Jetzt könnten sich Onlinehändler eigentlich entspannt zurücklehnen: 87 Prozent der Kunden in Deutschland sind zufrieden mit dem Shopping im Netz; nur 4 Prozent beklagen sich. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Digital-Agentur Arithnea und des Marktforschungsinstituts Splendid Research. Doch trotz der hohen Zufriedenheit deckt die Studie noch viele Verbesserungspotenziale und Trends für die Zukunft auf.
Verbesserungsbedarf besteht vor allen Dingen beim Check-Out: Der Kunde hat gesucht, der Kunde hat gefunden – und trotzdem beendet er den digitalen Einkaufsbummel, ohne die im Warenkorb abgelegten Artikel auch zu kaufen.
Der häufigste Grund dafür,
das deckt die Studie auf, sind hohe Versandkosten (68 Prozent), gefolgt von unzureichenden Zahlungsarten (53 Prozent). Das gilt vor allem für die ältere Zielgruppe. „Die Käufer stört alles, was aufwendig ist und zu lange dauert – wie zum Beispiel ein Kundenkonto zu erstellen – oder was den Preis treibt“, fasst
Boris Bohn, Geschäftsführer bei Arithnea zusammen. Als wichtige Konsumkiller identifiziert die Untersuchung zudem "zwingende Kundenkontos" (37 Prozent) sowie schlechte Rückgabeprozesse (32 Prozent) und intransparente Produktinformationen (31 Prozent).
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Neukundenakquise
Wo Zielgruppen sich herumtreiben
Wo sind meine potenziellen Kunden? Die aus „Harry Potter“ bekannte Karte der Herumtreiber könnte darüber sehr leicht Auskunft geben. Das magische Dokument zeigt alle Bewegungsmuster der auf dem Schulgelände befindlichen Personen auf. Nach ähnlichem Prinzip arbeiten heute die Datenexperten, die Mobile-, Online- und Offlinedaten verknüpfen, um potenzielle Kunden für den Onlineshop genau auf dem Medium anzusprechen, über das sie gerade erreichbar sind. Mehr lesen
Dass unzureichende Inhalte dramatische Konsequenzen haben können, bestätigt auch eine Untersuchung von Episerver.
Für die Studie „Reimagining Commerce“ hat der Anbieter von Shoplösungen je 1.000 Verbraucher aus Deutschland, den USA, Großbritannien und Skandinavien zu ihrem Online-Shopping-Verhalten befragt. Falsche oder unvollständige Inhalte auf einer Marken-Website oder in der mobilen App haben demnach 98 Prozent der deutschen Online-Kunden schon einmal vom Kaufabschluss abgehalten.
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Müssen Kunden zu viel von sich preisgeben, ist dies für mehr als jeden dritten (39 Prozent), ein Grund abzubrechen, sagt die Arithnea-Studie. Dass den Käufern ihre Privatsphäre wichtig ist bestätigt Episerver gleichermaßen: Obwohl 88 Prozent der deutschen Online-Kunden sagen, dass sie im Vergleich zu 2018 diejenigen Marken und Händler stärker bevorzugen, die online personalisierte Erlebnisse bieten, gewähren 93 Prozent dennoch Unternehmen den Vortritt gewähren, die ihre Anonymität online respektieren.
Nach dem Kauf ist vor dem Kauf
Das Kundenerlebnis hört aber mit dem Kauf nicht auf, weiß Arithnea-Geschäftsführer Bohn. Denn, wenn die Ware nicht gefällt, wünschen sich Kunden vor allem eine einfache Möglichkeit zur Retoure (73 Prozent). Auch passende Gutscheine für den nächsten Einkauf sind bei der Hälfte der Befragten willkommen (48 Prozent). Alle anderen Follow-ups, etwa die Kontaktaufnahme via Chat, eine Aufforderung zur Bewertung oder personalisierte Werbung sind unerwünscht.
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Eine Alternative zum digitalen Nachfassen könnte ein postalisches Mailing sein. Denn im Gegensatz zu den oben beschriebenen Kontaktaufnahmen lehnen Konsumenten die Ansprache über Briefe nicht ab.
Das ist zumindest das Ergebnis der aktuellen CMC Dialogpost-Studie, die der Collaborative Marketing Club in Kooperation mit der Deutschen Post vor wenigen Wochen vorgelegt hat. Demnach lag die Conversion Rate für postalische Mailings bei den Onlineshops,
die an der Studie teilgenommen hatten bei 4,5 Prozent. Zum Vergleich: Bei E-Mail-Kampagnen liegt diese bei etwa 0,1 bis 0,2 Prozent. Zudem zeigt sich, dass die postalischen Werbemittel über mehrere Monate hinweg im Haushalt des Kunden bleiben. Die Folge: Die Print-Mailings erzeugen dadurch weitere Kontakte und lösen auch noch viele Wochen später bei den Empfängern Kaufimpulse aus.
Berühren heißt Haben-wollen
Olaf Hartmann, Gründer der auf haptische Markenkommunikation spezialisierten Agentur Touchmore,
erklärt das mit dem Besitztums- oder Endowmenteffekt. Die von Richard Thaler, Universität Chicago, formulierte These besagt: Wenn wir ein Produkt besitzen, ist es für uns wertvoller, als wenn wir es nur sehen. Das gilt schon für Produkte, die wir einfach nur in der Hand hatten: Die Kaufbereitschaft steigt. „Denn erst was wir mit eigenen Händen fühlen können, empfinden wir auch als 100 Prozent vertrauenswürdig“, beschreibt Olaf Hartmann das Phänomen; „Print ist einer der wenigen Werbekanäle, der alle Sinne bedienen kann.“
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Ein Großteil der Kunden, das sagen die eingangs beschriebenen Ergebnisse der Arithnea-Studie, sind zufrieden mit ihrem Shopping-Erlebnis. Doch die Ansprüche an das Kundenerlebnis werden steigen. Der digitale Handel erreicht im Jahr 2019 eine kritische Masse, prognostiziert Episerver. Die digitalen Gewohnheiten der Konsumenten beginnen sich zu stabilisieren. Laut der weltweiten Umfrage unter 4.500 Online-Kunden kaufen 26 Prozent der Befragten gegenwärtig mindestens einmal pro Woche online ein. Dieser Plateau-Effekt im digitalen Handel, so sehen es die Episerver-Experten, zwingt Unternehmen dazu, ihr Einkaufserlebnis stetig zu verbessern. Mit jedem weiteren Player, der zu dem ohnehin schon überfülltem digitalen Shopping-Ökosystem hinzukommt, werde es für Unternehmen schwerer, die Aufmerksamkeit der Konsumenten für sich zu gewinnen. Episervers Fazit: „Um zu überleben, müssen Marken und Händler dynamische, integrierte Content-Marketing- und Kundenerlebnis-Strategien implementieren, die persönliche, emotionale Beziehungen zu den Käufern über die Transaktion hinaus ermöglichen.“
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