Parallel zum wachsenden Onlinehandel wächst auch die Logistikbranche. Doch für die platzverschlingenden modernen Verteilzentren wird der Platz knapp. Zwar rücken die Onlinehändler mit ihrer Logistik immer mehr an die Städte heran und in die City hinein, doch auch hier werden die Lücken kleiner. Da sind neue Lösungen gefragt. Auch unkonventionelle.
Um was es heute geht, beschreiben ein paar Zahlen: 116 Tore, an denen Lastwagen andocken können. Und: 220.000. So viele Pakete maximal sollen täglich im neuen Hermes-Logistikzentrum in Bad Rappenau umgeschlagen werden. Höchstens fünf Minuten beträgt dabei etwa die Zeit zwischen An- und Auslieferung.
Die Logistik-Tochter von Otto hat im April dieses neue Zentrum nahe Heilbronn eröffnet, 44 Millionen Euro wurden darin investiert, Ende September wird der nächste Logistikstandort in eröffnet – diesmal 10.500 Quadratmeter in Mainz.
800.000 Taschen bei Klingel
Und es geht weiter: Im Mai eröffnete der Klingel-Versand in Pforzheim sein "Bagstore" genanntes Logistikzentrum, in dem die Waren in 800.000 hängenden Taschen über ein 70 Kilometer langes Schienennetz transportiert wird. Selbstverständlich klotzt auch der Onlinhandels-Gigant hier mit und plant in Achim bei Bremen das 14. Logistikzentrum des Unternehmens.

Kein Wunder, solche "Big Boxes" genannten Zentren benötigen enorm viel Platz, allein das Gebäude des Hermes-Zentrum in Bad Rappenau ist so groß wie ein Fußballfeld – dazu kommen noch Parkplätze und Zufahrtsstraße. Nicht jeder Bürgermeister will sich damit die Landschaft seiner Gemarkung zubauen lassen.
Alles schneller, mehr - auch in kleinen Mengen
Zu dem knappen Platz kommen noch die spezifischen Anforderungen einer solchen Anlage. Noch vor fünf Jahren ging es im Onlinehandel vergleichsweise gemächlich zu. "Heute sind die verschickten Mengen viel größer, das Tempo ist höher", sagt Markus Nave, der als Logistikberater das Fraunhofer-Institut, Handels-Unternehmen wie Rewe und Vedes, und aus der Industrie BMW und Siemens berät. Zudem kommt, dass das Sortiment immer breiter ist und auch Kleinstmengen verschickt werden.
"Dazu brauchen sie mehrstufige Logistikkonzepte mit unterschiedlichen Gebäudetypen. Wir unterscheiden hier zwischen Fulfilment-Center, Sortierzentren, Verteilzentralen an den Stadträndern, sogenannte Urban Distribution Center, Zustellstationen in den Städten, also Letzte-Meile-Immobilien und Rückgabezentren in der Stadt", sagt Corynen, der mit Goodman unter anderem Zentren für Amazon und Zalando entwickelt hat.
Roboter sind gut, lohnen aber noch nicht überall...
Schnelligkeit ist das Eine, doch die erheblichen Schwankungen der Auslastungen sind etwas Anderes – zumindest im Endkundengeschäft. Das ist der große Unterschied zu einem Lager, von dem aus die Filialen eines Unternehmens beliefert werden. Hier gibt es quasi ein Grundrauschen, einen Dauerbetrieb, weswegen der Einsatz von Robotern Sinn ergibt. So macht es etwa die Schweizer Coop mit ihrem automatisierten Lager bei Schafisheim.

...und können noch nicht alles
Zudem können Roboter schon viel, aber nicht alles – und das ist das Ersetzen der menschlichen Hand. Die sind aber notwenig, um Kleinteile oder weiche Gegenstände wie Pullover zu greifen. Also braucht die Logistikbranche die Mitarbeiter, eben als "Picker", als die Menschen, die die Ware aus den Regalen in die Transportboxen packen, die dann wieder über die Förderbänder in die Lkw transportiert werden.
An diesem Prozess wird sich grundsätzlich nicht viel ändern, außer, dass heute alles schneller geht. Und morgen noch schneller.
Hermes-Paket auf Reisen - Sortierung
Der Roboter kann nur auf glatten Böden rollen
Doch ein Logistikzentrum mit Robotern muss anders geplant und gebaut werden, als ein "herkömmliches". Damit die Roboter im Betrieb auf den geplanten Spuren fahren, werden zudem besondere Anforderungen an den Boden und die Ausführung der Fugen gestellt. Böden müssen zum Beispiel besonders glatt sein.

