Eine Community fürs Marketing, mit Journalismus im Clinch mit Herstellern. Galaxus geht im Onlinehandel andere Wege. Der deutsche Ableger des Schweizer Marktführers fühlt sich mit diesem Konzept bestätigt, das ein Gegenentwurf zu Amazon ist. Galaxus verdient zudem in der Coronakrise prächtig, ist trotzdem noch ein kleiner Händler, der aber mutige Ziele hat.
Vor ein paar Tagen musste Frank Hasselmann sich die Augen reiben. Was sind das für Zahlen fürs erste Quartal, die der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) für den deutschen Onlinehandel mitteilte, fragte sich auch der Geschäftsführer von Galaxus Deutschland. Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren die März-Umsätze demnach um fast 20 Prozent abgesackt, hieß es. Und beim Blick auf die einzelnen Sortimente muss Hasselmann besonders gestutzt haben: Bei Unterhaltungselektronik bilanzierte der BEVH ein Minus von 20,9 Prozent, Computer und Zubehör sackten trotz der gestiegen Ausgaben für Homeoffice-Lösungen um 22,7 Prozent ab.
Das Galaxus-Modell: Qualität, aber günstig
Bei Galaxus hingegen sind die zurückliegenden Wochen "vergleichbar mit dem Niveau im Weihnachtsgeschäft", sagt Hasselmann. Das Geschäft brummt, will er damit sagen. Gerade im März, in dem der Umsatz fast dreimal so hoch war wie im selben Monat des Vorjahres. "Wir haben derzeit ein sehr großes Wachstum." Gerade Zubehör für Homeoffice-Lösungen (wie Webcams) wurde bestellt wie nie zuvor, Hasselmann spricht von einer Verzehnfachung des vorherigen Bestellaufkommens in einigen Produktkategorien. Auch Spielwaren trieben die Umsätze.
Der leise Markteintritt
Wer von Hasselmann allerdings wissen will, was diese Umsatzsprünge genau bedeuten, wird enttäuscht, Zahlen werden fast nicht verraten. Nur, dass die Monatsumsätze schon Anfang 2019, also wenige Monate nach dem Start von Galaxus.de im November 2018, bei über 1 Million Euro gelegen hätten. Er sagt immerhin, dass man noch nicht auf dem Niveau ist, wo Galaxus herkommt und sogar noch vor Amazon die Nummer eins ist: der Schweiz. Digitec Galaxus heißt es dort, und der Doppelname steht für zwei Shops: Digitec ist der eidgenössische Marktführer für IT und Unterhaltungstechnik, Galaxus das größte Onlinekaufhaus im Land, steht mittlerweile für rund 1,2 Milliarden Franken Jahresumsatz (1,14 Millionen Euro) und gehört zu 70% schweizerischen Migros-Gruppe.
Als Galaxus nach Deutschland zog, war es ein Markteintritt der ungewöhnlich leisen Sorte, ohne Marketingfeuerwerk, ohne Werbegewitter. Normalerweise funktioniert es andersherum. Und dann darf man schon einmal fragen, ob das System Galaxus in Deutschland funktioniert. Ja, sagt Frank Hasselmann. "Seit Markteintritt haben bei uns rund 130.000 Kunden bestellt." So eine Zwischenbilanz disruptiv zu nennen, wäre allerdings übertrieben. "Aber wir sind zufrieden."
Große Ziele
Bemerkenswert ist dieser Status Quo, wenn man ihn ins Verhältnis zu den Zielen für den deutschen Galaxus-Ableger setzt. "Wir wollen zu den Top 5 in Deutschland gehören", sagt Hasselmann. Amazon, Ebay, Zalando, Otto - und dann Galaxus, heißt demnach diese Vision, die umso mutiger klingt, wenn man sich anschaut, wo Galaxus beim Umsatz heute in Deutschland steht: nicht einmal unter den besten zehn.
Mit unabhängigem Journalismus die Hersteller ärgern
Gesteuert wird Galaxus Deutschland von Hamburg aus - das überschaubare Team hat 20 Mitarbeiter. 16 Kräfte wiederum arbeiten im Logistikzentrum in Krefeld in Nordrhein-Westfalen, das auch der stärkste deutsche Markt für Galaxus ist. Folglich soll in Krefeld auch in den nächsten drei Monaten das deutsche Kundencenter entstehen, bisher werden entsprechende Anfragen am Hauptsitz in Zürich beantwortet.
