die Produkte aus Regalen.(1a) Walk-In (Grab & Go): Künstliche Intelligenz (Bilderkennung und Sensoren) erfassen den Einkauf. Der Kunde muss keine Tätigkeiten wie Selfscanning und/oder Bezahlung durchführen. In Deutschland existieren drei Tests von Rewe (in Köln), Netto (in München) und Shop.box (Bildungscampus Heilbronn). Die Technologie befindet sich in Deutschland noch in der Testphase. Lekkerland hat angekündigt, unter "Rewe To Go" 2022 ebenfalls einen Testmarkt zu starten.
(1b) Walk-In (Smartphone und/oder Kassen-Self-Check-out): Der Kunde muss am Ende des Einkaufs seine Produkte selbst scannen und eine Bezahlung auslösen. Tante M (19 Standorte) und Teo (zehn Standorte) befinden sich bereits im Roll-out-Modus und haben weitere Expansionspläne kommuniziert. Die Rewe startete mit Josefs Nahkauf Box einen ersten Test im März 2022 und könnte bei Erfolg diesen schnell über die selbstständigen Rewe-Einzelhändler ausrollen.
(1c) Walk-In (Hybrid): Die Stores haben z. T. normale "bemannte" Öffnungszeiten und werden nur außerhalb dieser Öffnungszeiten als Smart 24/7 betrieben. Bekanntester Anbieter ist Tante Enso (acht Stores, mit angekündigter weiterer Expansion) und Würth 24/7 (27 Stores) im Nonfood-Segment.
2. "Automated Boxes"
Der Kunde bestellt über einen Terminal und/oder eine App sein Produkt, das dann zu einem Ausgabefach automatisch kommissioniert wird, oder seine Entnahme aus einem Regalschrank wird über KI erkannt.(2a) Automated Box (Automatische Kommissionierung): Über eine Roboter-/ roboterähnliche Technologie und/oder aneinandergereihte Automaten werden die Produkte kommissioniert und an einem Ausgabefach bereitgestellt. Es existieren in Deutschland mehrere Einzeltests: Roberta Goods, collect.box, Combi 24/7, Edeka 24/7 in Renningen, VPS Roberta, TYPY, Latebird (in Kürze) und Lekkerland (in Kürze).
(2b) Automated Box (Grab & Go): Der Kunde entnimmt die Produkte aus einem Regalschrank/Kühlschrank. Sein Einkauf wird über die Grab&Go-Technologie (Bild- und/oder Gewichtserkennung) erfasst. Anbieter sind z. B. Foodies Micro Market, Convini, Oha.
(2c) Automatenshop: Mehrere einzelne herkömmliche Automaten werden zu einem größeren Sortiment zusammengefasst, z.B. Twenty 47 mit ca. 35 Automaten am Bahnhof in Freiburg.
(2d) Traditionelle Automaten: Beispielhaft wird der Regiomat genannt, der zum Vertrieb von Produkten für Direktvermarkter dient und bereits über 5.000 mal in Deutschland existiert.

Daher bestehen eine hohe Nachfrage und Unterstützung von ländlichen Gemeinden sowie teilweise sogar finanzielle Förderung von Ministerien, die für den ländlichen Raum verantwortlich sind. Ebenfalls sind die Vandalismus- und Diebstahlgefahren sowie die Betreibungskosten (v.a. Miete) niedriger einzuschätzen.
Bei Grab&Go sind andere Länder schon weiter
Im europäischen Ausland sind v.a. die technologisch anspruchsvollen Grab&Go-Konzepte weiter verbreitet als in Deutschland. Zappka in Polen betreibt bereits 38 Märkte, Boxy in Frankreich 23 Märkte und Amazon Fresh in UK 17 Märkte. UK (v.a London) ist dabei der Ort für zahlreiche Einzeltests von etablierten Händlern: Aldi Shop & Go, Morrisons, Tesco Get & Go, Sainsbury. Aber auch alle anderen Smart-Store-24/7-Arten lassen sich im Ausland beobachten.