Mehr Plastik heißt: strengerer Brandschutz
Das Thema Sicherheit betrifft auch den Brandschutz, der von den Behörden immer mehr verschärft wird. Einer der Gründe: In den Zentren wird jede Menge Ware in tausenden Plastikwannen bewegt. Und diese Wannen können Feuer fangen – daraus kann ein Inferno entstehen.
150 Meter Höhe in Hongkong
Doch die modernen Zeiten verlangen mehr. Es geht etwa um sparsamen Energieverbrauch einer solchen gewaltigen Anlage, wie etwa LED-Beleuchtung, hochwertige Dämmung sowie den Einsatz von Gas-Motor-Wärmepumpentechnologie, wie in den von Goodman entwickelten Zentren von Zalando in Lahr und Metro in Marl.Es geht aber auch darum, wie man mit der Verknappung und damit Verteuerung der Flächen umgeht. Die Alternative heißt: in die Höhe bauen. "Wir prüfen aktuell die Möglichkeit der Entwicklung mehrstöckiger Gebäude", sagt Goodman-Manager Corynen, sieht aber dieser in nur wenigen Großstädten wie München oder Stuttgart. Dort gibt es kaum noch Flächen, und für das, was noch zu haben ist, werden enorme Preise aufgerufen.
In Hongkong hat Goodman bereits die mehrstöckige Zukunft realisiert. Dort wurde eine Logistikimmobilie mit 23 Etagen und einer Höhe von mehr als 150 Metern entwickelt.
Der Kampf um die "letzte Meile"
Die Onlinehändler stehen vor der Herausforderung, dass sie mit ihrer Logistik immer mehr an die Städte heranrücken müssen, weil sie nur so beim wichtigsten Versandstück der "letzten Meile" gewinnen können. Doch es gibt immer weniger Platz, zudem kann man nicht stadtnah pausenlos ein Logistikzentrum mit Lastern ansteuern, die Feinstaubwerte wären gewaltig, und die Lärmbelästigung der Anwohner auch.
Hermes will die Feinstaubbelastung eindämmen, im dem bis zum Jahr 2025 zumindest in den Großstädten nur noch Elektro-Autos eingesetzt werden sollen. Trotzdem bleibt die Herausforderung der schnellen stadtnahen Logistik. Bestenfalls innerstädtisch, die jeder braucht, der taggleiche oder gar stundengleiche Lieferung anbieten will.
Die Bibliothek als Logistikzentrum
"Kunden wollen am liebsten da bestellen können, wo sie gerade sind und sich auch entsprechend ortsunabhänig beliefern lassen: sei es zu Hause, auf der Arbeit, an speziellen Abholpunkten, direkt in Geschäften oder Ähnliches", beschreibt Goodman-Logistiker Corynen die Zukunft. "Daher muss auch die Rolle des Einzelhandelsgeschäfts im Fulfillment-Netzwerk überprüft werden."
Einige Einzelhändler haben bereits einen Teil ihrer Läden zu Lagern umfunktioniert, um Aufträge schneller erfüllen zu können. Doch es geht auch um Nutzung von innerstädtischem Leerraum, hier wird über vieles nachgedacht, wie etwa über Parkhäusern, die nachts faktisch außer Betrieb sind. In Barcelona fungiert sogar eine Bibliothek als Station für die letzte Meile verwendet.
Vielleicht ist die Entwicklung innerstädtischer Logistikzentren das kniffligste in der Branche, Goodman zumindest konzentriert sich daher auf Gebäude an den Stadträndern. "Wir werden wir nicht schon morgen mit der Entwicklung von Last-mile-Immobilien auf der ‚Düsseldorfer Kö‘ beginnen", versichert Corynen. Doch weil alles in dieser Branche so schnell geht, kann sich das schnell ändern.