Und gerade das Thema Kundenbetreuung ist der entscheidende Unterschied zu allen anderen Onlineshops. Wer die Seite aufruft, wird deswegen erst einmal verwirrt. Denn es gibt hier kein kunterbuntes Produktfestival, sondern auf den ersten Blick fühlt man sich zu Besuch bei einem Technikinformationsportal. Galaxus leistet sich eine eigene Redaktion, die Fachbeiträge zu Produkten schreibt und dabei zuweilen nicht zimperlich mit Herstellern umgeht. "Die Kollegen können schreiben, was sie wollen", sagt Hasselmann. Galaxus leistet sich unabhängigen Journalismus als Kundendienst. Der Schweizer Unternehmensgründer Florian Teuteberg sprach in einem "Welt"-Interview davon, "dass wir chinesische Mauern haben zwischen Redaktion und Einkaufsabteilung".
Sein eigener Influencer sein
Den gelegentlichen Stress mit Herstellern muss man dann aushalten können, "teilweise wird unser Konzept nicht verstanden", sagt Deutschlandchef Hasselmann. Das Konzept ist: Galaxus will sein eigener Influencer sein. Andere Unternehmen geben viel Geld aus für entsprechende Internetstars, die dann beliebige Produkte bewerben - die Schweizer sparen sich das und werben möglichst transparent. Das ist eine mutige Vorgehensweise, "und ich kenne wenig Anbieter, die das in ähnlicher Form machen", betont Hasselmann. Ein elementarer Bestandteil im Galaxus-System ist die Community, die mit der in der Schweiz verknüpft ist und quasi die Marketingabteilung des Händlers ist. Wer sich für ein Technikprodukt interessiert, kann sich von der Gemeinde beraten lassen, damit ist Galaxus in der Schweiz gewachsen - die Artikel wurden über die Community einfach per Googlesuche gefunden. "Das hilft uns, organisch Kunden zu gewinnen", hatte es Teuteberg erklärt. Zum Kundengewinnungsprogramm setzt man zudem auf Google Shopping, Kooperationen mit Partnerseiten, Affiliate-Marketing sowie Präsenz in den sozialen Netzwerken.
Qualitätskaufhaus im Internet
Das Konzept Galaxus ist der Versuch, ein Gegenentwurf zur Verkaufsmaschine Amazon zu sein. Alles andere würde wahrscheinlich sowieso nicht funktionieren. Die Schweizer wollen auch in Deutschland ein Qualitätskaufhaus im Internet sein, ganz, wie es dem eidgenössichen Einkaufsverhalten entspricht. "Dem Schweizer ist ein gutes Produkt wichtiger als dessen Preis", beschreibt es Hasselmann.
Einkaufswelt für die Männer
Wer denkt, dass so ein ausgeruhtes System eher ältere Kunden anspricht, irrt. "Das Gros unserer Kunden ist zwischen 25 und 35 Jahre alt", klärt Hasselmann auf. Zwei Drittel der Konsumenten ist männlich. Und offensichtlich profitieren alle von dem Beratungssystem hier, denn die Retourenquote bei Galaxus Deutschland liegt deutlich unter 10%. Vielleicht auch deswegen, weil die Kunden über den ökologischen Fußabdruck des jeweiligen Produktes informiert werden. Geplant ist zudem, dass die Konsumenten ihre Produkte CO2-neutralisieren können. Mit einem freiwilligen Aufpreis wird der jeweilige CO2-Verbrauch kompensiert. Außerdem hat Galaxus Verpackungsmaschinen angeschafft, die ohne Plastik auskommt. Die Menge der Verpackung konnte dadurch erheblich reduziert werden.
"Wir wollen nicht einfach E-Commerce, sondern E-Commerce mit einem besonderen Anspruch betreiben, mit mehr Ehrlichkeit und einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit", hat Frank Hasselmann einmal gesagt. Mit so einem Anspruch wächst man vielleicht etwas langsamer als die Konkurrenz.
Aber man wächst.
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