Der erste Beauty-Store von Zalando gilt manch einem als Einstieg ins stationäre Geschäft. Doch dahinter stecken ganz andere Ziele. Und dafür müssen die Bedingungen der großen acht Markenhersteller erfüllt werden.

Der Kosmetikladen von Zalando ist gut zu erreichen, denn die nächste U-Bahn-Station liegt nur ein paar Schritte entfernt. Schön gestaltet ist der Laden auch. Doch die 160 Quadratmeter Verkaufsfläche sind bescheiden - und die Weinmeisterstraße zählt nicht gerade zu den hochfrequenten Lagen in Berlin. Immerhin sorgt die Nähe zu den Hackeschen Höfen und den vielen Touristen dort für Belebung.

Trotzdem hat Zalando vorige Woche das nächste Ausrufezeichen gesetzt, das erste, viel größere, war im Frühjahr, als der Online-Modehändler ins Kosmetikgeschäft eingestiegen war. Jetzt also die stationäre Präsenz in Berlin-Mitte, und alle Welt mutmaßt, ob das jetzt der Auftakt für eine Offensive in Parfümerieläden ist.

Die Regeln der großen Acht

Das wohl weniger. Das Lädchen in der Weinmeisterstraße ist eher die Notwendigkeit, um das Onlinegeschäft für feine Düfte und Cremes zu forcieren. Bisher hatte Zalando etwa 4.000 Produkte online. Das ist nicht genug, um den Markt aus den Angeln zu heben. Schon gar nicht, wenn man keine Premium-Produkte der acht großen Marken anbieten kann: L´Oréal, Coty, Estée Lauder, Chanel, Groupe Clarins, LVMH, Shiseido und Puig. 

Zalando weist aber darauf hin, L´Oréal-Produkte online zu vertreiben. Doch diese gehören zu der Massenmarkt-, sprich Drogerie-Division, auf die auch Drogeriemärkte Zugriff haben. Luxusprodukte des französischen Konzerns hingegen unterliegen den strengen Depotvertragsrichtlinien. Insgesamt hat L´Oréal vier Divisionen: Apotheke, Friseur, Drogerie und Parfümerie/Luxus.

Die Gruppe der acht großen Herteller wiederum steht für 80 Prozent des Umsatzes im europäischen Beauty-Markt.
Schöne neue Welt: Zalandos Beauty Station
© Zalando / Nils Krüger
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Doch wer von den großen Acht beliefert werden will, muss nach deren Regeln spielen. Es geht dabei um die berühmten Depotverträge, in denen die Hersteller den Händlern diktieren, was sie leisten müssen, um etwa einen Luxusduft verkaufen zu dürfen.

Chanel Nr. 5 neben Klopapier? Undenkbar!

Theoretisch darf ein Hersteller zwar keine Belieferung untersagen, das wäre ja eine Behinderung des Wettbewerbes und würde vom Bundeskartellamt nicht gerne gesehen. Also muss man anders vorgehen und Bedingungen stellen. Bis zu 60 Punkte umfasst dann so ein Anforderungskatalog für Händler - der erste ist immer: eine stationäre Präsenz muss sein, um online handeln zu dürfen. Und diese Präsenz muss hochwertig sein, das Produktumfeld muss stimmen, das Personal muss qualifiziert sein.

Undenkbar etwa, dass der feine Duft Chanel Nr. 5 in einer Drogerie-Filiale von dm-Drogeriemarkt oder Rossmann verkauft werden darf - neben Klopapier und Abflussreiniger.

Aber wenn ein Händler 59 Punkte erfüllt - der sechzigste ist mitunter nicht zu schaffen. Denn es geht auch darum, dass die Top-Marken nur liefern, wenn auch andere Marken in einem Geschäft vertreten sind. Man will also ein stimmiges Umfeld haben und nicht als einziges Luxusprodukt inmitten der zweiten Liga untergehen. Die Furcht vor einem Imageschaden ist gewaltig.