In Deutschland ist mit einem schnellen Roll-out der Grab&Go-Technologie aus mehreren Gründen nicht zu rechnen: Die Kunden sind in Deutschland skeptischer bzgl. der Anwendung KI-gestützter Technologien ("Gläserner Kunde") und generell weniger technikaffin als die Kunden in England und Polen. Dies führt dazu, dass technische Innovationen für Kunden außerhalb von Deutschland häufig schneller umgesetzt werden.

9 Thesen zur weiteren Entwicklung von Smart Stores 24/7 in Deutschland
- Die Anzahl von Smart Stores 24/7 wird in den nächsten 12 bis 24 Monaten in ländlichen Gebieten sehr schnell wachsen. Es werden neben Tante Enso, Teo, Tante M, Emmas Tag und Nacht Markt noch weitere Anbieter starten. Es ist v.a. damit zu rechnen, dass eine relevante Anzahl an selbstständigen Rewe-Händlern (erster Test mit Josefs Nahkauf Box) und selbstständigen Edeka-Händlern eigene Smart Stores 24/7 eröffnen werden.
- Für ländliche Gebiete wird das Kassen-Self-check-out die dominierende Technologie sein.
- Automated Boxes (Automatische Kommissionierung) müssen erst noch ihre Marktfähigkeit und Wirtschaftlichkeit im LEH unter Beweis stellen. Die große Anzahl von Einzeltests wird darlegen, unter welchen Voraussetzungen sich das Modell bewähren kann.
- Die Beispiele aus Polen (Zappka) und Frankreich (Boxy) zeigen, dass die Grab&Go-Technologie für kleine Convenience-Stores marktfähig und skalierbar ist. Daher ist es denkbar, dass auch in Deutschland ein Anbieter in städtischen Hochfrequenzlagen solche Convenience-Läden in größerer Anzahl betreiben könnte. © MyensoHybridlösung: "Tante Enso" (hier die Filiale im unterfränkischen Wollbach) soll klassischer Tante-Emma-Laden, Dorftreffpunkt und digitaler 24/7-Supermarkt in einem sein. Die Läden sind durchschnittlich vier Stunden täglich mit Personal besetzt.
- Grab & Go könnte die dominierende Variante als alternative Scanning-Methode auch im großflächigen stationären Handel werden. Allerdings sind im Praxisbetrieb noch einige Hürden zu nehmen.
- Klassische Automaten erleben eine Renaissance. V.a. die Regiomaten von Direktvermarktern haben bereits eine sehr hohe Anzahl (>5.000) erreicht. Die Automatentechnologie erlaubt es mittlerweile, auch komplexere Food-Produkte (Pizza, frische Salate) abzubilden und somit frische Produkte auch automatenfähig zu machen.
- Neueinsteiger wie Tante M, Tante Enso, Emmas Tag und Nacht Markt benötigen einen etablierten Lieferanten/ Großhändler als Partner.
- Genehmigungsverfahren und effiziente Logistik stellen eine Herausforderung dar.
- In den nächsten 2 bis 3 Jahren ist damit zu rechnen, dass noch weitere Player auf den Markt kommen, dann ist aber mit einer Konsolidierung zu rechnen (inkl. einige Player und Konzepte verschwinden vom Markt). Auch in diesem Markt werden nur die langfristig profitablen Anbieter und Konzepte überleben.
Auf den Boom wird die Konsolidierung folgen
Smart Stores 24/7 sind eine boomende Nische, in der in den nächsten 2 bis 3 Jahren vermutlich noch weitere Konzepte und Tests entstehen werden.Rewe/Lekkerland haben ein umfangreiches Testszenario begonnen bzw. angekündigt. Es ist v.a. auch damit zu rechnen, dass die Edeka den bisherigen Test von Edeka 24/7 in Renningen (Automated Box) auf weitere Formen der Smart Stores 24/7 ausweiten wird.
Allerdings ist dann mit einer Konsolidierung (Rückgang der unterschiedlichen Anbieter und der Vielfalt an Konzepten) zu rechnen. Es bleibt spannend, wer sich mit welchem Konzept am Markt durchsetzen wird. Smart Stores 24/7 werden eine relevante Nische, aber sie werden eine Nische im LEH bleiben.