Je häufiger man mit Mitarbeitern großer Logistikkonzerne zusammentrifft, umso mehr erinnern sie einen an Manager, die so auch bei Blockbuster, Kodak oder anderen Unternehmen ihr Auskommen gefunden hätten. Blockbuster, Kodak – sie wurden von der digitalen Transformation hinweggeweht. Könnte das auch DHL, Hermes und Co passieren?
Kosten, Preise, ein bisschen mehr Flexibilität, mehr Paketstationen. Wenn die Logistiker nach den Lösungen für die gegenwärtigen Transportprobleme suchen, finden sie Lösungen gegen den Kollaps eher nahe am eigenen Geschäftsmodell und bei den althergebrachten bekannten Methoden.
Lösungen, die weiter weg liegen, werden als unpraktisch, Science Fiction, zu teuer oder unnötig („Will der Kunde nicht“) abgewiegelt.
Das erinnert ein wenig an jene Manager, die einst meinten, dass Schwarz einfach die bestimmende Farbe für tolle Technologie sei – und bleibe. Bis sich Apple gedacht habe: Warum nicht weiße Kopfhörer anbieten? Jetzt ist die Farbe Weiß Ausdruck des Technik-Lifestyle.
Schauen wir beispielsweise auf jene Tests, die den Kofferraum zu Paketstation machen. Zu beweglich, weil dann der Lieferant dem Pkw hinterherfährt, zu viele Probleme ans Fahrzeug zu gelangen, wenn das in einem Parkhaus steht. Da sind Gegenargumente aus einer Branche, die nicht vom fixen Lieferpunkt lassen möchte.

Es könnte Sie schockieren, aber die Zukunft der Logistik könnte auch eine Flotte autonomer Autos sein, die mit vollem Kofferraum durch die Nachbarschaft fahren und ebenso wie ihr vernetztes Heizungsthermostat genau wissen, wann Sie im Büro losfahren und dann zuhause ankommen.
Lieferungen mit autonomen Fahrzeugen werden dann vermutlich billiger sein als jede andere Option und weniger Parksünder in der zweiten Reihe bedeuten. Später, das glaubt beispielsweise Tesla-Gründer Elon Musk, sehen wir dann sogar ein Netzwerk autonomer Autobesitzer, die ihre Fahrzeuge an andere vermieten. Vielleicht auch an Paket-Versender.Oder an Amazon. Dort hat man schon längst die Geduld verloren, weil sich „DHL, Hermes & Co. zur Wachstumsbremse für den Online-Handel entwickeln“ und baut zunehmend darauf, mit Amazon Logistics die Pakete selbst auszuliefern. Um unabhängiger von Paketdiensten wie DHL, Hermes oder DPD zu sein, nimmt man auch in Kauf, dass es in der Infrastruktur, bei Prozessen und Zuverlässigkeit zuweilen noch quietscht.
Auch bei den Paketstationen rennt Amazon den etablierten Anbietern gerade davon und macht sich im Handel breit. Der Supermarkt-Blog beschreibt das gerade einmal mehr mit gewohnter Süffisanz. Man möchte noch ergänzen, dass man unter anderem 2016 lesen konnte, DHL plane Paketstationen an Bushaltestellen. Das war ja keine schlechte Idee. Wie viele haben Sie davon schon gesehen?


Der Onlineriese strampelt sich ja längst frei und kann zum schmerzhaften Wettbewerber werden. Noch dient Amazon Logistics nur dem Hausgebrauch. Aber ebenso wie bei den Cloud Services (AWS) werden diese Logistikdienste eher früher als später auch extern angeboten werden. Je monopolistischer Amazon im Onlinehandel auftreten kann, desto eher werden Marktplatz-Teilnehmer diese Serviceleistungen annehmen – weil sie müssen, weil es bequemer ist, weil es nicht mehr lohnt nach links und rechts zu schauen.
Marcel Weiß mahnte schon 2017 am Rande der K5: „Ein von den Fesseln der beschränkten Paketbegeisterung von DHL und Co befreites Amazon kann noch einmal ganz andere Dynamiken entfalten; mit den entsprechenden Implikationen. … Ein Amazon mit einer eigenen, vollständig abgebildeten, vollständig funktionsfähigen Logistikkette ist ein Amazon auf Speed.“
Mit Amazon Flex baut Amazon zudem längst schon sein eigenes Uber-Modell auf. Das Lieferkonzept macht private Fahrer zu Paketboten. Im eigenen Auto, gesteuert per App liefern Privatleute Amazon-Bestellungen vor allem aus dem Lager oder Laden anderer Händler. Derzeit rollt Flex in Berlin und München.
Zurück zum Paket im Kofferraum. Während die Logistiker eher die Probleme diskutieren und sich mit PR-Versuchen ein bisschen Modernität auf die Fahnen schreiben, wird Amazon Key In-Car, das Prime-Kunden in den USA ihre bestellten Waren in ihre Autos liefert, gleich in 37 US-Städten gestartet. Obwohl gegenwärtig natürlich nur eine begrenzte Zahl vernetzter Autos in den Genuss des Services kommen kann.
Amazon Key In-Car – First Customers
Der Anfang ist jedenfalls gemacht. Und natürlich hat Amazon auch Pläne für selbstfahrende Autos in der Schublade.