Mobile Kassen, Platz für die Online-Bestellabwicklung, Selbstbedienungs-Terminals, mehr Technologie an jeder Regalecke. Der Einkaufsraum verändert sich langsam, aber sicher und öffnet sich damit für andere Nutzungen und Erfahrungswelten. Ein Element spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Bestimmte einst die Offline-Welt die Einkaufslandschaft im Internet, erwarten die Verbraucher von heute, dass ihre Transaktionen im Geschäft genauso reibungslos ablaufen wie ihre Online-Transaktionen. Die Folge: Biometrie oder vernetzte Apps lassen Prozesse und Einkaufswege schrumpfen - oder eliminieren diese sogar. Das gilt vor allem für den Ort des Schmerzes beim Einkauf: Die Kasse. Gerade hier geht es um Bequemlichkeit. Am besten also weg damit, weg mit der Kasse.
Beispiel Decathlon: Der französische Sportartikelhändler schafft in allen Filialen in den Niederlanden sukzessive Kassen ab. Per RFID und der App "Scan&Go" können Kunden ohne Kasse zunächst in den Flagship-Stores in Rotterdam, Alexandrium und Eindhoven zahlen. Danach erfolgt der nationale Roll-out.

Noch mehr Automatismus erproben die Schweizer Kioskbetreiber Valora und die Migros. Valora testete im Frühjahr am Hauptbahnhof Zürich mit der Avec Box einen automatischen Mini-Convenience-Store, will das Modell ausbauen.

Migros-Tochter Migrolino will nachziehen und plant Winz-Läden, die tagsüber mit Personal besetzt sind und nachts zu einer Selbstbedienungsstation werden, die man nur mithilfe der Migrolino-App betreten kann.

Die Shopping-Box von Valora

Für die Umsetzung muss man nicht nach Tech-Riesen suchen. Start-Ups wie Standard Cognition und AiFi  bieten Techniken für kassenloses Bezahlen an und arbeiten mit Künstlicher Intelligenz, Sensoren und Kameras.

Beispiel Tesco: Die britische Supermarktkette arbeitet offenbar an einer eigenen Amazon-Go-Variante. Laut The Telegraph arbeitet die Kette mit dem israelischen Start-up Trigo Vision zusammen, um eine mit Künstlicher Intelligenz betriebene Serie von Kameras zu entwickeln, die in automatisierten und kassenlosen Märkten gucken und rechnen, was der Kunde so in den Einkaufswagen packt. Trigo Vision arbeitet bereits an einem ähnlichen Projekt mit Israels führender Supermarktkette Shufersal, die ihre Technologie in den kommenden Monaten in 272 Filialen des Landes einsetzen will.

Begehbare Verkaufsautomaten, das war auch bei Amazon Go nicht anders, fallen aber zunächst noch mit einigen Kinderkrankheiten auf. Fatal. Um hilfreich zu sein, sollte die Technologie für den Kunden von Beginn so bequem nutzbar sein, dass er sie gar nicht mehr bemerkt.
Digitale Technologie muss nämlich nicht nur Bequemlichkeit bieten, sondern auch bequem sein. Dann akzeptiert sie auch der Kunde. So das Ergebnis der mehr als ergiebigen Studie "Handel mit der Zukunft" von ECC Köln und Otto Group.

Bequemlichkeit entscheidet über die Nutzung

Die sieht eine intensivere Nutzung derzeit vor allem bei Diensten wie Liefer-Tracking (85% der Befragten), Bildsuche (26%) und SB-Kassen (40%). Im Kern werden, so die Studie, Convenience-Dienste häufiger genutzt als Inspirationsangebote. Einige hochgejazzten Tech-Trends kennt der Kunde zudem kaum.

So zahlen gerade einmal 16% der Befragten zumindest manchmal mit dem Smartphone. Nur 10% nutzen Abo-Bestellungen und 8% haben Voice Commerce ausprobiert. Einen Live-Chat für Servicefragen haben immerhin schon 14% eingesetzt. Virtual Reality/Augmented Reality bringt es gerade einmal auf 4%. Außerdem will der Kunde nicht nassforsch ausgehorcht werden, wenn das mit der digitalen Beziehung klappen soll.
© ECC
Die Studie zeigt aber auch eine klare Diskrepanz beim Einsatz zwischen innovationsaffinen Menschen und Nachzüglern. Logisch. Das aber lässt den Schluss zu, dass mit besserem Zugang, zunehmender Offenheit und Kompetenz der Konsumenten deutlich öfter Technologien und technologiebasierte Dienste genutzt werden, meinen die Studienautoren.

Also lohnt doch schon mal ein Blick auf die "Black Mirror"-Welt in China, um zu sehen, was da noch auf uns zukommt. Weil Bequemlichkeit nämlich immer wieder Datenschutzbedenken aussticht.  

Beispiel Hema: An ausgewählten Standorten der niederländischen Kaufhauskette Hema beziehungsweise mittlerweile Freshippo, gibt es kassenlose Supermärkte von Alibaba. Dort können Käufer an speziellen Face-Scanning-Kiosken per Gesichtserkennung bezahlen. Käufer haben auch die Möglichkeit, über die Hema-App auszuchecken, die mit Alipay, der mobilen Zahlungsplattform von Alibaba, verbunden ist.

Die App protokolliert auch ihre Einkäufe, speichert ihre Lieferadresse und Präferenzen und ermöglicht es ihnen, Artikel zu scannen, um mehr Informationen zu erhalten, einschließlich Produktherkunft, Nährwertangaben und Kochanleitungen. Auch Rivale JD experimentiert mit automatisierten Läden, dampft die Projekte aber nach Meinung von Marktbeobachtern wieder stark ein.

Buying Food with Facial Recognition in China

Bei solchen Projekten geht es natürlich nicht nur um Bequemlichkeit für den Kunden, sondern um Daten als Hebel für weiteres Wachstum. Daten, die dann auch den Herstellern bei der Planung von Lagerkapazitäten helfen.

Dafür muss man natürlich teilen wollen. Und das möglichst einfach und bequem. Das können auch deutsche Händler.

Die Modekette Adler packt ihre Daten in die Cloud, damit auch die Lieferanten einen schnellen Zugriff haben. Beim Data-Sharing kooperiert Adler unter anderem mit dem Start-up Aifora. Bessere Planung macht es am Ende ja auch wieder dem Kunden bequemer. Ohne das der davon etwas merkt.

Denn genau um Bequemlichkeit, nicht um einen Bling-Bling-Zirkus, geht es bei der Customer Experience wirklich: Es geht eben nicht nur darum, mithilfe von Technologie das Einkaufserlebnis zu verbessern und bequemer zu machen. Es geht darum, alle Kunden gleichermaßen an allen Touchpoints gleichermaßen glücklich zu machen. Und da wird es - übrigens - auch noch ganz lange Kunden geben, die auf die eine oder andere Art und aus unterschiedlichen Gründen nach einem Mitarbeiter rufen. Auch das ist nämlich eine Frage der Bequemlichkeit: Das Angebot, ansprechbar zu sein.

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