Die Leiterin der hessischen Film- und Medienakademie Anja Henningsmeyer spricht mit etailment über männliche und weibliche Kommunikation, gewinnbringende Verhandlungsvorbereitung und Gesprächsfallen, in die Frauen immer wieder tappen.
Wieso ist ein Buch über erfolgreiches Verhandeln speziell für Frauen auch heute noch notwendig?
Es herrschen leider immer noch gesellschaftliche Stereotypen, in denen Frauen nicht das zugestanden wird, was bei Männern akzeptiert wird, beispielsweise nachdrückliches Fordern. Es gibt Forscherinnen, wie die US-Wirtschaftsprofessorin Linda Babcock, die mit Studien beweisen, dass Frauen Verhandlungen eher meiden, wenn der Gesprächspartner männlich ist. Sie nehmen weniger Situationen überhaupt als verhandelbar wahr und trauen sich oft nicht, hohe Forderungen zu stellen.
Warum?
Weil sie oft Angst haben, sich die Beziehung mit dem Verhandlungspartner zu verderben, aber das ist ein Irrtum. Eine Frau sollte nicht der Vorstellung aufsitzen, dass ihr Chef sie mögen muss. Er muss sie respektieren, das ist etwas anderes.

Wie bereitet man sich grundsätzlich auf eine Verhandlung vor?
Ob Mann oder Frau: Man legt grundsätzlich vor einer Verhandlung erst einmal sein Minimum und sein Maximum, sein Wunschziel fest. Das Minimum ist der so genannte Walk-away-Punkt, bei dem man tatsächlich auch eine Verhandlung abbricht oder zumindest vertagt.
Wichtig ist, vorher sein Ziel für sich selbst klar zu formulieren, denn sonst fängt man in der Verhandlung an, mit sich selbst zu verhandeln, und das ist der Anfang vom Ende. Zudem geht man nicht nur mit einer Forderung in eine Verhandlung, sondern mit einem ganzen Bündel.
Worauf sollten Frauen bei Verhandlungen besonders achten?
Sie sollten die Stereotypenfallen kennen. Frauen bekommen zum Beispiel weniger soziale Kompetenz zugeschrieben, wenn sie hart verhandeln. Damit müssen sie umgehen können und den expliziten Hinweis auf soziale Kompetenzen deutlich in ihre Argumentation einbauen, beispielsweise den Fürsorge-Aspekt. Außerdem sollten sie darauf achten, nicht zu viel zu reden, denn eine Verhandlung ist keine Diskussionsveranstaltung.
"Durch Fragen stellen gewinnen Sie Zeit "
Also ist Schweigen tatsächlich Gold?
Ja, es hilft schon in vielen Situationen, einfach mal nichts zu sagen und den Gesprächspartner mit neutralem, festem Blick anzuschauen. So gewinnt man auch Zeit, wenn man sie braucht. Auch durch Fragen gewinnen sie Zeit und bekommen Informationen aus ihrem Verhandlungspartner heraus: Was ist seine Motivation, was sind seine Ziele, was ist ihm wichtig? Das ist oft nicht das, was ich vermute. Deshalb bekomme ich durch Fragen mehr Ansatzpunkte für meine Verhandlungshebel.
Welche Rolle dürfen Emotionen in einer Verhandlung spielen?
Hoffentlich so wenig wie möglich. Verhandlungen führt man möglichst mit dem 'Denkhirn' und nicht mit unserem 'Autopiloten', der uns emotional reagieren lässt. Emotionen sollten auf keinen Fall handlungsleitend sein – sie bringen unsere Strategie aus dem Gleichgewicht.
Negative Emotionen erzeugen Stress, bei positiven Emotionen fühlen wir uns geschmeichelt und sagen vielleicht zu schnell "Ja" zu etwas, was wir hinterher bereuen. Fortgeschrittene Verhandlerinnen können Emotionen auch mal bewusst einsetzen. Das dann aber nur dosiert und immer kontrolliert.