Abstimmungsgespräche beim Bier an der Bar

Doch ob etwa LVMH, Clarins oder Puig sagen, "ja, wir beliefern ebenfalls einen bestimmten Händler", das  soll zuweilem einem Abstimmungsprozess unterliegen, der informellen Charakter hat, gelinde gesagt. Dann beschließt man eben, gemeinsam zu liefern - oder eben nicht. Kartellrechtlich könnten solche Usancen mehr als bedenklich sein.

Wer sich allerdings bei Amazon umschaut, findet bei Marktplatzhändlern jede Menge feiner Düfte, obwohl diese und auch Amazon keine eigenen Parfümerien betreiben, um damit den Anforderungen der Hersteller gerecht zu werden. Doch wer seine Ware über den sogenannten Graumarkt bezieht, umgeht mühelos die Auflagen der Industrie - zum Ärger der Industrie. 

Zalando hat in seinem Berliner Laden Produkte von Estée Lauder - also aus dem Stand heraus eine Marke der Top Acht. Es geht unter anderem um die Make-up-Marke Mac, aber auch Klassiker wie Estée Lauder und Clinique. Dass Mac hier gehandelt wird, erstaunt. Denn nur wenige Meter weiter, in der Rosenthaler Straße, gibt es gleich einen eigenen Mac-Shop.

Wenn Estée Lauder kommt, kommen auch die anderen

Wenn nun Zalando mit Estee Lauder einig geworden ist, kann es nur bedeuten, dass die nächsten Großen folgen werden. Nicht sofort, noch ziert man sich etwas, aber vielleicht in einem halben Jahr ist Zalando auch mit L´Oréal im Geschäft. Und dann folgen auch in der Regel auch die anderen, schließlich will niemand Marktanteile verlieren. 
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 Die Branche dürfte mit bangem Blick diese Entwicklung beobachten. Denn wenn Zalando seine Modekompetenz mit dem Produkt Kosmetik ergänzt, ist das stimmig. Und weil das Unternehmen über einen sagenhaften Kundenstamm sowie die Onlinekompetenz verfügt, wächst hier ein neuer Kosmetik-Marktteilnehmer heran. Online, wohlgemerkt, Zalando wird kaum ein nennenswertes Filialnetz aufbauen wollen, um damit das große Geld zu verdienen.

Zalando muss noch Gefallen finden an diesem Markt

Aber: Zalando muss noch Gefallen finden an diesem speziellen Markt, zu dem es gehört, dass man auch einmal mit einem Hersteller auch mal zwei Jahre verhandeln muss, um einig zu werden. Sollte das der Fall sein, "dann könnte Zalando ein ernstzunehmender Beautyplayer werden", sagt etwa Mattias Mußler, Global Retail Director der tschechischen Onlineparfümerie Notino, die sich 2017 durch den Einstieg in Mußlers Stuttgarter Parfümerien ebenfalls die notwendige stationäre Präsenz gesichert hat, um für ihren Onlineshop an die Top-Marken zu kommen. In einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zusammen mit dem Institut für Handelsforschung setzen sich die Umsätze im deutschen Markt für die Schönheit wie folgt zusammen: Körperpflege (wie Duschgel und Seife) steht für 7,1 Milliarden Euro, Kosmetik (Lidschatten, Make up) erzielt rund 4,2 Milliarden Euro, mit Duft werden rund 1,6 Milliarden Euro umgesetzt.

Und bei Premium-Kosmetik und -Duft gehören mittlerweile 16 Prozent des Umsatzes dem Onlinehandel, L´Oréal hat prognostiziert, dass das Potenzial bei maximal 25 bis 28 Prozent liegt. Für Notino-Manager Mußler sind sogar 30 Prozent Anteil denkbar. Was er auch sagt: Der Markt wird sich verdichten. Amazon, Douglas (inklusive dem Onlinehändler Parfumdreams) Flaconi, Notino - und eben Zalando dominieren dann das Onlinegeschäft im Land.

Was 160 Quadratmeter in Berlin-Mitte für Auswirkungen haben können.

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