Mit Kochboxen waren einst viele Hoffnungen für den Online-Verkauf von Lebensmitteln verbunden. Doch das Geschäft bleibt schwierig und teuer. Die Anbieter suchen daher online und offline nach Wegen aus der Nische.
Mit Kochzauber sterben Hoffnungen: Sieben Unternehmen starteten um 2010 in Deutschland, sie packten und verkauften nach dem Vorbild des schwedischen Middagsfrid Lebensmittelpakete nach Rezepten. Besonders Familien bestellten und ließen sich mit Lebensmitteln noch eine Idee fürs gemeinsame Essen liefern.
Schnelle Erfolge von Kommtessen, Kochabo, Schlemmertüte oder HelloFresh ermutigten. Wie Lidl räumten bald sogar Edeka und Rewe ebenfalls Kochboxen oder -Tüten in die Regale. Die Hoffnung wuchs, die digitale Variante der Kochkiste könnte ein Wegbereiter für den E-Commerce mit Lebensmitteln sein, Verbraucher an den Online-Kauf verderblicher Ware und Händler an Digitaltechnik und Online-Angebote gewöhnen.
Acht Jahre und einige Pleiten später reift die Einsicht: Kochboxen bleiben eine Nische und sind ein heikles Geschäft, das eigene Strukturen und Kompetenzen braucht und sich nicht aus Supermärkten heraus betreiben lässt. Längst sind die Rezept-Kartons aus den Märkten verschwunden, und von einst sieben Anbietern blieben im Kern drei Player:
Kochhaus, der älteste Rezept-Boxen-Anbieter, verkauft seine Kisten online und in neun Filialen;
HelloFresh vertreibt seine Kisten in elf Ländern und nur online; das jüngste Unternehmen,
Marley Spoon, ist in sechs Ländern unterwegs und setzt ebenfalls nur aufs Internet.
Was alle eint: Obwohl länger als drei Jahre am Markt, arbeitet keines der Unternehmen profitabel.
Eigene Mengen, exklusive Verpackung
„Das Geschäft mit Kochboxen ist komplex“, gibt Nils Herrmann, COO von HelloFresh, zu. „Es besteht nicht nur aus wöchentlich wechselnden Menüs mit 14 unterschiedlichen Gerichten, sondern aus mehreren Varianten, die wir je nach Bestellmengen tagesaktuell zusammenstellen.“Auch bei Kochhaus und Marley Spoon können Verbraucher zwischen Suppen und Salaten, Fleisch- oder Nudelgerichten und diversen Zutaten switchen, für zwei oder vier Personen bestellen und noch am Vortag der Auslieferung Details ihrer Order ändern. Das lässt sich nicht mit Supermarkt-Gebinden und üblichen Handelsmengen organisieren.
Die Anbieter kooperieren daher mit Herstellern, die Mengen von Nudeln, Gewürzen, Fleisch und Gemüse exakt auf die Rezepte abstimmen und eigens verpacken. Der Versand von Frischem fordert eine Kühlkette und damit Logistik und Organisation zusätzlich heraus. Fürs Marketing werden Daten wichtig, damit Technik und eine gut gefüllte Kasse.
Kistenverkauf braucht Kapital und Synergie
Zumindest bei HelloFresh ist und war Geld kein Problem: Das Unternehmen verfügt über mehr als 250 Millionen Euro an Rücklagen aus Finanzierungen und war schon zum Start 2011 im Berliner Company Builder Rocket Internet mit rund 300 Millionen Euro Risikokapital ausgestattet.Damit konnte das Start-ups sofort internationalisieren, 2017 ging es an die Börse und wächst bis heute auch durch Zukäufe. Zuletzt übernahmen die Berliner Green Chef in den USA und Chef’s Plate in Kanada. Nach eigenen Angaben lieferte das Unternehmen im vergangenen Jahr rund 198 Millionen Mahlzeiten aus, mehr als zwei Millionen Kunden bestellen in elf Ländern regelmäßig.

Geld verbrennt auch Marley Spoon, das 2014 startete und durch die Übernahme von Kochabo wuchs: 2018 sogar zwei Millionen mehr als ursprünglich geplant - so wuchs der Verlust bei rund 90 Millionen Euro Umsatz auf 36 Millionen Euro.
Das Unternehmen, das 40 Prozent seiner Erlöse in Australien erwirtschaftet und dort an der Börse notiert, stellt zwar erste Gewinne für 2020 in Aussicht, doch die Skepsis bleibt. Wie Hellofresh ist Marley Spoon auf schnelles Wachstum ausgelegt und sollte daher mit weiteren Übernahmen planen.
Ein Ladenkonzept für Kochboxen
Dagegen backt Kochhaus kleinere Brötchen, setzt auf Vernetzung und Premium: Das Unternehmen startete 2008 mit einem Laden in Berlin, ist nach ersten Schließungen in Regensburg und Hamburg jetzt mit neun Filialen in fünf Städten Deutschlands präsent und bietet anspruchsvolle Kulinarik wie Quinoa-Salat, Ente à l’Abricot oder Süßkartoffel-Kumpir.Kochhaus & Fissler
Kochboxen alleine reichen nicht
Neben den roten Zahlen haben die Konkurrenten noch etwas gemeinsam: Allein auf die Kochboxen will sich keiner mehr verlassen. Noch ein Detail, warum Lidl mit dem Kochzauber wohl überfordert war. In den Läden und im Online-Shop von Kochhaus stehen Küchenutensilien, Bücher, Geschenke, Kochkurse, Snacks, Weine und diverse andere Lebensmittel zum Verkauf.Für schnelleres Wachstum setzt Marley Spoon nicht nur auf hohe Rabatte, sondern schickt mit Dinnerly jetzt einen neuen Ableger ins Rennen, der einfachere und günstigere Speisen bietet. Vorerst nur in den USA, weil in den angelsächsischen Märkten Familien und Esser bekanntermaßen aufgeschlossener gegenüber dem Boxenverkauf und dem Online-Kauf von Lebensmitteln sind.